Einen Bass im Studio mit einem Computer und Audio-Interface aufzunehmen ist ja im Grunde genommen einfach: Ab in eine DI-Box und los geht’s! Kein Soundcheck länger als fünf Minuten, Saitenstimmen inklusive.
Oder? Die größere Arbeit beginnt, wenn der Basssound im weiteren Verlauf der Produktion etwas fetter, authentischer, röhriger, rotziger, wärmer, blumiger, eleganter, breiter – oder welche Beschreibung auch immer sich noch im Handbuch für Produzenten finden lässt. Ist der fertige Take erst einmal auf Festplatte gebannt, werden im späteren Mixprozess gerne diverse Plug-Ins herbeizitiert, oft jedoch mit mäßigen Ergebnissen. Klar: Simulation ist eben nicht gleich Simulation. Hätte man vielleicht doch besser über einen fetten Röhrenamp aufnehmen sollen? Es ginge ja immer noch klassisches Re-Amping. Aber soll man so einen Aufwand betreiben, nur für eine Bassspur? Und selbst wenn man es wollte: Woher einen solchen Amp mitsamt Box nehmen? Und welche Mikros nimmt man, wie positioniert man diese, wie vermeidet man Phasenprobleme, klingt der Raum überhaupt gut? Kann man die Kiste im Studio so laut aufnehmen, wie es eigentlich sein müsste, damit es auch wirklich gut klingt? Und wer hat eigentlich Zeit für all diesen Kram? Fragen über Fragen, die fortan ein Ende haben könnten – vorausgesetzt, der werte Leser ist im Besitz einer Universal Audio UA-2 PCI-Karte oder eines UA Audio Interface (wie dem “Apollo”) oder plant zumindest dessen Anschaffung.
Als 1999 die lange verschollene Kult-Marke Universal Audio von Bill Putnam Jr. (dem Sohn des ursprünglichen Firmengründers Bill Putnam Sr.) wiederbelebt wurde, ging ein großes Raunen durch die Fachwelt. Mit großer Detailliebe widmete sich diese Firma seit jeher der Revitalisierung vieler klassischer und fast vergessener Studio-Hardwaregeräte, mit originalen und handverdrahteten Röhren- und Transistorschaltungen. Doch verharrte man nicht lange in der ausschließlichen Kreation hochwertig nostalgischer Hardware, sondern stellte sich zeitgleich auch den Herausforderungen der digitalen Welt und entwickelte sukzessiv zeitgemäße Audio-Interfaces und Software Plug-Ins. Ein entscheidender Fokus lag dabei immer in der hochwertigen Verknüpfung analoger Klangeigenschaften mit den Vorteilen der digitalen Möglichkeiten. Wie bei anderen DAW-spezialisierten Firmen auch, ist es vor allem externer Prozessorpower auf eigenen UA-Erweiterungskarten und externen Interfaces zu verdanken, dass man Audio-Software in Form rechenintensiver Plug-Ins verwenden kann, ohne den eigenen Computer dabei zu überfordern. Auf diese Weise kann selbst ein Laptop zur Megaworkstation avancieren!
Der neuste und besonders bassrelevante Trumpf in Sachen “analoge Legende trifft auf digitale Weltklasse” entstand in Deutschland, denn exklusiv für Universal Audio kreierte die Leverkusener Plug-In-Schmiede Brainworx um Mastermind Dirk Ulrich ein Plug-In-Bundle vom Allerfeinsten. In akribischer Modellierarbeit und studiotechnisch ausgefeilter Präzision entstanden verblüffend authentische Softwarenachbildungen zweier Bassverstärker-Legenden, verknüpft mit einer Vielzahl hochwertiger Boxen- und Mikrofonverknüpfungen:
1.) Das Vollröhrentop Ampeg SVT-VR
2.) Das Hybridtopteil Ampeg SVT-3 Pro (Röhrenvorstufe mit Transistorendstufe)
Beide Verstärker liefern im Original klassischen Röhrensound, wobei der SVT-VR zumeist als “Vintage” eingestuft wird, während der SVT3-Pro mit seinen vielfältigen EQ-Möglichkeiten und seiner Transistorendstufe eher mit dem Begriff “modern” verbunden wird. Wir wollten natürlich umgehend wissen, ob sich hinter diesem Softwarepaket wirklich das verbirgt, was man sich davon verspricht.
