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Korg RK-100S Test

Mit dem RK-100S baut Korg erstmals nach langer Zeit wieder eine Keytar. Umhängekeyboards erlebten in den 1980er Jahren einen ersten Höhenflug, als Stars wie Herbie Hancock oder Jan Hammer bewiesen, dass man sich als Keyboarder nicht in der hinteren Bühnenhälfte verstecken muss. Auch Korg hatte 1984 mit dem RK-100 eine Keytar im Angebot, bei der es sich allerdings um ein MIDI-Controllerkeyboard ohne eigene Klangerzeugung handelte. Doch schon bald darauf wurde es sehr still um diese Instrumentengattung – eine Zeitlang war der Konkurrent Roland der einzige große Hersteller, der Keyboards zum Umhängen anbot (aktuell AX-Synth und Lucina AX-09).

Der Korg RK-100S trägt die Gene des microKORG XL
Der RK-100S ist eine schicke Keytar mit der Klangerzeugung des microKORG XL


Doch es tut sich etwas: Unlängst bewies Alesis mit dem Vortex und Vortex Wireless, dass das Thema nach wie vor aktuell ist. Zudem machen technische Weiterentwicklungen wie drahtlose Übertragungsverfahren und innovative Performance-Controller (z.B. Rolands D-Beam, Alesis’ Kipp-Sensor) heute Keytars möglich, die viele Schwachstellen der ehrwürdigen Vorfahren beseitigen. Zum 30. Jubiläum des RK-100 mischt nun also auch Korg wieder mit und drückt den Rampensäuen unter uns Keyboardern den RK-100S in die Hand. Man darf vermuten, dass das “S” dabei für “Sound” oder “Synthesizer” steht, denn anders als beim ursprünglichen RK-100 und beim Alesis Vortex steckt im neuen Umhängekeyboard eine Klangerzeugung, die eng mit dem Dauerbrenner microKORG XL(+) verwandt ist.  

Details

Design und Handling

Warum hängt man sich ein Keyboard um? Weil man auffallen und seinem Bewegungsdrang freien Lauf lassen möchte! Die Optik und das Handling sind also ganz wesentliche Kriterien bei dieser Instrumentengattung und für die perfekte Showeinlage vielleicht sogar wichtiger als der Sound. Den RK-100S gibt es in den drei Farben schwarz, weiß und rot, sodass man sich seinen persönlichen Favoriten aussuchen kann. Oder man schafft sich gleich alle drei Varianten an und hat zu jedem Bühnenoutfit das passende Keyboard… Unser Testgerät trägt einen schimmernden, dunkelroten Metallic-Lack, der auch jeder E-Gitarre gut stünde. Das schnittige, gepfeilte Gehäuse ist in jeder Farbe ein Blickfang erster Güte – ich finde das Design gelungen.

Fotostrecke: 5 Bilder Der Korg RK-100S ist in schwarz, weiß oder rot erhältlich

Neben der Optik kommt es bei einem Umhängekeyboard stark auf die Ergonomie an, damit man sich mit dem Instrument frei bewegen und trotzdem alles vernünftig bedienen kann. Ich erinnere mich, wie ich als Teenager in den tiefen Neunzigern versuchte, Gurtnippel an meinen Korg Prophecy zu basteln, weil ich am Bühnenrand abgehen wollte. Ganz abgesehen vom Verlust der Garantie, den ich mit jugendlichem Optimismus in Kauf nahm, war dieses Experiment von zweifelhaftem Erfolg gekrönt – der Prophecy war viel zu schwer und meine Verrenkungen beim Bedienen der Controller müssen ziemlich lächerlich ausgesehen haben. Die Handhabung des RK-100S ist dagegen ein Genuss: Das Keyboard ist mit etwa dreieinhalb Kilogramm sehr leicht, liegt gut in der Hand und ist gut ausbalanciert. Die Bedienelemente für die linke Hand sind bequem zu erreichen. Trotz der Leichtbauweise wirkt das Instrument recht stabil und fühlt sich für mein Empfinden oberflächlich wertiger an als das Alesis Vortex.
Im Lieferumfang befindet sich ein schlichter schwarzer Gurt. Wer ein noch individuelleres Instrument möchte, kann ihn problemlos durch einen handelsüblichen Gitarrengurt mit auffälligerem Design ersetzen. Außerdem legt Korg dem RK-100S einen passenden Gigbag bei. Das ist sehr löblich, denn eine solche Keytar passt ja weder in ein normales Keyboardcase „von der Stange“ noch in eine Gitarrentasche richtig hinein.  

