Anfang der 90er-Jahre kreierten die Designer der japanischen Firma Ibanez eine neue Gitarre, die auf den Namen Talman hörte. Inspiriert war sie einerseits vom Sound der frühen amerikanischen Danelectro-Gitarren, deren Korpusmaterial aus einem gepressten Verbundwerkstoff bestand. Das Material der frühen Talman-Gitarren nannte sich seinerzeit “Resoncast”, wurde jedoch bei späteren Modellen wieder durch traditionelle Hölzer ersetzt. Die Bodyform war angelehnt an die Umrisse der Fender Jazzmaster. Als Resultat entstand ein eigenständiges und beliebtes Instrument, das sich bis heute in den Ibanez-Katalogen behauptet.
Nun hat man bei Ibanez das Talman-Konzept erstmals auch auf den Bass übertragen. Hinsichtlich seiner Ästhetik wird dieses Modell vor allem Vintage-Fans ansprechen, klanglich geht das Instrument jedoch bei Bedarf durchaus auch in eine modernere Richtung. Besonders erwähnenswert ist einmal mehr der Preis, denn der Talman Bass wird im Durchschnitt für deutlich weniger als 300,- Euro gehandelt (!). Dafür bekommt man einen Mahagoni-Korpus, P/J-Tonabnehmer-Kombination, eine aktive Zweiband-Elektronik, ein Palisandergriffbrett – und natürlich die gewohnt hochwertige Ibanez-Verarbeitung.
Ich hatte vor vielen Jahren anlässlich eines Bass-Tests im günstigen Preisbereich (stellvertretend für alle Instrumente im Niedrigpreis-Segment) einige nachdenkliche Worte niedergeschrieben. Ich zitiere mich einmal selbst leicht aktualisiert an dieser Stelle:
“Man bedenke, dass ich ca. 1977 für einen gebrauchten Ibanez-Bass 650,- DM bezahlt habe. Neu kostete er damals 900,- DM. Ich frage mich stets, wie die Preise fast 40 Jahre später überhaupt noch funktionieren, wenn ich mir Folgendes vor Augen führe: Irgendwo auf der Welt wird ein Baum gefällt, er wird dann abtransportiert mit Seilwinden und LKW, zu einem Hafen gebracht, dort verladen, dann weiter an den Zielort verschifft, entladen und zur Weiterverarbeitung gebracht. Das Holz wird getrocknet – früher auf natürliche Weise über mehrere Jahre, heute nahezu ausschließlich in computergesteuerten Trockenkammern. Dann wird das Holz vorgeschnitten, sortiert, zwischengelagert und schließlich bearbeitet, also ausgeschnitten, gefräst, gebohrt, geschliffen, lackiert und poliert. Weiterhin werden Hälse, Griffbretter, Hardware und Elektronik hergestellt, montiert und geprüft. Das neue Instrument wird mit frischen Saiten bestückt, manchmal zusätzlich in einen Koffer oder ein Gigbag gepackt, kartoniert, zum Hafen gebracht und an den neuen Bestimmungsort verschifft, wo es verzollt und eingeführt wird und zum Vertrieb gelangt, der es auf Bestellung an einen Händler weitersendet. An jeder Station steht ein Mensch, der Geld für seine Arbeit bekommt. Darüber hinaus hält jede Firma, jede Institution und jeder Staat die Hand auf, und am Ende der ganzen Verlaufskette hält der glückliche Musiker einen nagelneuen Bass für unter 300,- Euro (“inklusive” 19% Mehrwertsteuer!) in den Händen. Jeder kann sich selbst ausrechnen, wie viel an einem solchen Instrument tatsächlich noch verdient wird!”
Den Konsumenten darf es natürlich freuen, so lange das Spiel eben global noch möglich ist. Weiterhin muss ich erwähnen, dass entgegen der günstigen Preise die Qualität solcher Instrumente im Laufe der letzten Jahrzehnte ständig besser geworden ist und ich generell aus dem Staunen nicht mehr herauskomme, welch hoher Standard mittlerweile für wenig Geld geboten wird. Ob der Ibanez TMB100 Talman Bass ebenfalls in diese Überraschungskategorie gehört, wollen wir in diesem Test ergründen!