Details
Die beiden Universal Audio “Ampeg SVT-VR Bass Amplifier” und “Ampeg SVT-3 PRO Bass Amplifier” Plug- Ins sind sowohl einzeln erhältlich, als auch zusammen im sogenannten “Bundle”. Um die Plug-Ins verwenden zu können, ist es entweder erforderlich, Universal Audio “UAD-2”-Hardware oder ein Apollo-Audiointerface an seinen Rechner anzuschließen, damit die Plug-Ins auf deren DSP zugreifen können. Ein Vorteil ist, dass dabei die aufwändige Rechenleistung nicht vom Rechner selbst übernommen werden muss, sondern von der externen Universal Audio-Hardware. Ein Nachteil ist natürlich, dass man dann an diese Plattform gebunden ist und die Plug-Ins nicht ohne diese Erweiterung am Computer alleine oder mithilfe anderer Hardware-Erweiterungen betreiben kann. Der Erfolg der Universal Audio-Systeme spricht jedoch für sich, und die Zunahme an hochwertigen Plug-Ins aus eigenem Hause mit Unterstützung erstklassiger externer Entwickler (wie im Fall der Ampeg Plug-Ins durch die deutsche Firma Brainworx) bietet dem Nutzer eine riesige Auswahl hochprofessioneller Arbeitswerkzeuge im Bereich Audiobearbeitung.
Die hier getesteten Plug-Ins sind einerseits für Bassisten hochinteressant, aber natürlich auch für jeden, der ein Tonstudio bzw. Musikproduktion betreibt. Durch die hohe Prozessorleistung der UAD-Karten/Interfaces ergibt sich neben dem primären Einsatzbereich der nachträglichen Audiobearbeitung eines bereits aufgenommenen Basssignals auch die Möglichkeit, latenzfrei mit den Plug-Ins in Realtime über den Computer und dessen Audiointerface zu spielen – so würde man auch live mit einem analogen Verstärker arbeiten!
Beide Plug-Ins verfügen über die gleiche Handhabung. Sprechen wir also erst einmal über die Gemeinsamkeiten, die weniger mit den eigentlichen Verstärker-Simulationen zu tun haben als vielmehr mit der praktischen Anwendung im Produktionsprozess: Ist das Plug-In in einen Kanalzug der verwendeten Audio-Aufnahmesoftware (Logic, Cubase, Protools, etc.) eingebunden und das entsprechende Fenster geöffnet, so befindet sich ein schmaler Bedienfeldstreifen am oberen Fensterrand, auf dem sich per Mausklick folgende Funkionen abrufen lassen:
– Bypass: Diese Taste schaltet das Plug-In im Signalweg an oder aus. (Alternativ kann auch der “Power”-Schalter auf der Verstärkerblende angeklickt werden!)
– Undo/Redo: Jeder Arbeitsschritt innerhalb des Plug-Ins kann rückgängig gemacht werden oder erneut aufgerufen werden. Dabei können bis zu 32 Schritte zurückverfolgt werden – das sollte ausreichen!
– Speicherplätze A/B/C/D: Vier Presets können auf diesen Tasten abgespeichert und jederzeit schnell aufgerufen werden. Diese können sogar automatisiert werden, z.B. wenn der Bass in verschiedenen Songabschnitten unterschiedliche Sounds aufweisen soll.
– Copy/Paste: Ein komplettes Setting kann auf einen anderen Speicherplatz (oder anderes Arrangement) kopiert werden, z.B. um es dort weiter zu modifizieren.
– Reset: Mit der Reset-Taste kann der jeweils angewählte Speicherplatz auf Grundeinstellung des Plug-Ins zurückgesetzt werden.
– FX Rack: Wird diese Taste angeklickt, dann öffnet sich zwischen der schmalen oberen Bedienleiste und der darunter angesiedelten Klangregelung des Plug-Ins eine Steuereinheit für die Effektsektion mit folgenden sehr nützlichen Funktionen:
– Noise Gate: Hier lässt sich ein regelbares Noise Gate in den Signalweg schalten. Dabei kann man den Threshold einstellen, also die Lautstärkeschwelle, unter der das Gate zu greifen beginnt. Weiterhin kann man über den Regler “Range” festlegen, ob das Noise Gate den Signalpegel lediglich reduzieren oder komplett stumm schalten soll, sobald er unter das im Threshold eingestellte Niveau sinkt. Man kann also Nebengeräusche in Spielpausen reduzieren oder gar radikal herausfiltern. Eine rote LED-Anzeige zeigt an, wenn das aktivierte Noise Gate geschlossen ist.
– Tight: Dies ist ein regelbares Hochpassfilter (low cut), um den Sound durch Beschneidung unterhalb einer festgelegten Frequenz straffer zu gestalten. Dabei kann der User mittels Kippschalter festlegen, ob das Hochpassfilter vor (pre) oder hinter (post) der Klangregelung eingreifen soll.
– Smooth: Analog zum Hochpassfilter bietet diese Funktion einen zuschaltbares Tiefpassfilter (hi cut), mit dessen Hilfe Frequenzen oberhalb einer frei bestimmbaren Grenzfrequenz abgeschnitten werden, um den Sound in den Höhen abzumildern. Auch für dieses Filter steht die Option “pre/post” zur Verfügung.
