Als ich mich mit dem letzten Pro-Tools-Test beschäftigte, war gerade die Version 12.3 mit der neuen Funktion „Commit Tracks“ am Start, während die bereits mit Version 12.0 angekündigte Funktionen Track Freeze und Online Collaboration noch immer auf sich warten ließen. Mittlerweile sind diese Features Bestandteil der Pro-Tools-Software und damit Grund genug, wieder einen Blick auf die wohl populärste DAW zu werfen.
Ich werde in diesem Testbericht immer den umgangssprachlichen Begriff „Pro Tools“ verwenden, wenn es auf den Unterschied zwischen dem einfachen Pro Tools (Vanilla) und Pro Tools HD (die teurere Variante, zum Betrieb von HD-Hardware) nicht ankommt. Sobald es erheblich ist, werde ich alelrdings präzise benennen, welche Version gemeint ist.
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Die ersten Ergebnisse des neuen Lizenzmodells
Zunächst möchte ich einen kleinen Blick auf die AVID-Produktpolitik werfen: Ende des Jahres 2014 machte Avid den Pro-Tools-Nutzern älterer Versionen ein Angebot, auf Pro Tools 11 upzugraden. In diesem Angebot war auch ein verlängerter Support- und Upgrade-Plan bis Ende März 2016 enthalten, was natürlich auch bedeutet, dass man Pro Tools 12.0 und folgende Versionen – die in diesem Zeitraum verfügbar werden– ebenfalls nutzen kann. Mitbeworben wurde in dieser Aktion auch die neue Online Collaboration, welche man nutzen können sollte, „sobald sie verfügbar“ sei.
Im Endeffekt muss man es wohl so lesen, dass wer dieses Upgrade „kauft“, in den Genuss des Features Online-Zusammenarbeit kommt. Nun mag es kleinkariert wirken, wenn ich darauf hinweise, dass Pro Tools 12.5 mit diesem Merkmal Ende März 2016 auf den Markt gekommen ist. Also gerade noch rechtzeitig, bevor der Upgrade-Plan der Nutzer der oben benannten Aktion auslief.
Avid selbst hatte zur Einführung des neuen Lizenzsystems (Details dazu hier! ) immer vorgetragen, dass dieses auch deshalb besser sei als das vorangegangene, weil neue Funktionen immer dann veröffentlicht werden könnten, wenn sie fertig seien. Und nicht erst dann, wenn man genug Funktionen zusammen habe, die einen Versionssprung mit entsprechendem Upgrade-Preis rechtfertigen würden.
Aus meiner Sicht wirkt es jedoch so, als wenn sich diese hehren Grundsätze beim Feature Online Collaboration gleich ins Gegenteil verkehrt hätten: Durch das Werbeversprechen Ende 2014 hatte Avid sich selbst eine Deadline gesetzt, die sie noch so gerade eben halten konnten. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Ein weiterer Aspekt des neuen Lizenzmodells ist mir erst viel später klar geworden: Nach dem alten Lizenzmodell waren Bugfixes zu jeder Zeit für jeden Nutzer kostenlos, auch dann noch, wenn der Erwerb der Pro-Tools-Version einige Jahre zurücklag. So gab es erst vor wenigen Monaten noch eine letzte Bugfix-Version für Pro Tools 10, das ich vor mehr als drei Jahren erworben habe. Mit dem neuen Lizenzmodell ist der Nutzer mit dem Ablauf des Upgrade-Plans automatisch von weiteren Programmversionen ausgeschlossen. Sofern er nicht einen neuen kostenpflichtigen Upgrade-Vertrag abschließt, erhält er noch nicht einmal die neuen Versionen, die lediglich Bugs „seiner“ letzten Pro-Tools-Version beseitigen. Dieser Umstand stellt den Nutzer defintiv schlechter als früher.