Die Epiphone Masterbilt Century Deluxe VS Archtop-Akustikgitarre vereint laut Hersteller das Originaldesign der 30er Jahre mit moderner Elektronik zu einem Instrument mit außergewöhnlichen Eigenschaften. Epiphone wurde 1928 in New York gegründet, benannt nach dem Luthier Epaminondas Stathopoulo, auch unter dem Namenssuffix “Epi” bekannt. Seine Firma produzierte neben Banjos und Mandolinen vor allem Archtop-Gitarren, also Gitarren mit gewölbter Decke. 1931 gingen gleich neun unterschiedliche Modell unter dem Label Masterbilt in Serie. Die Archtops, die sich bald bei führenden Swingmusikern im Lande großer Beliebtheit erfreuten, wurden in der Gründerzeit und zum Teil bis in die 50er Jahre noch ohne Tonabnehmer angeboten. Damit sie sich überhaupt in Ensembles bis hin zur Big Band durchsetzen konnten, waren große Resonanzkörper angesagt. Im Line-up der Masterbilt-Serie von 1931 befand sich auch das Flaggschiff, die Deluxe, die der Gibson L-5 den Rang ablaufen sollte und ähnlich üppig dimensioniert war. Andere Modelle aus der gleichen Serie wie die Zenith, die Broadway oder die Triumph kamen mit kleinerem Body und waren angeblich auch weniger komfortabel ausgestattet.
Als dann die elektrischen Archtop-Gitarren ihren Siegeszug antraten, verschwanden die akustischen Varianten spätestens in den Sechzigern praktisch ganz von der Bildfläche. Inzwischen hat Epiphone viele Instrumente aus der historischen Masterbilt-Serie neu aufgelegt und lässt sie in Indonesien produzieren. Darunter auch unsere Testkandidatin, die Epiphone Masterbilt Century Deluxe VS.
Details
Unser Remake präsentiert sich in einem wahrlich archaischen Zustand und vermutlich wurde sein Vorbild erstmals in den späten 30er oder frühen 40er Jahren gesichtet. Unsere Testkandidatin macht ansonsten einen wertigen und edlen Eindruck. An die alte Deluxe (Referenz: 1935er) erinnern noch viele Details wie der historische Trapez-Saitenhalter, die mobile, höhenverstellbare Brücke, das Longitudinal Bracing und das langgestreckte Schlagbrett. Zum Standard der Deluxe gehörten damals wie heute natürlich auch die massive Fichtenholzdecke und Zargen und Boden aus Ahorn (hier laminiertes Ahorn). Allerdings kommt das Remake mit dem größeren Resonanzkörper, den die Deluxe im Jahr 1939/40 bekam, nachdem auch Gibson den Body der L-5 (jetzt 17″) vergrößert hatte. Leider ist dem Nachbau der ansehnliche Fischgräten-Herringbone-Streifen des 1935er Originals abhanden gekommen und einer schlichten elfenbeinfarbenen Randeinlage gewichen. Außerdem hat unsere Testkandidatin die urigen F-Löcher, die das Erscheinungsbild der alten Edel-Deluxe prägten, gegen ein rundes Schallloch eingetauscht. Puristen dürfen aber aufatmen, denn Epiphone bietet die baugleiche Gitarre optional mit den klassischen F-Löchern und zum gleichen Preis unter der Bezeichnung “Epiphone Century Deluxe Classic VS” an.
Selbstverständlich konnte sich Epiphone auch nicht mehr dem Fortschritt verschließen und hat dem Remake den inzwischen obligatorischen justierbaren Halsstab und einen Untersatteltonabnehmer der Firma Shadow mit auf den Weg gegeben.
Der Resonanzkörper
Mit einer Spannweite von 43,2 cm (32 cm) am Unterbug (Oberbug) und einer Korpuslänge von 52 cm ist die Decke – wie schon angedeutet – relativ großflächig geblieben. Die beiden tief ausgeschnittenen Zargen (9,0 cm) vergrößern das Luftvolumen der alten und neuen Deluxe erheblich, was das Flaggschiff aus der Masterbilt-Serie – wie damals – auch als echte Akustikgitarre ausweist. Eine Profilverjüngung an den Zargen kennt diese Konstruktion nicht. Tatsächlich ist die Wölbung der Decke wesentlich stärker ausgeprägt als die einer aufgewölbten Flattop. Die Wölbung bei der Archtop wurde früher (und z.T. noch heute) von Hand aus massivem Holz dünn herausgeschnitzt. Diese mühselige Arbeit trieb die Kosten des Instrumentes in die Höhe, die heute durch moderne CNC-Technik gedeckelt werden können.