– Input Gain: Hier kann man die Eingangsempfindlichkeit der Vorstufensimulation variieren. Das ist insbesondere dann nützlich, wenn man aktive Bässe anschließt, die über hohes Output verfügen, oder wenn man einmal mehr Gain benötigen sollte, um höhere Vorstufenverzerrung zu erreichen.
– Power Soak: Hierunter versteht man eigentlich eine Funktion, die man einsetzt, um Endstufen in der Lautstärke zu reduzieren, die auf voller Leistung fahren (Also nicht notwendigerweise nur Amps ohne Mastervolumen-Regler). Dahinter steckt die Beobachtung, dass speziell Röhrenendstufen erst dann besonders gut klingen, wenn sie an ihrer Leistungsgrenze in den Bereich der Sättigung gefahren werden. Für gewöhnlich ergibt sich in der realen Welt dann jedoch das Problem, dass die Lautstärke zu hoch ist (entweder weil der Raum nicht ausreichend isoliert ist, oder weil anderweitige Probleme auftauchen, z.B. hohe Nebengeräusche, Raumresonanzen, etc.). Um in den Genuss der Endstufensättigung bei “humaner” Lautstärke zu gelangen, muss man die Leistung sozusagen wieder herunterregeln, bevor sie den Lautsprecher erreicht (wobei auch ein Lautsprecher nahe der Leistungsgrenze wieder anders klingt als bei geringer Lautstärke). Hier kommt ein Power Soak ins Spiel, der genau diese Lautstärkereduktion herbeiführt. In der Simulation im Plug-In wird mit dem Power Soak-Regler das Verhalten der Endstufe im Power Soak-Einsatz simuliert, also das Verhalten mit gesättigter Endstufe, aber wenig belasteten Speakern (im Gegensatz zu voll ausgefahrener Endstufe und stark belasteten Speakern). Hier geht es natürlich schon sehr ins Detail der virtuellen Realitäten. Sinnvoll ist diese Funktion vor allem bei der Simulation des (Vollröhren-)Ampeg SVT-VR. Aber auch bei der Simulation des SVT3-Pro, dessen Original eine Transistorendstufe besitzt, hört man einen Effekt, wenn man den Power Soak Regler im Plug-In verändert.
– Horn: Die originale 8×10 SVT-Box, die als Kernsimulation neben vielen weiteren Boxen Pate stand, verfügte über ein Hochtonhorn, dessen Impulswerte separat verarbeitet wurden und welches generell bei allen Boxensimulationen zu- oder abgeschaltet werden kann. Auf dieselbe Weise kann man auch bei Boxensimulationen den Hochtöner hinzuschalten, selbst wenn diese Cabs im Original gar keinen Hochtöner besitzen.
– Ampeg Cabinets & Recording Chain: Klickt man in dieses oben rechts lokalisierte Fenster, so öffnet sich ein Dropdown-Menü mit allen verfügbaren Boxentypen, Mikrofonkombinationen und teilweise auch noch verwendeten Preamps während des Modelingprozesses. Das SVT-VR Plug-In offeriert 23 Optionen, das Plug-In des SVT3-Pro bietet 26 Varianten. Zusätzlich existiert eine Option, komplett ohne Speakersimulation zu arbeiten. Das ist besonders interessant, falls man über das Plug-In live in eine Endstufe und eine Box spielen möchte.
– -/+: Mit den Minus- und Plus-Tasten kann man sich nacheinander durch die “Ampeg Cabinets & Recording Chain”-Typen klicken. Eine zusätzliche und wirklich sehr nützliche Option ist die “Auto”-Funktion in dieser Sektion. Ist “Auto” aktiviert, dann schaltet das Plug-In während der Audio-Wiedergabe der DAW automatisch nacheinander durch die verschiedenen Boxensimulationen. Man kann dabei einstellen, ob die Weiterschaltung zum nächsten Preset nach 1, 2 oder 4 Takten erfolgen soll. Das erleichtert den Suchprozess enorm, denn man kann sich während der Wiedergabe voll auf den Sound konzentrieren. Hat man schließlich einen Favoriten gefunden, so drückt man einfach “Stopp”und selektiert das aktuelle Preset.
Soweit die Beschreibung der Funktionen, die bei beiden Plug-Ins identisch sind. Was die eigentliche Simulation der Verstärker angeht, so unterscheiden sich diese natürlich genau so voneinander wie die Originale. Ich halte es für überflüssig, bei der Beschreibung der Originale zu sehr in Details zu gehen, denn tatsächlich sind alle Funktionen der Vorbilder in den Plug-Ins 1:1 übernommen worden. Ich beschreibe daher hier nur knapp die entscheidenden Unterschiede der beiden Verstärker, was wohl am ehesten verständlich machen sollte, warum gerade diese beiden Modelle ausgewählt wurden.
