Wem das simple Auflegen von Musikstücken zu langweilig ist, wer aber keine Lust hat, sich mit der Komplexität der Remix-Decks auseinander zu setzen, für den hat Native Instruments Traktor nun ein tolles Feature am Start: Stems! Stems sind Musikstücke im MP4-Format, bei denen der DJ Zugriff auf vier Spuren innerhalb einer Datei hat. Ein großer Unterschied gegenüber den Remix-Decks ist, dass der gesamte Track in seiner linearen Form vorliegt, ihr euch also nicht darum kümmern müsst, erstmal einen Titel zusammen zu puzzlen. Dennoch lassen sich einzelne Bestandteile muten, loopen, vermixen oder mit Effekten versehen.
Hardware, Software und Stems besorgen
Neben einem Controller wie Native Instruments Traktor Kontrol S8, D2 und F1 benötigt ihr das Traktor 2.9 Update und natürlich musikalisches Futter. Die Software – falls noch nicht vorhanden – ist kostenloses „Beiwerk“ des D2 und S8 nach Registrierung, der F1 bringt einen 50 Euro Gutschein für Traktor Pro 2 mit. Wer bereits eine Software-Lizenz besitzt lädt das Update via Service-Center herunter.
Musik für lau gibt es in Form eines kostenlosen, drei Titel umfassenden Stems-Pack von DJ NGHT DRPS, das ihr von Native Instruments Website laden könnt. Weitere (kostenpflichtige) Tracks gibt es beispielsweise bei Beatport, Bleep, Juno, Traxsource, Whatpeopleplay und Wasabeat. Die Musikstücke kosten in der Regel um die 3 Euro. Das ist – je nach Store – teilweise nur ein geringer Aufschlag gegenüber Standard-Files. Für Alben muss man selbstverständlich ein wenig mehr berappen. Hier ließen sich Preise zwischen 15 und über 40 Euro ausmachen.
Zugegebenermaßen konnte ich in Genres wie Reggae noch nicht fündig werden, aber das war vielleicht auch nicht zu erwarten. Beim „Platteneinkauf“ möchte natürlich vorgehört werden, daran ändert auch ein Stem-File nichts. Als besonders komfortabel stellte sich für mich der Beatport-Player heraus, ist er doch in der Lage, sämtliche vier Spuren im Web-Interface zu muten respektive solo anzuhören.
Kontrol D2 und S8
Der Native Instruments Kontrol D2 und der S8 verfügen über integrierte Bildschirme. Lade ich nun eine Stem-Datei in ein Deck, wechselt der Screen an der Hardware in die Stem-Ansicht. In meinem Fall sehe ich zunächst nur eine belegte Spur, nämlich die Beats. Gerade in der Dance-Music bauen sich die Tracks ja teilweise ziemlich lange auf, daher kommen Bass, Instrumente und Vocals oftmals später, was folglich auch für die Wellenform in der Stem-Datei gilt. Ganz im Gegensatz zum Traktor Deck in der GUI, was aktuell nach wie vor die Master-Spur darstellt. Auf dem Rechner selbst bleibt also „alles beim Alten“ und die Decks zeigen Titel normal an. Besitzer eines S4 oder S2 bleiben in Bezug auf die Stems bis auf Weiteres außen vor, (ähnlich war es, als NI die Sample Decks mit dem S4 einführte), es sei denn, sie können auf einen zusätzlichen D2 oder F1 (dazu später mehr) zurückgreifen.
Verquirlen
Möchte ich beispielsweise nur die Vocal-Spur aus einem Track für den Mix benutzen, ist es erst einmal sinnvoll, die übrigen drei Spuren zu muten oder auszublenden (Stichwort: „Instant Acapella) und dort, wo die Stimme einsetzt sowie an weiteren für mich relevanten Punkten Cuepoints, zu platzieren. Dann kann ich später im Mix direkt an diese Stellen springen. Ebenso lassen sich Loop-In und Outs für die Gesangspassage vergeben. Gerade bei einer Vocal erzielt man mit Delay oder Echo tolle Effekte, vor allem, wenn die Sounds Post-Fader verhallen. Das könnt ihr direkt am S8/D2 am Screen einstellen. Besonders beliebt in House-Gefilden: der Filtersweep. Der macht besonders viel Spaß, wenn man im Vorfeld die Beats rauszieht und am Schluss nur noch die Melodie mit oder ohne Bass filtert.
Re-Beating
Gerade wenn ihr unterschiedliche Genres miteinander verrührt, können sehr spannende und abwechslungsreiche Edits entstehen. Beispielsweise seid ihr gerade in einem Hip-Hop-Track und mixt einen rockigen Sound rein oder der Klassiker schlechthin: Ihr habt eine Dance-Hymne, bei der noch die Vocals und die Melodie laufen und die ihr kurzerhand mit ein paar Breakbeats unterlegt.
Stem Recording
Wer nun nicht unbedingt ein ganzes Deck belegen möchte, um – wir bleiben beim Beispiel der Vocal – die hypnotische Stimme immer mal wieder einsetzen zu können, fängt den Auszug einfach mit dem Loop-Recorder ein und platziert ihn auf einem Remix-Deck. Am besten erledigt ihr das in ein paar ruhigen Stunden im Vorfeld und greift das, was ihr aufnehmen wollt, vom Master ab. Hier lässt sich dann eine ganze Batterie an extrahierten Sounds anlegen, beispielsweise auch markante Melodie-Passagen oder Breaks.
