Der Moog mit nur einem Oszillator: 1975 versuchte der amerikanische Hersteller mit dem Micromoog einen preiswerten und besonders portablen Synthesizer anzubieten. Sparen war natürlich das Gebot der Stunde, nicht nur bei der Anzahl der Oszillatoren.
Schon deshalb fühlt sich der Micromoog längst nicht so hochwertig an wie sein großer Bruder Minimoog – dafür ist er aber auch heute noch relativ erschwinglich. Lohnt es sich also, in diesen Spar-Moog zu investieren – und liefert er den legendären Sound? Alles dazu in diesem Vintage Synth Special.
Moog Micromoog – ein kurzer Überblick
Der Micromoog ist bei weitem nicht so verbreitet wie der vier Jahre später erschienene und wesentlich erfolgreichere Moog Prodigy. Aber obwohl er im Vergleich einen Oszillator weniger hat, bietet er mehr Möglichkeiten zur Klanggestaltung: Die Modulationssektion verfügt standardmäßig über Oszillator-Filtermodulation, und das Filter kann im „Tone“-Modus zudem als stimmbarer Sinustongenerator genutzt werden. Dazu kommt noch ein Suboszillator – fette Sounds sind also auch kein Problem. Auch bei den Anschlüssen war Moog mit CV, S-TRIG, Filter CV und Audio In deutlich spendabler als der Prodigy. Kurz nach dem Micromoog brachte Moog übrigens noch einen großen Bruder auf den Markt, den Multimoog: weitgehend identisch, aber mit zwei Oszillatoren und einer dreieinhalb Oktaven großen Tastatur mit Aftertouch.
Details
Moog Micromoog – Sparmaßnahmen
Die Knöpfe lassen ein wenig Moog-Feeling aufkommen – ansonsten sieht der Synthesizer aber weder nach Minimoog noch nach Prodigy aus. Statt brauner Holzoptik gibt es hier folienbeschichtete Spanplattenseiten mit Aluminiumkante und ein Formplastiktopteil. Auch der Ribbon-Controller statt eines Pitchwheels macht ihn optisch untypisch. Die Tastatur ist leider, wie bei vielen anderen Synthesizern dieser Zeit, kein Glanzstück. Der berüchtigte Pratt-Read-Mechanismus zeigt bei meinem Exemplar die typischen Ermüdungserscheinungen: Unterschiedlich hohe Tasten, ein klackerndes Spielgefühl und gerne mal Doppeltrigger, die diesem Tastaturmechanismus geschuldet sind.
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Was fällt noch auf?
Auch die Potis sind bei weitem nicht so solide wie beim Minimoog, sie fühlen sich eher leicht wackelig an. Die (eigentlich sehr massiven) Schalter für Modulation Source und Modulation Routing sind aus anderen Gründen als wackelig bekannt: Das zweiteilige Metallgehäuse bricht an den Nieten auseinander und dann wackelt der Knopf, funktioniert aber trotzdem. Diese Heavy-Duty-Knöpfe gibt es bedauerlicherweise nicht mehr, aber einmal mit der Heißklebepistole geklebt – und alles ist wieder bombenfest. Hardware-Qualität wie beim Roland SH-2 oder Korg MS-20. Warum er aber nach all dem Gejammer trotzdem interessant ist? Immer schön der Reihe nach!
Moog Micromoog – Oszillator und Noise
Links oben beginnt das Panel mit dem Oszillatorbereich. Mit „Octave“ stellt man die Tonhöhe im Bereich von 32’ – 2’ ein, zusätzlich gibt es einen „Wide“-Bereich, der mit dem zweiten Regler „Frequency“ einstellbar ist. „Waveshape“ blendet die Wellenform stufenlos von Sägezahn über Rechteck bis Puls. Dies kann zudem in der Modulationssektion noch moduliert werden, cremige Pulsweitenmodulation ist also garantiert! „Doubling“ ermöglicht das stufenlose Zumischen eines Suboszillators eine oder zwei Oktaven tiefer. Er liefert allerdings nur eine Rechteckwelle. Rechts daneben befindet sich ein Pegelregler für „Noise“, mit dem ein rosa Rauschen beigemischt werden kann. Es folgen drei Klangbeispiele: Zuerst ein manueller Waveshape-Sweep durch den Oszillator, dann 2 Oktaven Sub zugemischt und schließlich eine PW-Modulation, die über die Mod-Matrix gesteuert wird.
