Der Marshall Astoria Dual ist ein handverdrahtetes Röhrentopteil des britischen Traditionsherstellers, das mit einem völlig neuen Schaltungskonzept aufwarten und das Beste aus Tradition und Moderne in sich vereinen soll. Bei der neuen Astoria-Serie setzt man kompromisslos auf höchste Qualität und erstklassige Verarbeitung “Handmade in England” und legt in punkto Vintage-Sound die Latte auf einen neuen Level. Der Amp basiert auf einer Kombination aus einem frei verdrahteten, halbleiterfreien Signalweg und modernen Features wie Kanalumschaltung und Einschleifweg.
Im Gegensatz zu industriell bedruckten Platinen benötigt die Schaltung zwar deutlich mehr Platz, aber beim Astoria Dual brachte man trotzdem Handverdrahtung und Schaltkreise auf einer einzigen Leiterplatte unter, indem man dort mit sogenannten stehenden Lötpunkten arbeitete. Deshalb reden die Briten auch von einem 3-D-Handwired-Layout, was viel besser klingt als “Doppellagiger Platinenaufbau”. Marshall hat unserem Tester Robby Mildenberger weit vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin ein brandheißes Topteil samt Box zum weltweit ersten Test zur Verfügung gestellt!
Details
Konzept
Normalerweise muss man sich entscheiden, ob man einen modernen Amp mit mehreren Kanälen, integrierten Verzerrungsmöglichkeiten und einem Einschleifweg haben möchte, oder einen zumeist einkanaligen, traditionell handverdrahteten Vintage-Boliden aus dem Boutique-Sortiment. Marshall hat mit dem Astoria Dual ein Zwitterwesen geschaffen, das beide Welten in sich vereint: Ein handverdrahteter Amp mit Kanalumschaltung, einem Einschleifweg, einer Zerrstufe und der Möglichkeit, die Endstufenleistung für den Hausgebrauch auf ein Minimum zu reduzieren. Das klingt nach der vielzitierten eierlegenden Wollmilchsau, was unser Proband allerdings nur bedingt ist. Wie man in der offiziellen Produktbeschreibung lesen kann, soll der Amp dank des Kathoden-Bias ohne negative Gegenkopplung in der Endstufe für authentischen Vintage-Sound stehen und damit eher die klassische Rock-, Blues- und Country-Rock-Klientel als die brachiale Metallverarbeiter-Fraktion bedienen.
Die Bedienelemente des Frontpaneels
Der Astoria Dual ist mit zwei unterschiedlich sensiblen Eingängen ausgestattet. Der Hi-Input ermöglicht ein einfacheres Übersteuern des Amps und eignet sich bestens für Gitarren mit eher schwachen bis mittelstarken Pickups. Bei den Audios habe ich immer die High-Buchse verwendet und hatte dabei nie das Gefühl, die Vorstufe des Amps zu sehr in die Knie zu zwingen. Aber dazu später mehr. Um das Gesicht des Amps nicht mit zusätzlichen Schaltern zu überfrachten, hat man dem Astoria Dual insgesamt drei Push/Pull-Potis mit auf den Weg gegeben, die für Doppelfunktionen zuständig sind. Das erste im Bunde ist das Clean-Volume-Poti. Zieht man es heraus, wird der Overdrive-Kanal aktiviert (Pull Channel). Für den Verzerrungsgrad der Overdrivesektion ist der OD-Gain-Regler verantwortlich. In seiner zweiten Funktion fettet er den Sound im Bereich von 120 Herz an (Pull Body), was sich ideal zum Unterfüttern spitzer Telecaster- oder Stratocaster-Singlecoils eignet. Die Ausgangslautstärke des Overdrive-Kanals steuert OD-Volume. Eine Klangregelung ist natürlich ebenfalls an Bord, bestehend aus Treble, Middle und Bass, die sich beide Kanäle gleichermaßen teilen. Als Ergänzung zum Klangregelnetzwerk bietet das sogenannte Edge-Poti die Möglichkeit, den oberen Frequenzbereich bei Bedarf ähnlich wie mit einem Präsenzregler zu betonen. Der Letzte im Bunde ist das Masterpoti für die Endlautstärke des Amps. Es ist gleichzeitig das fehlende dritte Push/Pull-Poti und schaltet die Ausgangsleistung beim Herausziehen von 30 auf nachbarschaftsfreundliche 5 Watt herunter (Pull Power Reduction), ohne dabei den Sound zu stark zu kastrieren. Allerdings klingt es schon alleine wegen der verminderten Speaker-Aktivität “kleiner” und etwas schneidiger, was aber in der Natur der Sache liegt. Abschließend bleiben noch die beiden mächtigen On/Off- und Standby-Schalter zu erwähnen, die für das Powermanagement zuständig sind.