Mashup, Remix, Kontrol F1
Besonders beliebt in den 80/90ern: Michael Jackson Mashups. Auch heute gilt dies noch, im besonderen Maße für den Sound von Billie Jean: Billie Jean meets Soulwax, meets Nirvana, meets do it again, meets the Pussycat Dolls oder Daft Punk. Mit vier Stem Decks lassen sich auf einfache Art und Weise Mashups und Live-Remixes aus vier Musikstücken erstellen. Dabei stehen euch sämtliche Traktor-Bordmittel, angefangen bei den Hotcues, Loops und Effekten bis hin zum Freeze Mode und Beatjumps zur Verfügung. Auch hier empfiehlt es sich, im Vorfeld Sprungmarken zu deklarieren, damit ihr in der Hektik der Live-Action und beim fröhlichen Mäandern über vier Player immer genau wisst, wo die Trigger liegen. Die Marker könnt ihr der Übersicht halber natürlich benennen, auch wenn die Labels nicht am Gerätedisplay angezeigt werden.
Mit dem Kontrol F1 ist der Zugriff auf die Stems ebenso möglich. Zwar fehlt hier die „aussagekräftige“ Display-Anzeige, doch über die untere Tastenzeile lassen sich die Stems immerhin (un-) muten, die Fader bedienen die Lautstärker, das Filter verrichtet seinen Dienst und via Shift lässt sich der zugeordnete Effekt an-/ausschalten.
Mapping: Stem-Kommandos selber zuweisen
Native Instruments hat mit dem aktuelle Traktor Update 2.9 im MIDI-Mapper die neue Submix-Gruppe eingeführt, mit der ihr die einzelnen Slots in den Decks einem Controller eurer Wahl, ich habe hier kurzerhand den Kore2 verwendet, zuweist. Ihr findet die Befehle im Controller Manager unter Deck Common > Submix. Dort stehen euch zum momentanen Zeitpunkt (siehe Screenshots) folgende Befehle zur Verfügung, jeweils für die Slots 1-4 der Decks A-D.
- Set Volume Adjust
- Slot Filter On
- Slot Filter Adjust
- Slot Mute on
- Slot FX On
- Slot FX Amount
Scratching
An dieser Stelle auch nochmal ein Hinweis, dass sich die Stems auch via Timecode steuern lassen. Mit dem Kontrol S8 und zwei Turntables beispielsweise oder auch mit einem Z2-Mixer nebst flankierenden D2s und Plattenspielern und NI Konroll-Vinyl. Kombinationen wie diese ermöglichen, aus einer Stem-Produktion bestimmte Sounds und Instrumente zu muten oder solo abzuspielen und diese mit Echtvinyl zu scratchen. Cuemarker anlegen ist auch hier empfohlen.
Erster Eindruck und Performance
Nach meinen ersten Proberunden darf ich festhalten, dass die Stems nicht nur einen tollen, kreativen Mehrwert in Traktor Pro bedeuten, sondern vor allem auch eines in den Mix bringen: eine gehörige Portion Spaß! Dabei sollte man sich vor Augen halten, dass wir hier über eine Version 2.9 sprechen, nicht 3.0! Wie dem auch sei: Mit den Stems gelingen Mashup-Mixe dank Quantisierung, Snap, Beat-Sync und Master-Tempo im Handumdrehen, weit reichende Live-Remixe sind aufgrund der zahlreichen Traktor-Tools und FX kein Hexenwerk.
Die Bedienung ist schlüssig und die Performance stimmt, wenn man eine zeitgemäße Hardware sein Eigen nennt. Will sagen: Mein MacBook Core2Duo mit der HDD hatte echt zu kämpfen und die CPU-Anzeige schlug ziemlich oft in den roten Bereich aus, als es vier Stem-Decks mit aktiviertem Keylock, Effekten und Remix-Tools bewältigen sollte. Turbulenzen soll es momentan (3.7.2015) jedoch bei Auslagerung der Traktor GUI auf einen zweiten Bildschirm geben.
Anders stellte sich dies auf dem 2014er i5 SSD-Modell dar, wo die Auslastungsanzeige stets im „grünen Bereich“, ach, bei Traktor ist der ja blau, verharrte und die Software und der Mix schnurrten wie ein Kätzchen. Klar, das NI ein paar Stellschrauben getweakt haben. Dass die Stems nicht im GUI auf dem Rechner dargestellt werden, fand ich zuerst – wenngleich die Beweggründe klar sind – etwas schade. Letztlich hat man aber somit zwei erweiterte Displays auf dem Controller und das ist am Ende übersichtlicher und entzerrt das Geschehen auf dem Notebook-Screen, wo ohnehin naturgemäß wenig Platz ist.
Wie angekündigt ist die Unterstützung seitens der „elektroiden“ Online-Stores gegeben und in Kürze ist das Stem Creator Tool im Anmarsch, mit dem ihr aus euren Produktionen eigene Stems erstellen könnt. Ferner haben Native Instruments soeben eine bis zum 30. September befristete Aktion ausgerufen, wo ihr die Stems-Hardware rabattiert erstehen könnt. Weitere Infos findet ihr auf stems-music.com.