Audiobeispiele
Filtersektion und Envelope des Moog Micromoog
Bei dem 24dB Moog Filter, das einen resonanzfähigen Klang liefert und über den rückseitigen Audioeingang sogar extern genutzt werden kann, haben Moogs Sparmaßnahmen beim Micromoog nicht gegriffen. Durch den Regler „Cutoff“ regelt man die Filterfrequenz, während „Emphasis“ die Resonanz und „Contour Amount“ den Einfluss der Filterhüllkurve bestimmen. Im Bereich „Filter Contour“ findet sich besagte vereinfachte Hüllkurve, die nur aus „Attack“ und „Release“ besteht. Darunter ermöglicht ein Schieberegler für „Filter Sustain“ die Anpassung der Haltezeit. Zusätzlich kann das Ausklingen über den „Release“-Schalter sowohl für Filter als auch für VCA zwischen kurz und nachklingend eingestellt werden. Obwohl die Parametrisierung begrenzt ist, ist es erstaunlich, was damit alles möglich ist. Lediglich bei perkussiven Sounds, bei denen eine feine Justierung zwischen Filter und Amp erforderlich ist, vermisse ich separate Decay- und Sustain-Parameter.
Am Ende des Artikels stehen übrigens einige Percussion-Sounds als Download zur Verfügung (im Audio-Player als „Micromoog Drum Beat“ zu hören).
Extras in der Filtersektion
Dafür bietet der Moog Micromoog zwei zusätzliche Features in der Filter-Sektion: „Filter Mod by OSC“ in zwei Stufen („Weak“ und „Strong“) sowie drei „Filter Modes“: Hier kann man das Filter zwischen „Normal“, „Full“ und „Tone“ einstellen. In der ersten Einstellung ist die „Emphasis“ bereits bis zur Resonanz regelbar, das Filter klingt allerdings im Höhenbereich noch sehr offen. Im „Full“-Modus klingt es etwas kompakter, im „Tone“-Modus zwitschert das Filter immer: Es wird dann zum Sinusgenerator mit einem Frequenzbereich von 50 Hz bis 5 kHz. Beide Funktionen ermöglichen zudem mit wenigen Handgriffen extreme Klangveränderungen. Laut Bedienungsanleitung ist das Filter ein 24dB LowPass Design. Im „Normal“-Modus wird die Cutoff-Frequenz um 50 % (0,5 Volt) pro Oktave geändert, im „Full“-Modus um 100 %.
Audiobeispiele
Im Folgenden ein paar Beispiele: Zuerst ein Sweep mit Resonanz in den Stufen Normal/Full/Tone. Da hört man recht gut, dass „Normal“ offener als „Full“ klingt, und „Tone“ immer oszilliert. Danach folgen diese drei Filtermodi jeweils einmal mit 100, mit 50 und mit 0 Prozent „Emphasis“. Diese dünnt den Klang bei höheren Einstellungen deutlich aus. Als Letztes ein Beispiel für die Filtermodulation: Der Sound hat einen Filterenvelope, durch das Schalten von Off auf Weak und Strong hört man, wie unterschiedlich die Filtermodi den Moog Micromoog klingen lassen.
Loudness Contour: Der VCA-Envelope des Moog Micromoog
Man kennt es von anderen Synthesizern als Amplifier oder VCA. Hier heißt es „Loudness Contour“ (bei einigen frühen Moog Micromoogs übrigens „Articulator“). Auch hier gibt es nur zwei Regler für „Attack“ und „Release“. In der zweiten Zeile kommen als weitere Einstellmöglichkeiten ein „Loudness Sustain“ (lang oder kurz) und „Bypass“ (VCA Loudness Contour Envelope an/aus) hinzu. Der „Release“-Schalter ganz links in der zweiten Reihe des Bedienfeldes wirkt, wie bereits erwähnt, sowohl auf Filter als auch auf VCA.
Modulation, Glide und Volume
Unterhalb des Oszillators beim Moog Micromoog befindet sich die Modulationssektion. Mit „Rate“ stellt man die Frequenz des LFOs ein, mit „Source“ die Quelle des Modulationssignals. Neben Rechteck- oder Dreieckwelle des LFOs kann man hier auch Bend, Noise, Sample & Hold Auto oder Sample & Hold Keyboard getriggert auswählen. „Routing“ ermöglicht das Routen der Modulation auf Osc, Osc & Filter, nur Filter oder auf die Waveshape. Mit letzterem lässt sich bei gewählter Rechteckwelle eine cremige Pulsweitenmodulation erzeugen. Der Vollständigkeit halber seien auch noch die beiden letzten Buttons „Glide“ und „Volume“ erwähnt.
Spielhilfen des Moog Micromoog: Pitch Ribbon und Modwheel
So ein Ribbon Controller für Pitch Bend war 1975 sicher der letzte Schrei und zum Glück hat man das Modwheel nicht auch noch ersetzt. Im Netz liest man von Problemen mit dem Ribbon, aber bei meinem Moog Micromoog macht er aber, was er soll. Mit dem Komfort und der Präzision eines Wheels kann dieser Exot allerdings nicht mithalten. Der Kippschalter auf dem Foto ist übrigens eine nachträgliche Modifikation, die es erlaubt, zwischen externer CV und interner Tastatur umzuschalten.