Details
Der hier getestete Ibanez TMB100 Talman Bass erstrahlt in der Farbe “Ivory” – also “Elfenbein”. Derzeit existieren vier weitere Farboptionen im Katalog: Black, Tri Fade Burst, Mint Green und Transparent Red. Ein Koffer oder eine Tasche sind zwar nicht im Lieferumfang enthalten, was man angesichts des Preises wohl auch nicht unbedingt erwarten würde.
Der Korpus wirkt weder zierlich, noch klobig. Da als Korpusholz Mahagoni verwendet wurde, verwundert es nicht, dass der Talman gute 4,5 kg wiegt. Durch das Fehlen von Cutaway-Hörnern wirkt der Korpus etwas gestaucht, aber in einer sehr ästhetisch anmutenden Weise. In Verbindung mit dem Tortoise-Schlagbrett, das sich an der unteren Hälfte der Verlaufslinie der Korpusschwingung anpasst und in der oberen Hälfte am Rand ein gegenläufiges Oval zeichnet, wirkt der Bass sehr gelungen. Eine Besonderheit des Talman-Designs ist die Anordnung und Aufteilung der Regler und Klinkenbuchse. Als zweiteiliger Stackpoti ausgeführt, befindet sich der Lautstärke/Tonabnehmer-Balanceregler mit verchromten Messing-Knopf und -Ring auf dem Schlagbrett. Das ebenfalls zweiteilige Stackpoti für die aktive Klangregelung mit Höhen- und Bassregler wurde hingegen auf einer schmalen Chromplatte montiert, die zu ca. einem Viertel in das Schlagbrett hineinreicht, dann aber nach hinten hin weiterführt und dort die schräg versenkte Klinkenbuchse beherbergt. Sie kann einen geraden Klinkenstecker im flachen Winkel aufnehmen. Für mich ist das vom ästhetischen und auch praktischen Hintergrund aus gesehen ein so einfaches und doch einzigartiges und gelungenes Detail, dass man sich die Frage stellen mag, warum gerade diese Konstruktion bislang nicht größere Verbreitung gefunden hat!
Die Brücke ist die einfachste Chromwinkelausführung, die es gibt. Die zylinderförmigen Reiterchen mit mittlerer Saitenführungskerbe liegen ohne zusätzliche Führungsschienen jeweils mittels zweier Madenschrauben zur Saitenhöhenjustierung auf der Bridge-Messingplatte auf.
Als Tonabnehmer wurden zwei passive Ibanez Dynamix-Tonabnehmer installiert. In der Halsposition befindet sich ein Split-Coil, in der Stegposition ein Singlecoil Jazz-Style. Wir haben es also mit der sehr beliebten P/J-Kombination zu tun; der Verbindung von Precision- und Jazz Bass-Tonabnehmer, die klanglich “das Beste aus beiden Welten” verbinden soll. Um die Soundmöglichkeiten zu erweitern, befindet sich obendrein noch eine aktive Zweiband-Elektronik an Bord, deren Stromversorgung via 9V-Batterie erfolgt. Sie wurde auf der Rückseite des Bodies in einem kleinen Fach untergebracht. Leider ist dieses Fach mittels zweier Schrauben arretiert, was einen schnellen Wechsel (etwa zwischen zwei Songs) unmöglich macht. Allerdings wurde der Deckel vorbildlich versenkt und die Befestigungsschrauben sitzen in eingelassenen Messinggewinden.
