Seit ihrem Debüt „Adrenaline“ von 1995 sind die Deftones nicht mehr aus den Musikgefilden der härteren Gangart wegzudenken. Das liegt vor allem an ihrer ureigenen Mixtur aus Alternative Rock und Metal, der sie auch auf dem aktuellen Longplayer „Gore“ auf erfrischende Art und Weise treu bleiben. Dabei ist es wahrlich nicht selbstverständlich, dass das Quintett aus Sacramento, Kalifornien heute noch seinem lauthalsigen Dasein frönt. Erst 2013 erlag ihr jahrelanger Bassist Chi Cheng den späten Folgen eines schweren Autounfalls. Für ihn sprang bereits im Jahre 2009 Sergio Vega am Bass ein, wodurch das weitere Bestehen der Band ermöglicht wurde.
Für das knackige Drumming der Deftones ist Abe Cunningham verantwortlich. Seit Anbeginn prägt er den Sound der Band durch seinen unverwechselbaren Stil. Spätestens seit dem weltweiten Erfolg der Deftones durch Songs wie „My Own Summer“ und „Digital Bath“ wird Abe als einer der einflussreichsten Trommler im Bereich des Alternative Rock gehandelt. Wir trafen ihn für ein Interview im Hamburger Mehr! Theater, wo er im schummrigen Backstage unter anderem über die Entstehung der aktuellen Deftones-Platte erzählte und sich dabei als ruhiger und sympathischer Gesprächspartner zeigte.
Abe, wie geht’s, und wie läuft die aktuelle Tour bislang?
Gut geht’s, und die Tour läuft super bisher. Vor etwa zwei Wochen ging es in Wien los. Wir kamen jedoch von einer fünfmonatigen Pause und mussten erstmal wieder in die Spur kommen.
Habt ihr euch intensiv auf die Tour vorbereitet?
Ein bisschen. Wir sind im Vorfeld für fünf Tage nach London zum Proben geflogen.
Die Veröffentlichung des ersten Deftones-Albums „Adrenaline“ liegt nun mehr als 20 Jahre zurück. Was hat sich deiner Meinung nach über die Jahre verändert?
Das ist witzig, ehrlich gesagt hat sich seitdem nicht viel verändert. Wir touren heutzutage nicht mehr so viel wie damals, das ist sicherlich die größte Veränderung. Damals wollten wir einfach nur unterwegs sein und auf so vielen Bühnen wie möglich stehen. Das ist zwar heute immer noch so, jedoch versuchen wir jetzt, etwas mehr Balance zu finden und wählen die Konzerte bewusster aus. Wir wohnten damals alle in Sacramento, Kalifornien und waren eigentlich jeden Tag in unserem Studio zum Jammen und Rumhängen. Das Studio haben wir heute immer noch, und mittlerweile haben wir noch eins in New York. Frank (Anm. d. Red.: Frank Delgado, Keyboarder bei Deftones) und ich wohnen immer noch in Sacramento. Chino (Anm. d. Red.: Chino Moreno, Sänger bei Deftones) wohnt mittlerweile in Oregon und Stephen (Anm. d. Red.: Stephen Carpenter, Gitarrist bei Deftones) in LA. Wir müssen nun also viel mehr planen, um uns mal zu sehen.
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Wie lief denn unter diesen Umständen der Songwriting-Prozess zum neuen Album „Gore“ ab?
Bei den vorherigen Alben haben wir uns immer zwei bis drei Monate gesucht, um an einem Stück am neuen Material zu arbeiten. Auf diese Art ist man quasi gezwungen, in einem begrenzten Zeitfenster auf neue Ideen zu kommen. Das funktionierte mal besser und mal schlechter. Für „Gore“ haben wir uns zeitlich etwas mehr Freiheit gegeben. Wir haben etwa ein, zwei Wochen an dem neuem Material gearbeitet, sind direkt im Anschluss für eine Woche auf Tour gegangen und dann für kurze Zeit wieder nach Hause gefahren. Natürlich hat das den gesamten Prozess in die Länge gezogen, aber insgesamt hat es so besser für uns funktioniert. Wir waren jetzt in der Lage, produktiv zu werden, zeitgleich Geld zu verdienen und weiterhin bei unseren Familien zu sein. Das wollten wir dieses Mal einfach mal ausprobieren.
