Der Boss ES-8 ist ein komplexer Loop-Switcher, der in analoger Schaltungstechnik acht Pedale organisiert und darüber hinaus mit einigen Spezialfunktionen aufwarten kann. Dazu gehören zum Beispiel schaltbare In- und Output-Buffer, eine programmierbare Effektreihenfolge, Tuner Out, MIDI und Speicher für bis zu 800 Patches. Lange musste die Gitarristengemeinde warten, bis der renommierte Effektpedal-Spezialist der Öffentlichkeit einen eigenen Loop-Switcher vorstellte. Zur Musikmesse 2015 war der erste Prototyp zu sehen und nun haben wir das endgültige Serienmodell bei uns zum Test.
Mit einem Straßenpreis von nur wenig unter 700 Euro ist das Gerät natürlich nicht mal eben aus der Portokasse zu bezahlen, aber es hat einige technischen Feinheiten in petto, mit denen manche Konkurrenzprodukte nicht aufwarten können.
Details
Gehäuse/Optik
Der Boss ES-8 kommt im stabilen, schwarz lackierten Stahlblechgehäuse mit den Maßen 439 x 137 x 65 mm (B x T x H). Seine 12 Fußschalter sind in zwei Reihen übereinander angeordnet, und damit das Schalten der beiden einigermaßen ergonomisch und konfliktfrei ablaufen kann, liegt die untere Schalterreihe auf einer Schräge. Die Bedienelemente zum Editieren finden wir in Form von acht kleinen Tastern neben dem zweiteiligen Display. Im linken LED-Display wird die Bank- und Patchnummer mit großen Ziffern dargestellt, das LCD-Display daneben dient zum Editieren und zeigt auch die Namen der einzelnen Patches an. Als Patch wird die abgespeicherte Kombination der einzelnen Effektloops bezeichnet, bei anderen Herstellern heißen sie Preset. Ab Werk kommt der ES-8 ohne montierte Gummierung an der Unterseite, und das ist auch sinnvoll, denn der häufigste Einsatzort des Switchers wird wohl das Pedalboard sein. Und dort braucht man einen glatten Untergrund zum Aufkleben von Klettband oder das Anbringen von Mounting-Plates. Wer auf Gummi steht, dem hat der Hersteller aber fünf Pads mit ins Paket gelegt, die man eigenhändig am Boden befestigen kann.
Rückseite/Anschlüsse
Auf der Rückseite finden wir eine Armada von Klinkenbuchsen, denn hier kann noch einiges zusätzlich zu den Loops angeschlossen werden, aber erst einmal der Reihe nach. Wir haben zwei unterschiedliche Eingänge (IN1 & IN2), die getrennt nutzbar sind. An ihnen lassen sich zum Beispiel zwei Gitarren anschließen, zwischen denen umgeschaltet werden kann. Es folgen die Send- und Return-Buchsen für die Loops 1 bis 7, wobei der siebte Loop einen zusätzlichen Return-Anschluss hat und deshalb auch Stereo-Effektgeräte willkommen heißt. Loop 8 ist komplett mit Stereo-Send und -Return ausgestattet und dementsprechend sind hier auch die Ausgänge doppelt (OUT1/L & OUT2/R) vorhanden. Vor den Output-Buchsen befindet sich ein zusätzlicher Loop für ein Volume-Pedal (Send Vol, Return Vol), der zwar nicht per Einzelschalter aktiviert wird, aber selbstverständlich im Patch abspeicherbar ist. Dieser Loop muss nicht ausschließlich mit einem Volume-Pedal bestückt werden, hier ist auch die “Vier-Kabel-Methode” anwendbar, indem man zum Beispiel die Wah-, Overdrive- und Kompressor-Pedale in die ersten vier Loops schaltet, dann über den SEND VOL die Vorstufe des Amps ansteuert (Amp Input) und aus dem Send des Amps zurück in den ES-8 (RTN VOL) geht. Dann werden Modulations- und Raumeffekte durchlaufen und aus dem Output am ES-8 geht es zurück in den Amp Return auf die Endstufe des Verstärkers. Das Schöne dabei ist, dass die Position des Volume-Loops frei wählbar ist. Der Tuner Out steuert ein Stimmgerät direkt an, es muss dafür also kein Loop geopfert werden.