Die ansehnliche massive Fichtendecke ist aus zwei Teilen zusammengefügt. Die beiden Hälften ergeben ein symmetrisches Faserbild mit typischen feinstrukturierten Maserungen, wobei die Verleimstelle in der Mitte gut mit bloßem Auge erkennbar ist. Die Vintage-Sunburst-Lackierung (VS) steht der Decke jedenfalls gut zu Gesicht. Zwei Lackschichten, eine schwarz-braun-deckende am Korpusrand und eine durchscheinende klare im Zentrum bilden einen fließenden Übergang. Abschließend wurde die Oberfläche mit einer dünnen Schicht Mattlack versiegelt, die vom authentisch ausladenden Schlagbrett geschützt wird, das dem aus den 30er Jahren zumindest gleicht. Allerdings besteht das aktuelle aus einem Schildpatt-ähnlichen Imitat.
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Mit den beiden F-Löchern hat unser Testmodell ein signifikantes Erkennungsmerkmal der alten Deluxe verloren. Ob das runde Schallloch (Durchmesser: 10 cm) den Klang signifikant verändert, kann ich nicht beurteilen, da der direkte Vergleich mit der “Epiphone Century Deluxe Classic VS” fehlt. Jedenfalls wird es von einer einfachen, schwarz-weißen Verzierung umrundet.
Die sechs Saiten werden mit den Ball-Ends an einem separaten Trapez-Saitenhalter aus Nickel aufgehängt. Der Saitenhalter schwebt quasi über der Decke und ist lediglich mit einer Schraube in der Zarge verankert. Zum Glück werden zwischen Stegeinlage und Aufhängung keine störenden Resonanzen produziert. Der Steg aus echtem Ebenholz mit einem höhenverstellbaren Aufbau überträgt die Schwingungen der Saiten auf die Decke, wobei die längenkompensierte Stegeinlage aus Kunststoff die Rundung des Griffbretts perfekt nachahmt. Mit zwei Rändelschrauben ist der Stegaufbau in der Höhe verstellbar, allerdings sollte man die Saiten vorher etwas entspannen, damit der Vorgang nicht zum Kraftakt ausartet. Ich hege aber die Vermutung, dass der Stegaufbau sich eher kontraproduktiv auf den akustischen Sound des Instrumentes auswirkt, da die Übertragung der Schwingungen lediglich über die beiden Gewindestangen erfolgt und nicht flächendeckend wie bei einer Flattop. Die Konstruktion hält die Stimmung jedenfalls perfekt aufrecht. Wenn die Oktave erst einmal eingestellt ist, sollte man nach Möglichkeit die Saiten (z.B. beim Saitenwechsel) nicht gleichzeitig entfernen, da der Steg sonst seine Position verändern könnte.
Boden und Zargen aus laminiertem Ahorn wurden dunkel eingefärbt und abschließend seidenmatt versiegelt. Ob sich der Klang mit einem massiven Ahornbody praktisch verbessern würde, steht in den Sternen. Die Stoßkanten am Body sind jedenfalls durch einen Ring aus elfenbeinfarbenem Binding gut geschützt.
Interieur
Ein Blick durch das Schallloch zeigt, dass sich die Gitarrenproduzenten in den 30er Jahren noch nicht vollständig von der Torres-Norm gelöst hatten. Ein X-Bracing findet man hier nicht. Zwei unterbaute Leisten wurden fächerförmig längs zum Korpus aufgeleimt und stärken somit vor allem den fragilen Bereich rund um das Schallloch. Dort ist die massive Decke ganze 0,4 cm stark, also nicht zu dick oder zu dünn. Das Fächersystem (Longitudinal System) verlor aber dann in der Folge vor allem im Westerngitarrenbau seine Bedeutung, da das X-Bracing stabilere Verhältnisse versprach. (Allerdings habe ich das Fächersystem erst kürzlich bei der aktuellen Taylor T5z wiederentdeckt.)
Am Boden befinden sich hier gar keine Balken. Auch einen Bodenmittelstreifen hat man unserem Remake nicht geschenkt. Die dicken Bodenplatten aus laminiertem Ahorn machen aber einen robusten Eindruck und erhöhen wohl auch das Gewicht der Gitarre, die mit 2608 Gramm vergleichsweise (Referenz: Jumbo, Dreadnought) schwer ist.
Ansonsten bietet sich das gewohnte Bild. Decke, Halsfuß und Zargen werden von einem massiven Halsblock zusammengehalten. Die Reifchen, rundum am Boden- und Deckenrand eingesetzt, sind, so weit das Auge reicht, absolut sauber und gleichmäßig verarbeitet.