Die Batterie selbst wurde mittels verklebtem Moosgummi passgenau in das Fach eingesetzt. Dadurch kann sie nicht wackeln und sitzt sogar so fest im Fach, dass es fast ein wenig Mühe kostet, sie herauszuziehen. Darüber hinaus ist das verklebte Moosgummi natürlich nur eine Lösung für die derzeit im Bass befindliche Batterie. Da Moosgummi und Batterie fest verklebt sind, wird man bei Austauschbatterien neue Klemmmaterialien auskundschaften müssen. Wie so häufig bei 9V-Batterien mit normaler Batterieklemme ist das Kabel zwischen Klemme und der im Bass sitzenden Elektronik etwas kurz gehalten, so dass man beim Austausch der Batterie etwas vorsichtig agieren sollte. Die mittlerweile ebenfalls weit verbreiteten handelsüblichen Klappfächer sind hier ohne Frage vorteilhafter – weil servicefreundlicher!
Die Regelbereiche des Zweiband-EQs liegen bei einem Kuhschwanzfilter im Bassbereich, der ab ca. 900 Hz abwärts greift und nach unten ab ca. 300 Hz beginnt, sich breit zu öffnen. Die Höhen greifen ab 300Hz aufwärts und besitzen einen breitbandigen Wirkungsbereich in Form eines Glockenfilters mit der Kernfrequenz bei ca. 8 kHz. Bei der Überschneidung beider Filterkurven durch gleichzeitiges Anheben oder Absenken der Regler ergibt sich im Grenzbereich eine Mittenabsenkung (bei Boost) oder -Anhebung bei ca. 800 Hz (bei Cut). Das heißt, wenn man Höhen und Bässe des aktiven EQs anhebt, ergibt sich durch die Addition der beiden Filterkurven eine Mittenabsenkung bei 800 Hz, was einer typischen EQ-Einstellung für einen Slapsound entspricht. Mehr hierzu im Praxistest.
Der naturmatt belassene einteilige Ahornhals wurde mit dem Korpus vierfach verschraubt. Anstelle einer Hals-Schraubplatte wurden die vier Schrauben einzeln auf Unterlegscheiben leicht im Korpus versenkt. Auf dem Palisandergriffbrett sitzen 20 gut abgerichtete Medium-Bünde und Perlmutt-Punktinlays. Das Material des weißen Sattels wird zwar nirgendwo spezifiziert, es scheint jedoch Kunststoff zu sein.
Direkt oberhalb des Sattels liegt der offene Zugang zur Halsstellschraube am Fuß der relativ breiten und asymmetrisch geformten Kopfplatte. Die offenen Chrom-Mechaniken mit mittelgroßen Achsen wurden im Verhältnis 2:2 verteilt, jedoch befinden sie sich asymmetrisch auf dem Headstock verteilt. Dennoch ergibt sich ein gerader Saitenverlauf zwischen Sattelkerben und Mechanikachsen. Da die Kopfplatte nicht angewinkelt verläuft, sorgt ein mittig sitzender zusätzlicher Saitenniederhalter für einen höheren Sattelauflagedruck der innen liegenden A- und D-Saite.
Die Vorderseite der Kopfplatte hat man im Stil einer schwarzen Overlay-Platte gestaltet. Selbst im schräg verlaufenden Übergangsbereich zwischen Kopfplatte und Griffbrett/Sattel erblickt man keine Unebenheiten oder Ansätze – sehr schön! Mittig auf der Kopfplatte prangt unübersehbar der satingoldene Ibanez-Schriftzug.
Kurzum: Wie man es von Ibanez gewohnt ist, wirkt auch dieser in Indonesien gefertigte Ibanez TMB100 Talman handwerklich absolut einwandfrei!
Florian sagt:
#1 - 27.02.2016 um 21:11 Uhr
Kann mir jemand einen Bass nennen, der ebenfalls P/J-Tonabnehmer hat und so einen ähnlichen Headstock hat wie dieser Ibanez? Dazu sollte er passiv spielbar sein, nur aktiv geht nicht.
Beim Fender PJ-Bass gefält mir die Kopfplatte nicht so...