Und es hat offensichtlich gut funktioniert…
Ja, das hat für uns alle Sinn gemacht. Natürlich hat es auch was, wenn man sich einschließt und sich eine Zeit lang nur mit der Platte beschäftigt. Wir wollten es jetzt aber einfach mal anders machen.
Habt ihr generell eine bestimmte Herangehensweise oder Rollenverteilung, was das Songwriting betrifft?
Es ist jedes Mal anders. Grundsätzlich entsteht ein neuer Song bei uns immer aus einer Idee, die jemand hat. Es ist eigentlich nie so, dass jemand einen fertigen Song mitbringt. Wir schreiben die Songs immer gemeinsam. Mittlerweile schaffen wir es auch besser als früher, uns auf eine Sache zu fokussieren, aber natürlich albern wir heute auch heute noch rum. Beim Songwriting ist für uns vor allem die Bandchemie wichtig, denn wenn wir eine gute Zeit miteinander haben, passieren die Dinge automatisch.
Hattet ihr beim Schreiben der neuen Songs für „Gore“ neue Einflüsse oder gewisse Ziele?
Nein, wir versuchen eigentlich immer, beim Schreiben nicht zu voreingenommen zu sein.
Lass’ uns gern mal genauer auf dein Drumming eingehen: Gab es bestimmte Trommler, die dich beeinflusst haben, als du mit dem Schlagzeugspielen angefangen hast?
Nicht wirklich. Ich habe immer versucht, meinen eigenen Stil zu finden. Das wird wahrscheinlich auch niemals aufhören. Nach ein paar Platten und einigen Touren fühlt man sich natürlich etwas sicherer – allein schon dadurch, dass man über die Jahre auch persönlich reifer geworden ist. Nicht, dass ich mich jetzt als besonders vernünftig bezeichnen würde… (lacht)
Das ist wohl auch der Grund für deinen sehr eigenständigen Sound, den du meiner Meinung nach von Anfang an hattest: Die ultrahoch gestimmte Snare, das gecrashte Ridecymbal, die attackvollen Sounds…
Danke! Generell habe ich immer schon die Sounds von Stewart Copeland und John Stanier (Anm. d. Red.: ehemals Trommler bei Helmet) geliebt, aber meine Art zu spielen war zunächst einfach nur eine notwendige Maßnahme, um gegen die lauten Gitarren anzukommen. Wenn du jung bist, willst du „verstanden“ werden, weshalb du die Drums höher stimmst und härter spielst.
Deine Signature Snare von Tama hat ein sehr eigenwilliges Design. Was war die Idee dahinter?
Die besten Snaresounds habe ich bisher mit speziellen Modellen von Orange County Drums & Percussion (Anm. d. Red.: Abe war einst Endorser von OCPD) und mit alten Tama Bell Brass Snares erreicht. Meine OCPD Snares besitzen große Luftausgleichslöcher und sind zum Beispiel auf Songs wie „My Own Summer“ und „Digital Bath“ verewigt. Eine Tama Bell Brass Snare habe ich lange mit auf Tour genommen, allerdings ist sie aufgrund ihres dünnen Kessels ziemlich anfällig. Mittlerweile benutze ich sie nur noch im Studio. Bei meiner neuen Tama Signature Snare haben wir versucht, das Beste aus beiden Welten zu bekommen. Sie besteht aus einem drei Millimeter dünnen Messingkessel und besitzt vier große Vent Holes.
Spielst du im Studio eigentlich mit einem anderen Ansatz als auf der Bühne?
Ein bisschen schon. Im Studio kannst du etwas mehr relaxen, da der Raum und die Mikrofone mitarbeiten. Da hast du auch die Kompressoren, die das Ganze zum „Schmatzen“ bringen können. Auf der Bühne verhält es sich im Vergleich dazu eher wie bei einem Exorzismus. Da willst du einfach nur den Teufel aus dir heraustreiben!