Der Ampeg SVT-VR ist die Re-Issue Variante der originalen Ampeg SVT “Blue Line”. Die Initialen SVT stehen übrigens für den Begriff “Super Vacuum Tube”. Der Ur-SVT war und ist nach wie vor ein Vollröhrenverstärker, der seine 300 Watt Ausgangsleistung seinen massiven Transformatoren und sechs fetten Endstufenröhren zu verdanken hat. Ein kompletter Satz solcher Endstufenröhren im Austausch kostet übrigens bereits alleine so viel wie das Universal Audio Ampeg® SVT Plug-In Bundle. Der Ampeg SVT-VR ist also ein Vollröhrenverstärker. Darüber hinaus verfügt er über zwei getrennte Vorstufen-Kanäle mit jeweils zwei unterschiedlich klingenden Eingängen: “Normal” und “Bright” (pro Kanal). Diese vier Eingänge klingen von sich aus bereits sehr unterschiedlich. Ohne also überhaupt die Klangregelung zu bemühen, rentiert es sich immer, zuerst einmal zwischen den vier Eingängen hin- und herzuschalten, um sich für einen idealen Startpunkt zu entscheiden, von dem aus man das Signal weiter modifizieren möchte.
Kanal 1 des SVT-VR verfügt neben Höhen- und Bassreglern, die sich auch in Kanal 2 wiederfinden, zusätzlich über einen Mittenregler mit einem Dreifach-Kippschalter für die Anwahl der justierenden Mittenfrequenz (220, 800, 3000 Hz). Diese Mittenregelung kann man als eines der Herzstücke des Ampeg-Sounds bezeichnen. Später hat man diese Mittenregelung erweitert und so findet man im SVT-3 Pro, also dem zweiten Ampeg Plug-In, die modernere Mittenschaltungsvariante mit fünf anwählbaren Frequenzbändern (220, 450, 800, 1600, 3000 Hz).
Ein weiteres klassisches Ampeg-Feature sind zwei zusätzliche Filterschalter. Diese sind beim SVT-VR getrennt für beide Kanäle vorhanden und unterschiedlich abgestimmt.
Kanal 1:
“Ultra Hi” mit einer Frequenzanhebung von +15 dB bei 8 kHz
“Ultra Lo” mit einer Frequenzabsenkung der Mitten um -20 dB bei 600 Hz oder optional “Lo Cut” -20 dB bei 40 Hz
Kanal 2:
“Ultra Hi” mit einer Frequenzanhebung von +15 dB bei 8 kHz
“Ultra Lo” mit einer Frequenzanhebung von +11 dB bei 40 Hz
Beim SVT3-Pro existieren ebenfalls solche Filterschalter, jedoch mit anderen Frequenzbereichen:
“Bright” mit einer Frequenzanhebung von +6 dB bei 2 kHz
“Ultra Hi” mit einer Frequenzanhebung von +6 dB bei 5 kHz
“Ultra Lo” mit einer Frequenzanhebung von +2 dB bei 40 Hz und einer Absenkung von -10 dB bei 500 Hz
Auch die Regelfrequenzen der Höhen und Bässe sind beim SVT3-Pro gegenüber dem SVT-VR etwas höher angesetzt (Bässe bei 50 statt bei 40 Hz und Höhen bei 5 kHz statt bei 4 kHz).
All diese Aspekte zusammengenommen verleihen dem SVT-3 Pro einen etwas “strafferen” Grundcharakter, den man salopp ausgedrückt auch als “moderner” bezeichnen könnte. Dieser Charakter wird zudem unterstützt durch eine Transistor-Endstufe im Gegensatz zu einer Röhrenendstufe beim SVT-VR. Ein zusätzlich entscheidender Unterschied findet sich in der Existenz eines zuschaltbaren 9-Band-Grafikequalizers beim Pro, was natürlich abermals die tonalen Möglichkeiten erweitert und sehr gezielte Eingriffe in den Sound ermöglicht.
Damit wären die markantesten Unterschiede der beiden Verstärkermodelle aufgelistet. Welchen Grundcharakter man für seine Belange bevorzugt, ist natürlich von persönlichen Präferenzen anhängig.
Mx sagt:
#1 - 17.11.2015 um 14:29 Uhr
Mit welchem Bass sind die DIs eingespielt? Klingt alles sehr ordentlich - Top! :)
Oliver (BONEDO - Red. BASS) sagt:
#1.1 - 17.11.2015 um 14:44 Uhr
Alle Beispiele wurden mit einem Fender Japan Jazz-Bass (1966 Re-Issue) eingespielt.herzliche GrüßeOliver (BONEDO - Red. BASS)
Antwort auf #1 von Mx
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