Hals mit Griffbrett
Das leicht gewölbte Griffbrett besteht aus dichtem, verwindungssteifem Ebenholz und wird von 20, sauber an den Kanten befeilten und abgerichteten Medium-Bünden bevölkert. Großes Aufsehen erregten in den 30er Jahren vor allem auch die Griffbrettmarkierer. Die alte Deluxe wurde noch mit Blumen- und Wolkenmotiven großzügig sogar im ersten Bund ausgestattet. Das Griffbrett der neuen Deluxe wird mit sogenannten “Notched Diamonds” aus Pearloid strukturiert, die ich aber bei den alten Deluxe aus den 30er Jahren nicht entdecken konnte. Eine sinnvolle Ergänzung bilden auch entsprechende schwarze Punkteinlagen auf der elfenbeinfarbenen Griffbretteinbindung. Die sechs Saiten laufen über einen sauber bearbeiteten Knochensattel mit einer Breite von 4,3 cm, wo sie sicher in den Kerben liegen. Im 12. Bund hat das Griffbrett eine Breite von 5,1 cm. Diese Maße unterliegen – heute wie damals – der Martin-Norm.
Das Griffbrett selbst ist passgenau auf einem fünfteiligen Hals aus Mahagoni und Ahorn verleimt und abschließend mit dem gleichen Lack (seidenmatt) versiegelt wie Zargen und Boden. Der abgerundete Halsfuß ist wie diese dunkel eingefärbt, weshalb man auch die Leimstellen nicht erkennen kann, und stabil per Schwalbenschwanz mit dem Halsblock verzapft und verleimt. Der Hals ist mit einem Halsumfang von 11,6 cm am Sattel und einem “rounded C Shaping” vergleichsweise schmal. Vermutlich waren die Hälse – ohne Einstellstab – in den 30er Jahren noch dicker. In den 60er Jahren führte auch Epiphone den justierbaren Halsstab ein. Der implantierte Dual Action Halsstab verleiht dem Hals der neuen Deluxe die nötige Stabilität. Darüber hinaus können mit der Justiervorrichtung subtile Veränderungen der Halskrümmung korrigiert werden. Die Stellschraube befindet sich unter der schwarzen Abdeckung am Kopf, der Hals-Korpus-Übergang befindet sich standardgerecht am 14. Bund.
Kopfplatte
Die große Kopfplatte nahm erst im Zeitraum von 1935 bis 1939 ihre heutige symmetrische Gestalt an. Geschlossen Mechaniken kamen im übrigen auch erst in den 30er Jahren in den Handel. Epiphone setzte sie auch nur punktuell bei den teuren Modellen (Deluxe, Emperor) ein. Die hier verarbeiteten geschlossenen und vernickelten “Epiphone Reissue” in 3 : 3 Anordnung halten die Stimmung jedenfalls perfekt. Auch die “Marboloid Crown”-Stimmflügel findet man eher bei den teuren Epiphone-Gitarren wieder. 18 Umdrehungen braucht die Mechanikachse für eine 360-Grad-Reise um sich selbst. 1935 war die Deluxe noch mit goldenen Stimmflügeln bestückt.
Die Kopfplatte der Deluxe zeigte im Zeitraum von 1930 bis 1950 das große “Wanderin Vine”-Motiv, eine große Weinrebe aus Perlmutt. Das gelbe Weinrebenmuster unserer aktuellen Kandidatin wirkt dagegen bescheiden, zumal man es früher eher bei den preiswerten Modellen vorfand. Drei große Banner aus Perloid verweisen – wie in den frühen 30er Jahren – auf den Hersteller (Epiphone), das Modell (De Luxe) und die Reihe (Masterbilt). Die gesamte Kopfplatte wurde matt schwarz lackiert. Die Verarbeitung erfolgte ohne Fehl und Tadel.
Elektronik
Viele Archtop-Akustikgitarren wurden später mit einem magnetischen Tonabnehmer, der sie fortan als “Elektrogitarre” auswies, bestückt. Unsere Deluxe geht nun einen anderen Weg und möchte sich mehr von der Seite einer Akustikgitarre präsentieren.
Das Remake ist mit einem NC Sonic Preamp und einem SH-1000 Untersattel-Tonabnehmer der Firma Shadow ausgestattet, wobei sich Volume- und Tone-Regler diskret im Schallloch verstecken. Der NC Sonic Preamp hält sich unsichtbar unter der Decke versteckt. Ein protziges Paneel z.B. in der Zarge würde das authentische positive Erscheinungsbild der Deluxe erheblich trüben. Der Preamp wird von einem 9V-Block angetrieben. Das Batteriefach findet man in der unteren Zarge neben dem Gurtknopf. Allerdings vermisse ich eine LED, die den Ladezustand der Batterie anzeigt.