Als das Abbey Road Institute in Berlin seine Räumlichkeiten bezogen hat, waren wir vor Ort (Bericht). Damals waren noch keine Studios fertiggestellt und der Ausbildungsbetrieb hat noch nicht gestartet.
Das ist mittlerweile anders und somit Anlass für einen weiteren Besuch. Dadurch ergab sich nicht nur die Möglichkeit, Akustikausbau und Technikausstattung zu begutachten, sondern eben auch, Gespräche mit den Kursteilnehmern zu führen und einen umfangreichen Eindruck vom Betrieb zu erhalten.
Im roten Backsteingebäude am Landwehrkanal hat mich Malik al-Badri begrüßt, der als Manager der Niederlassung in Berlin das Tagesgeschäft führt. Malik blickt auf eine lange Karriere im Bereich von Musik und Tontechnik zurück und hat das Angebot mit Freude angenommen. Das merkt man auch, wenn er durch das Abbey Road Institute führt: Feuer und Flamme für Musik und Technik, so muss es sein!
Und so stürzen wir uns gemeinsam in den Trakt, in dem Aufnahmen gemacht werden und die Recordings anschließend editiert und gemischt werden. Die Aufnahmeräume und Regien des Abbey Road Institute sind über das AoIP-Netzwerk Dante miteinander vernetzt, wodurch via Focusrite RED-Interfaces Signale problemlos von hier nach dort geschickt werden können. Dadurch sind Multiroom-Recordings möglich, ebenso das Nutzen eines Hardware-Prozessors in einem anderen Tonstudio.
Alle Räume glänzen durch eine hervorragende Bau- und Raumakustik, eine gute Arbeitsergonomie und ein gelungenes Lichtdesign. Nicht unwichtig: Die Räume sind klimatisch optimiert und zeichnen sich durch ein geringes Level an Nebengeräuschen aus.
Die Racks sind mit hervorragendem Equipment bestückt, darunter absolute Klassiker im Original. Neben Lexicons LARC auf den Konsolen trifft man also allerlei Bekannte in den Racks, etwa einen Massenburg GML 8200, alte Blackface-1176 von Urei, Teletronix LA-3A, einen Tegeler Vari Tube, einen Focusrite ISA220 und einige mehr. Einen Pultec-Röhrenequalizer fand ich besonders interessant: Er trägt die Seriennummer 00017!
Das Abhören geschieht in den meisten Räumen über PMC-Aktivboxen, doch kommen – wie auch in den Abbey Road Studios selbst – auch Lautsprecher aus Bowers & Wilkins’ 800er-Serie zum Einsatz, die B&W 802. So manch ein Interessent, der bei Informationsveranstaltungen stolz einige eigene Produktionen mit „Referenzarbeiten“ verglichen hat, wird hier schon große Augen gemacht haben. Übrigens bietet das ARI regelmäßig auch „Study for a day“ an, bei dem es nicht bei theoretischen Unterweisungen bleibt. Dies ist auch das Konzept des Instituts: Lernen durch Produzieren!
Wenn es irgendwo Mikrofone gibt, dann muss ich die sehen. Klar. Und deswegen öffnete Malik den „Giftschrank“. Neben einigen hochwertigen Standards wie diversen Neumann- und Sennheiser-Klassikern war es besonders ein Altec 21D, das ich zugegebenermaßen bislang nur aus Ray A. Rayburns Buch „Eargle`s Microphone Book“ kannte.
Nach einem kurzen Hineinschnuppern in einen Unterricht, besucht von einer einstelligen Zahl Studenten, hatte ich Gelegenheit, ein kleines Interview mit einem Studierenden zu führen. Er verfügte wie viele andere über eine musikalische Vorbildung – in Österreich hat er Musik auf Lehramt abgeschlossen. Er freut sich, dass so viel durch die ausgiebige Studiozeit und das aktive Unterstützen durch alle Angestellten ermöglicht wird, sagt aber auch, dass sein Terminplan voll belegt ist mit Terminen für das Institut. Toll sei, dass man auch Equipment für Aktionen außerhalb ausleihen könnte und man immer wieder mit Rat und Tat unterstützt würde. Sein Fazit: Das Abbey Road Institute sei durchaus anstrengend, aber ein großer Schritt, um im Bereich Musikproduktion weiterzukommen. Als kleines Beispiel wurde der auf meinen Besuch folgende Tag genannt, denn dann standen Aufnahmen eines professionellen Cellisten eines großen deutschen Orchesters an: Im Rahmen einer Aufgabe, eine Filmmusik zu komponieren, blieb es nicht beim Benutzen von Librarys, es mussten anschließend auch die Recordings einiger echter Instrumente durchgeführt werden. Und der Cellist beispielsweise benötigt dafür eine les- und vor allem spielbare Partitur, die die Studenten natürlich bereitstellen müssen! Lang war das Gespräch nicht, denn der Student hatte noch eine Menge vor an diesem Tag – Arbeit an Produktionen ist angesagt.