Anschlüsse: Die Rückseite des Moog Micromoog
Klinkenbuchsen für Audio-Ausgänge in LO (-10 dB) und HI (+12 dB), S-TRIG In und Out, OSC/Keyboard In und Out, Filter und Audio-Eingänge ermöglichen eine einfache Integration in CV/GATE-Systeme über Converter. Diese verstehen auch S-TRIG. Ungewöhnlich ist die von Moog für den Micromoog gewählte Steuerspannung von 0,95 Volt pro Oktave – nicht 1 Volt wie sonst üblich. Bei der Wahl des Interfaces sollte man darauf achten, dass der Parameter einstellbar ist – mein Kenton Pro 2000 Interface kann das. Außerdem gibt es eine spezielle „Modulation“-Buchse, an die man einen Schalter oder ein Pedal anschließen kann. In der ausführlichen Bedienungsanleitung, die im Netz zu finden ist, gibt es auch einen extra Abschnitt mit der Steckerbelegung für alle Anschlüsse – da kann man sich sicher noch etwas zusammenbasteln. Schließlich ist da noch der „Access Power“-Port, der für die Stromversorgung von Moog-Zubehör gedacht ist und 15 Volt DC liefert.
Praxis
Die zwei Gesichter des Moog Micromoog
Der Moog Micromoog zeigt in der Praxis zwei widersprüchliche Seiten: Auf der einen Seite eine ziemlich klapprige Hardware, der man den Rotstift ansieht, und auf der anderen Seite eine gute Benutzerführung mit überraschend vielen Möglichkeiten – und tollen Sounds. Da können die meisten alten Japaner mit einem Oszillator meiner Meinung nach nicht ganz mithalten. Das Schrauben macht sofort Spaß: Mit Modulationsmatrix, Filtermodi und OSC FilterMod kann man viele Sounds von klassisch bis experimentell realisieren. Der Micromoog hat zudem einen guten Grundsound, ist aber etwas „rauschiger“, was natürlich auch am Alter meines Exemplars liegen kann.
Micromoog Hüllkurven
Die Hüllkurven des Moog Micromoog sind etwas eingeschränkt. Immerhin gibt es getrennte Hüllkurven für Filter und Amplifier. Das ist flexibler als bei anderen Single-Oszillator-Synths wie etwa Korg MS-10, Roland SH-09 oder SH-101. Leider stehen aber nur Attack- und Release-Parameter zur Verfügung – Decay und Sustain haben keine eigenen Regler. Immerhin kann man die Sustain-Phase zwischen kurz und lang umschalten (auch hier wieder getrennt für Filter und Amp), und auch das Ausklingen der Release-Phase kann zwischen kurz und langsam umgeschaltet werden. Sehr gut ist, dass die Envelopes mit einem Regelbereich von 1 Millisekunde – 10 Sekunden sehr „knackig“ und schnell sind.
Modulationsmöglichkeiten des Moog Micromoog
Auch die Modulationsmöglichkeiten können sich sehen lassen und übertreffen die eines Moog Prodigy. Dieser hat zwar zwei Oszillatoren, aber weder einen FM-Oszillator noch eine Modulationsmatrix. Beim Moog Micromoog hingegen kann man sechs Quellen (Bend, Noise, Rechteck LFO, Dreieck LFO, S&H Auto, S&H Keyboard) auf vier Ziele (OSC, OSC&Filter, Filter, Waveshape) routen. Die Intensität wird dabei mit dem Modulationsrad gesteuert.
Filtermodes des Micromoog
Oszillator-Filtermodulation ist ein weiteres Feature, das man nicht überall findet, und mit seinen beiden Stufen „Weak“ und „Strong“ viele Soundmöglichkeiten eröffnet. Die Idee mit den drei Filtermodes (Norm, Full und Tone) beim Moog Micromoog finde ich klasse: So lässt sich mit einem Handgriff zwischen cleanem Filter oder Oszillation schalten, ohne die Cutoff-Frequenzen zu ändern.
Werkspresets des Moog Micromoog
In der hervorragenden Original-Bedienungsanleitung des Moog Micromoog, die auch viel Hintergrundwissen vermittelt, gibt es natürlich auch Preset-Charts. Die habe ich einmal zum Hören „zusammengeschraubt“. Der dezente Charme der 70er Jahre ist deutlich zu hören. Aber bis auf das Preset „Electric Guitar“ oder den „Jet“ sind die anderen immer noch brauchbar. Als letztes Audiobeispiel ein Sound, bei dem das Filter quasi als zweiter Oszillator eingesetzt wird.