Fotostrecke: 2 Bilder Auch ein Umhängekeyboard braucht Anschlüsse

Anschlüsse

Der Audioausgang des RK-100S ist als stabil verschraubte Stereo-Klinkenbuchse ausgeführt, dient zugleich als Kopfhörerausgang und befindet sich oben rechts auf dem Bedienfeld. Das erwies sich im Test schon nach wenigen Minuten als praktisch, denn so kann man das Keyboard bei eingestecktem Kabel abstellen und irgendwo anlehnen. Bei einem Umhängekeyboard macht auch die Stereobuchse Sinn, denn jedes zusätzliche Kabel würde stören. Zur Verbindung mit einem üblichen Mischpult-Stereoeingang mit zwei Mono-Klinkenbuchsen benötigt man allerdings logischerweise ein sogenanntes Y-Kabel. Außergewöhnlich extrovertierten Tastengöttern würde ich zudem zur Verwendung eines Kabels mit Winkelstecker raten, damit er nicht abbricht, falls man doch einmal auf das Kabel tritt – und damit man bei der „Windmühle“ nicht ständig mit der Hand gegen den Stecker stößt…
Apropos Kabel: Wer mit einem besonders großen Bewegungsdrang gesegnet ist, wird vielleicht damit liebäugeln, den RK-100S mit einem Wireless-System zu kombinieren. Allerdings muss man dabei bedenken, dass die gängigen Anstecksender für Mikrofone und Gitarren konzipiert sind und eine Stereo-Lösung nicht ganz einfach zu realisieren sein dürfte.
Die übrigen Anschlüsse befinden sich an der rechten Seite, wo auch der gut gegen versehentliche Betätigung geschützte Power-Schalter Platz gefunden hat. Über die USB-Buchse sendet und empfängt der RK-100S MIDI-Daten und lässt sich mit der kostenlosen Editor-Software für Mac oder Windows programmieren. Ein USB-Kabel ist nicht dabei, aber das passende Kabel (Typ A auf Typ B) hat wohl jeder herumliegen. Außerdem gibt es einen Audioeingang (Miniklinke), der mit einem kleinen Schalter zwischen Mikrofon- und Line-Pegel umgeschaltet werden kann. Hier kann man also entweder ein Mikrofon bzw. Headset anschließen (z.B. um den integrierten Vocoder zu benutzen) oder einen Audioplayer oder ein anderes Line-Signal, wobei das Keyboard auch in der Stellung „Line“ nur ein Mono-Signal durchlässt. Zu guter Letzt besitzt der RK-100S einen traditionellen MIDI-Ausgang und einen Anschluss für ein Netzteil (9V DC), das nicht mitgeliefert wird. Das finde ich OK, denn bei einem Umhängekeyboard würde ein Stromkabel ohnehin nur stören. Stattdessen befinden sich sechs AA-Batterien im Lieferumfang, die in einem Fach an der Unterseite des Keyboards untergebracht werden. Korg gibt die Batterielaufzeit mit Alkalibatterien in der Bedienungsanleitung mit acht Stunden, auf der Website hingegen mit vier Stunden an. Im Test lag sie eher bei acht Stunden. Alternativ kann der RK-100S mit wiederaufladbaren NI-MH Akkus betrieben werden. Eine Batterieschonfunktion kann das Display und die LEDs des Keyboards abschalten, wenn der Saft zur Neige geht, und nach vier Stunden Leerlauf geht der Synthesizer automatisch aus. Beides kann man bei Bedarf deaktivieren. Praktisch: Beim Drücken einer Tastenkombination wird der Ladezustand der Batterien bzw. Akkus von den LEDs der acht Favoritentaster angezeigt.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Minitastatur entstammt dem MS-20 mini

Tastatur und Controller

Die Tastatur des RK-100S entstammt dem MS-20 mini und hat 37 anschlagdynamische Minitasten. Der Umfang von drei Oktaven ist ideal für alles, was man auf einem Umhängekeyboard normalerweise spielen wird. Selbstverständlich gibt es Buttons zum Umschalten der Oktavlage, die mit Sounds abgespeichert und durch mehrfarbige LEDs angezeigt wird. Die Anschlagdynamik lässt sich mit acht Velocity-Kurven anpassen oder fest auf den Wert 127 einstellen. Allerdings besitzt der RK-100S leider keinen Aftertouch, was ich bei einem Instrument zum ausdrucksstarken Solieren ein bisschen schade finde.
Ob man mit einer verkleinerten Tastatur zurecht kommt, ist Geschmackssache – ich empfehle jedoch, ohne Vorurteile an das Thema heranzugehen. Dass eine Minitastatur nicht zwangsläufig Schrott sein muss, hat gerade Korg mit den erfreulich gut bespielbaren Instrumenten der micro-Familie bereits bewiesen. Auch beim RK-100S fühlen sich die kleinen Tasten gut an und bieten ein recht angenehmes Spielgefühl. Allerdings erschrak ich doch ein wenig, als ich unser fabrikneues Testgerät auspackte und die ziemlich unregelmäßige Tastenlage erblickte. Mehrere Tasten stehen bei diesem Exemplar deutlich höher oder tiefer als andere, zum Teil so stark, dass man tatsächlich Gefahr läuft hängen zu bleiben. Ein zweites Instrument, das ich mir zum Vergleich angesehen habe, hatte dieses Problem bei weitem nicht so stark, sodass es sich auch um einen Ausrutscher handeln könnte. So oder so spricht das aber natürlich nicht gerade für Korgs Qualitätskontrolle.