Spielst du im Studio zum Click?
Wenn wir einen Song nicht gerade zusammen einspielen, besprechen wir im Vorfeld die Tempi der einzelnen Songteile und erstellen daraufhin eine „Tempo-Map“, zu der ich dann die Drums einspiele. Dem Chorus geben wir zum Beispiel gern mal zwei Beats mehr als der Strophe, wodurch der Song trotz des Clicks organisch bleibt.
Und wie sieht es auf der Bühne mit Click aus?
Auf der Bühne benutze ich keinen Click und auch keine Backing Tracks. Auch nicht zum Einzählen der Songs. Das passiert alles durch Augenkontakt.
Hast du im Studio ein gewisses Sound-Ideal im Kopf?
Manchmal, jedoch geht es im Studio ja auch darum, Dinge passieren zu lassen. Da stößt man oft auf einen Sound, mit dem man vorher nicht gerechnet hätte und der dann einfach perfekt ist. Deshalb habe ich auch immer eine Menge an verschiedenen Trommeln mit im Studio. Ich benutze eigentlich für jeden Song eine andere Snare und manchmal auch eine andere Bass Drum.
Was für Trommeln kommen da vor allem zum Einsatz?
Eigentlich spiele ich im Studio so ziemlich dasselbe Setup, das ich auch live benutze, nämlich ein Tama Starclassic Set. Oft baue ich mir im Studio aber eine Art „Frankenstein-Kit“ aus verschiedenen Sets zusammen. Was die Becken betrifft, mache ich auch keine Unterschiede im Vergleich zur Bühne.
Hast du konkrete Pläne für die nächsten Jahre?
Ich hoffe, dass ich das alles hier noch eine Weile machen kann. Sicherlich wird es eine neue EP oder ein neues Album mit den Deftones geben. Auch wenn man heutzutage durch die Streaming-Portale nicht mehr zwangsläufig ein komplettes Album braucht, sind wir doch immer schon eine Album-Band und nie eine Hitsingle-Band gewesen.
Danke Abe für das Gespräch!
Im Anschluss an dieses Interview brachten die Deftones mit ihrer energiegeladenen Show die Wände des Hamburger Mehr! Theaters zum Wackeln und kredenzten dem sehr durchmischten Publikum eine gelungene Melange ihrer bisherigen Diskographie. Leider gingen dabei viele Songs im undefinierten Grummeln der tiefen Frequenzen unter. Zum Glück schwebte der Gesang von Frontmann Chino Moreno aber durchweg glasklar über dieser klobigen Masse, weshalb treue Fans mit entsprechender Hörerfahrung an diesem Abend dennoch auf ihre Kosten kamen.
Abe Cunninghams Equipment:- Drums / Hardware: Tama
- Starclassic Maple (Europa Tour Kit)
- 10“ x 7“ Rack Tom
- 12“ x 8“ Rack Tom
- 16“ x 16“ Floor Tom
- 18“ x 18“ Floor Tom
- 22“ x 18“ Bass Drum
- 14“ x 6“ Signature Snare (3mm starker Messingkessel mit vier großen Öffnungen)
- 14“ x 6“ Starphonic Brass Snare
- Becken: Zildjian
- 8“ A Custom Splash
- 9,5“ FX Zil-Bel Large
- 10“ A Custom Splash
- 15″ A Custom Mastersound Hi-Hat
- 19“ A Zildjian Heavy Crash
- 20“ K Crash Ride (2x)
- 20“ FX Oriental China Trash
- 22“ A Custom Ride
- Felle: Remo
- Toms: Emperor Clear (Top), Ambassador Clear (Bottom)
- Bass Drum: Powerstroke P3 Clear Black Dot
- Snare: Black Max
- Sticks: Vater
- Abe Cunningham’s „Cool Breeze“ Signature Model
- Electronics: Diverse
- Synesthesia Mandala Drum (2x)
- Roland SPD-SX