Die Rückseite
Für einen handverdrahteten Röhrenamp sind die Möglichkeiten, ein Effektgerät einzuschleifen und zwischen zwei Kanälen wählen zu können, eher ungewöhnlich. Schließlich galt dieses modernen Teufelszeug lange Zeit besonders unter Puristen als Frevel. Dank der ausgefuchsten Platinenkonstruktion hat man es bei unserem Kandidaten nicht nur geschafft, den musikalischen Gaumen des jeweiligen Gitarrenhelden auf höchster Ebene zu verwöhnen. Sowohl die Aktivierung des regelbaren Einschleifwegs als auch die Kanalumschaltung lassen sich beim Astoria Dual, wie bei modernen Gitarrenamps üblich, mit dem mitgelieferten Fußschalter bequem vom Bühnenrand aus bewerkstelligen. Neben der entsprechenden Buchse für den Fußschalter sitzt der Einschleifweg. Er besteht aus einer Send- und Returnbuchse sowie einem Miniswitch, mit dem das angeschlossene Effektgerät auch per Hand komplett aus dem Signalweg entfernt werden kann – letzterer arbeitet in diesem Fall übrigens im True Bypass Modus. Auch dem Loop Level-Regler hat man eine zweite clevere Bestimmung mit auf den Weg gegeben: Er bestimmt nicht nur den Effektanteil, sondern ruft zweckentfremdet mittels Loop-Aktivierung auch eine zweite Masterlautstärke auf, wenn der FX-Loop nicht belegt ist. Der Astoria Dual verträgt sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Speaker. Hier gibt es insgesamt fünf Buchsen für folgende Kombinationen: 1 x 4 Ohm, 2 x 8 Ohm, 1 x 8 Ohm, 2 x 16 Ohm oder 1 x 16 Ohm. Und weil ein Betrieb ohne angeschlossene Box jeden Röhrenverstärker, der nicht über einen entsprechenden Lastwiderstand verfügt, über kurz oder lang ins Nirvana verabschiedet, sollte man sich auch bei unserem Kandidaten unbedingt an den entsprechenden Vorgaben orientieren. Last, but not least müssen noch Netzkabelanschluss und die beiden integrierten Sicherungen erwähnt werden, die für die Energiezufuhr zuständig.
Die Box
Mit knapp 17 Kilo und den Maßen 600 x 530 x 260 (B x H x T) passt die handliche 1 x 12 Box auf jeden Rücksitz. Vor Transportschäden und/oder Nässe schützt eine passende Schutzhülle, die zum Lieferumfang gehört. Das Gehäuse ist aus robustem Birkensperrholz gefertigt und wie die Astoria-Verstärker kennzeichnen verschiedene Farbvarianten auch die unterschiedlichen Boxen: Blau/Cream steht für die “Dual”-Topteile und Combos, die Rot/Cream für die “Custom”- und Grün/Cream für die “Classics”-Modelle, wobei alle das 60er Jahre “Oxblood”-Logo ziert. Die gezapften Gehäuseverbindungen sorgen für Stabilität und optimales Resonanzverhalten. Eigens für die hinten offenen Gehäuse der Astoria-Serie entwickelte Celestion einen Creamback-Lautsprecher mit 75 Watt Leistung.
SteveFromBerlin sagt:
#1 - 21.11.2015 um 12:29 Uhr
Exzellenter Test mit tollen Hörbeispielen!