Bei unserem Testgerät erinnert die Tastatur an eine Mondlandschaft
Bei unserem Testgerät erinnert die Tastatur an eine Mondlandschaft

Weitere Bedienelemente

Links von der Tastatur besitzt der RK-100S einen kleinen Hebel zum Umschalten von Programmen. Er arbeitet wie ein Pärchen Plus-/Minus-Buttons: Drückt man ihn nach oben, wird das jeweils nächste Programm ausgewählt und andersherum. Hält man den Hebel gedrückt, so laufen die Programme recht flott durch, sodass man einigermaßen schnell von einem Sound zum nächsten kommt. Die Nummer des Programms wird von einem dreistelligen 7-Segment-Display angezeigt, das praktischerweise leicht schräg vorne neben der Tastatur angebracht ist – so muss man sich zum Ablesen nicht verrenken.
Oberhalb der Tastatur findet man eine Reihe beleuchteter Taster für verschiedene Funktionen. Hier gibt es – Tusch! – den beim microKORG XL von manchem schmerzlich vermissten Tap-Tempo-Knopf zum Einstellen des Tempos für den Arpeggiator und das Delay. Das Tempo wird durch Blinken visualisiert und beim Tappen kurzzeitig im Display angezeigt. Der nächste Knopf aktiviert den Arpeggiator. Nun folgt der bereits erwähnte Taster zur Auswahl des Betriebsmodus für den kleinen Ribbon-Controller. Dieser Knopf wäre am Hals vielleicht besser aufgehoben gewesen, um die Auswahl während des Spielens mit der linken Hand treffen zu können. Der SHIFT-Button macht in Kombination mit den anderen Knöpfen verschiedene erweiterte Einstellungen zugänglich.
Die acht Taster im rechten Bereich sind Favoriten-Knöpfe, auf denen man in fünf Bänken bis zu 40 Lieblingssounds bzw. Klänge für bestimmte Songs ablegen kann. Das erleichtert die Klanganwahl auf der Bühne natürlich ganz erheblich. Beim Spielen pulsieren die roten LEDs dieser Buttons effektvoll nach Art einer Aussteuerungsanzeige. Abgeschlossen wird das Bedienfeld von einem großen Lautstärkeregler, der neben der Ausgangsbuchse eingelassen ist, damit man ihn nicht versehentlich verstellt.

Fotostrecke: 3 Bilder Die ungewöhnliche Position des kleinen Displays macht bei einer Keytar absolut Sinn

Klangerzeugung

Die MMT-Tonerzeugung („Multiple Modeling Technology“) des RK-100S entspricht der des microKORG XL+. Der achtstimmig polyphone und zweifach multitimbrale Synthesizer bietet zwei Oszillatoren und zwei Filter. Oszillator 1 kann neben den klassischen Synthesizer-Schwingungsformen auch Rauschen oder PCM- bzw. DWGS-Waves erzeugen. Alternativ lässt sich ihm das Eingangssignal vom Audioeingang als Klangquelle zuweisen. Oszillator 2 liefert Sägezahn, Rechteck, Dreieck oder Sinus. Zusätzlich gibt es eine Waveshaping-Funktion, die vor oder nach den Filtern eingesetzt werden kann und neben verschiedenen Klangverbiegungen auch hinzumischbare Suboszillatoren mit den vier Grundschwingungsformen bietet. Der RK-100S verfügt über einen Unison-Mode mit bis zu vier Stimmen.
Das „Morph-Filter“ Nr. 1 lässt sich zwischen Tiefpass, Hochpass und Bandpass überblenden. Filter 2 ist ebenfalls ein Multimodefilter, aber ohne Morph-Funktion. Die beiden Filter können in Reihe oder parallel geschaltet werden oder jedem Oszillator wird ein eigenes Filter zugewiesen. Zu Modulationszwecken stehen zwei Tempo-synchronisierbare LFOs mit je fünf Schwingungsformen sowie drei ADSR-Hüllkurven bereit (Filter, Amp und ein frei zuweisbarer EG). Über fünf sogenannte „Virtual Patch“-Verbindungen lassen sich vielseitige Modulationen realisieren, wobei auch die beiden Ribbon-Controller als Quellen zur Verfügung stehen. Zur Abrundung gibt es zwei Effektblöcke mit 17 Effekttypen.
Der RK-100S ist zweifach multitimbral. Es können also zwei Sounds gleichzeitig erzeugt und gelayert bzw. gesplittet werden. Der Splitpunkt ist per Software einstellbar. Ein Programm umfasst beide Timbres mit den dazugehörigen Effekt-, Controller- und Arpeggiator-Settings.

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