Audiobeispiele
Fazit
Schlussgedanken zum Moog Micromoog
Ich persönlich mag den Moog Micromoog: In mancher Hinsicht ist er flexibler als ein Prodigy, mit Soundmöglichkeiten, die andere klassische Single-Oszillator-Synths wie Roland SH-09 oder Korg MS10 vor Neid erblassen lassen. Trotz nur eines Oszillators liefert der Synthesizer einen echten Moog-Sound. Im Netz habe ich Meinungen gelesen, dass der Micromoog (ohne Mod) keinen „echten Bass“ bringen soll – im A/B-Vergleich zum Moog Prodigy kann ich das aber nicht bestätigen. Die ausgefeilte Filtersektion und die Modulationssektion mit Sample & Hold erlauben sogar experimentelle und unerwartete Sounds abseits der Standards.
Gutes und nicht so tolles
Auch sind alle notwendigen Eingänge standardmäßig ohne Modifikation vorhanden (CV, S-TRIG, Filter Mod, Audio In), sodass eine Integration über einen CV/MIDI-Konverter sofort möglich ist. Aber: Der Hauptschwachpunkt des Moog Micromoog ist für mich die Hardware und die schlecht spielbare Tastatur. Diese Pratt-Reed-Tastatur-Mechaniken sind klapprig, die Tasten stehen z. B. unterschiedlich hoch (durch abgenutzte Prellgummis unterhalb der Tasten). Wie beispielsweise beim Prophet 5 kann man das zwar überarbeiten, aber ein Spielgefühl wie bei japanischen Synthesizern wird sich nie einstellen. Da ich das Instrument von außen steuere, stört mich das nicht. Eher stört mich die Steuerspannung von 0,95 Volt pro Oktave, was die Integration etwas fummelig macht. Außerdem darf man nicht erwarten, dass die Stimmung des Synthesizers über den gesamten Tastaturbereich so exakt ist wie bei den Japanern. Dafür erhält man aber einen Synthesizer mit eigenem Klangcharakter.
Für wen eignet sich der Moog Micromoog
Wer einen problemlosen kleinen Allzweck-Synth sucht, ist mit dem Moog Micromoog meiner Meinung nach nicht so gut bedient. Dann lieber einen Moog Prodigy oder einen Japaner. Wer allerdings auf der Suche nach etwas Ungewöhnlichem ist, für den ist der Micromoog absolut das Richtige! Allerdings nur, solange er im Preis noch unter 1.000 Euro liegt – die klapperige Qualität der Hardware rechtfertigt nicht mehr.
Pro
- Flexible Filtersektion mit 3 Filtermodi und OSC Filter-Mod
- Schnelle Hüllkurven
- Flexible Modulationsmöglichkeiten
- Alle Anschlüsse standardmäßig, um den Synth in einem CV/GATE System zu betreiben
- Audioeingang für die Filtersektion
- Guter Grundcharakter des Sounds
Contra
- Hardware recht klapperig
- Envelopes vereinfacht auf zwei Parameter
- Ungewöhnliche Steuerspannung
- Stimmung nicht so stabil wie z. B. bei Roland SH-2/09
- Relativ „noisy“
Download: Moog Micromoog Percussion Samples
Hier gibt es die Percussion-Samples aus den Soundbeispielen zum Downloaden.
Features
- Erscheinungsjahr: 1975
- Klangerzeugung: analog, subtraktiv
- Tastatur: 32 Tasten, J-Tag keine Anschlagdynamik
- Polyphonie: 1 Stimme
- Oszillatoren: 1 VCO mit Suboszillator (1 oder 2 Oktaven)
- Fußlagen: 32‘, 16‘, 8‘, 4‘, 2‘, Wide
- Schwingungsformen: Sägezahn, Rechteck, Puls mit Waveshape-Modulation
- Rauschgenerator: Pink Noise
- Filter: Tiefpass 24dB/Okt. (Range: 1 Hz – 40 kHz)
- Tone Mode für Filter: Filter wird reiner Sinusgenerator (Range: 50 Hz – 5 kHz)
- Envelopes: 2x AR (1 ms – 10 sec), Release lang/kurz, Sustain lang/kurz
- Modulationsquellen: Bend, Noise, Rechteck, Sägezahn, S&H Auto, S&H KBD
- Modulationsziele: OSC, QSC & Filter, Waveshape
- Wheel Mod
- Anschlüsse: Lo/Hi Audio Out, S-Trigger Out, Kbd. Out, Filter Input, Oscillator Input (Scaling: 0.95 Volt/Oct), S-Trig Input, Accessory Power, Audio Input (schleift Audio durch), Modulation Input/Output