Für dich ausgesucht
Es folgen die Anschlüsse für externe Control- und Expression-Pedale, und hier hat der Hersteller groß aufgetischt. Drei Control-Anschlüsse sind mit Stereo-Klinke besetzt und so in der Lage, sechs unterschiedliche Control-Befehle auszugeben. Damit lässt sich zum Beispiel die Kanalumschaltung am Amp bewerkstelligen oder auch Tap-Tempo-Befehle an ein Delay mit einem entsprechenden Anschluss ausgeben. Außerdem ist es möglich, über die EXP-Ausgänge (EXP1, EXP2) Effektpedale mit Expression-Pedal-Anschluss zu steuern. Angeschlossen werden entsprechende Expression-Pedale an den beiden CTL IN-Buchsen. Wer MIDI-fähige Effektgeräte im Einsatz hat, versorgt diese über den MIDI Out mit Control-Change-Meldungen. Außerdem ist es möglich, die kompletten Einstellungen über MIDI Bulk Dump an ein weiteres Gerät zu übertragen oder auf einen MIDI-Sequenzer zu sichern.
Bedienung
Der ES-8 hat eine analoge Schaltung der einzelnen Loops, die aber mit digitaler Programmierung gekoppelt ist. Das bedeutet, dass das Gitarrensignal immer auf analoger Ebene bleibt. Es gibt die beiden Betriebsmodi Manual und Memory. Im Manual Mode werden die einzelnen Effektloops mit den Schaltern 1-8 aktiviert bzw. deaktiviert, im Memory Mode ist total recall angesagt, hier lassen sich alle Kombinationen speichern. Dafür stehen insgesamt 800 Speicherplätze zur Verfügung, aufgeteilt in 100 Bänke mit je acht Patches, die über die Bank-Schalter und die Schalter 1-8 angewählt werden. Allerdings ist es möglich, noch einige spezielle Konfigurationen pro Patch zu sichern, beispielsweise eine geänderte Effektreihenfolge. Ab Werk ist immer die Reihenfolge 1-8 eingestellt, wer aber seine Effektpedale gerne mal umparkt, der bewerkstelligt das mit einem Knopfdruck. Ein sinnvolles Beispiel wäre ein Equalizer vor oder hinter dem Overdrive.
Control-Ausgänge
Die Schaltfunktionen der einzelnen Control-Ausgänge sind ebenfalls pro Patch speicherbar. Die meistgenutzte Variante wird sicherlich die Kanalumschaltung des Amps sein, aber auch Effekte lassen sich damit noch etwas besser steuern. Verfügt man zum Beispiel über ein Delaypedal mit externer Tap-Funktion (Anschluss am Pedal), lässt sich das Delay-Tempo damit einstellen. Dazu verbindet man einen der CTL-Ausgänge mit dem Tap-Anschluss am Pedal und stellt so ganz entspannt die Delay-Zeit über die BPM-Funktion (Master BPM) im ES-8 fest ein. Wer etwas flexibler sein will, der weist der Tap-Funktion einen Schalter (1-8) zu. Dieser steht zwar dann nicht mehr zur Patchauswahl zur Verfügung, aber sieben Schalter sollten eigentlich völlig ausreichen. Eine weitere Möglichkeit ist das Steuern von Parametern eines Effektgerätes per Expression-Pedal, zum Beispiel das Modulationstempo eines Phasers. Der Boss PH-3 beispielsweise hat einen Eingang, über den sich das Tempo per Expression-Pedal steuern lässt. Prinzipiell könnte man ein solches direkt ans Effektgerät anschließen, aber es ergibt sich ein kleiner Vorteil, wenn man es über das ES-8 verschaltet, also das Expression Pedal in den EXP1 Input und den EXP1 Ausgang an das Phaser-Pedal anschließt. Jetzt lässt sich der Bereich des Regelwegs im ES-8 genau bestimmen. Auch ohne Pedal kann im ES-8 ein Wert festgelegt und pro Patch abgespeichert werden, womit man unterschiedliche Modulationstempi parat hat.
Carry Over Funktion
Delays und Reverbs klingen oft unnatürlich, wenn sie über einen Looper geschaltet werden, denn beim Deaktivieren des Loops wird der Nachhall oder die Echowiederholungen knallhart abgeschnitten. Beim ES-8 besteht die Möglichkeit, eine Carry Over-Funktion pro Loop zu aktivieren, bei der zum Beispiel das ausklingende Signal des Delays nicht abgeschnitten wird. Hierfür muss allerdings die Loop-Struktur der beiden Patches identisch sein. Für diesen Fall bleibt beim Umschalten der Return des Loops offen – das Delay klingt weiter – lediglich der Send wird deaktiviert und das Delay wird nicht mit weiteren Signalen gefüttert. Eigentlich recht simpel, aber extrem wirkungsvoll.