Fz sagt:
#1.1 - 07.03.2023 um 15:49 Uhr
Löt ihn um, die Elektronik kann man ausbauen
Antwort auf #1 von Florian
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMarxx sagt:
#2 - 22.06.2017 um 02:02 Uhr
An den Tester und Schreiberling:
Dein Zitat:
"mit Ausnahme der Bundreinheit, die ich komplett neu vornehmen musste"
Upps!
Wie hast Du denn das gemacht?
Alle Bünde rausgepult und neue Schlitze gesägt?
Neue Bünde reingeschlagen?
Respekt, Respekt ;-))
Kapiert das endlich mal:
Das Einzige was man/frau einstellen kann, ist die Oktavreinheit!
Ein Bass, der nicht bundrein ist; da ist zumindest der Hals reiner Schrott!
So, das musste ich mal loswerden!
Ansonsten:
Weiter so!
Oliver - BONEDO Red. Bass sagt:
#2.1 - 23.06.2017 um 09:51 Uhr
Hallo lieber Marxx,Vielen Dank für Deine aufmerksame Anmerkung. Zu allererst freut es mich, dass auch ältere Tests , wie dieser hier über den Ibanez TMB100, immer wieder neue Aufmerksamkeit erfahren.Die Begriffe Bundreinheit und Oktavreinheit bezeichnen, wie Du korrekt schreibst, unterschiedliche Sachverhalte und da liegst Du mit Deiner Beschreibung absolut richtig. Im Fall des Testbasses war die Oktavreinheit so weit verstellt, dass sie sich bis in die tiefen Lagen hörbar auswirkte, der Bass also im "hörbaren" Sinn nicht mehr bundrein war. Ist die Mensur eines Basses falsch "installiert", durch fehlerhaftes Platzieren der Bridge, so kann man trotz mathematisch exakt platzierten Bünden ein nicht bundreines Instrument erhalten. Deswegen habe ich mir erlaubt in diesem Fall von Korrektur der Bundreinheit zu sprechen. Natürlich musste ich hierfür lediglich die aussergewühnlich stark verstellte Oktavreinheit justieren - was wegen der Bridgeposition gerade noch so möglich war.Ein anderes Beispiel ist ein, trotz perfekt eingestellter Oktavreinheit, am ersten und zweiten Bund nicht bundreiner Bass wegen eines zu hohen Sattels. Auch hier muss man keine Bünde verschieben :-) , um den Bass bundrein zu justieren, denn es muss lediglich der Sattel nachgefeilt werden, oder der Auflagepunkt der Saite im Sattel minimal korrigiert werden. Die hörbaren Auswirkungen solcher Nuancen verhalten sich beim Bass auf Grund seiner tiefen Frequenzen allerdings etwas toleranter als bei der Gitarre.Davon abgesehen werden die Begriiffe Oktavreinheit und Bundreinheit auch heute noch weitreichend dazu verwendet um den Prozess der Oktavjustierung zu beschreiben und von daher - leider zu Deinem Grauen - gewohnheitsmässig durcheinandergewirbelt. Das stammt einfach noch aus der Zeit, zu der man sich um solche Feinheiten noch keine grossen Gedanken gemacht hat. Heute übliche Stimmgeräte gab es in den Kindheitstagen des E-Bass noch nicht und die Oktavreinheit hat man, wenn überhaupt, per Gehör justiert (mit Ausnahme von Herstellern und einigen Fachleuten die über Stroboskop Tuner verfügten) und selbst diese Fachleute verwendeten seinerzeit den Begriff "Bundreinheit einstellen" für die Justierung der Oktavreinheit. So stand es sogar auf Reparaturauftragszetteln, Rechnungen und Quittungen (I am getting old...).Herzliche Grüsse und viel Spass beim weiteren schmökern auf BONEDOOliver (BONEDO Red. - Bass)
Antwort auf #2 von Marxx
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenFranz sagt:
#3 - 05.05.2022 um 15:19 Uhr
Mahagoni Korpus? Ich lese bei den Händlern Pappel.