Gerard Way Interview: Die Produktion von Hesitant Alien

Gerard Way hat mit My Chemical Romance in den zwölf Jahren des Bestehens der Band viel erreicht: Internationale Erfolge inklusive Gold- und Platinauszeichnungen und viel Anerkennung für das Werk der Band. 2013 löste sich die Band auf, jetzt startet Gerard mit seinem ersten Solo-Album „Hesitant Alien“ erneut durch!

(Bild: © WMG)
(Bild: © WMG)
Aufgenommen und produziert wurde “Hesitant Alien” von Doug McKean, der als Engineer unter anderem auch schon bei den My Chem Alben “Black Parade” und “Danger Days” an den Reglern saß. Die Mischung machte diesmal aber nicht Chris Lord-Alge, sondern mit Tchad Blake eine andere Koryphäe des guten Klangs. Er hat in seiner langen Karriere schon sehr unterschiedlicher Musik von Tom Waits über die Artic Monkeys bis hin zu Peter Gabriel oder Sheryl Crow zum passenden Klanggewand verholfen. Außerdem konnte Gerard bei “Hesitant Alien” nun endlich sein Lieblingspedal, das Big Muff Fuzz-Pedal in der Sovtek Variante, zum Einsatz bringen. Es findet sich auch prompt auf der Rückseite des Covers wieder.  Also jede Menge Stoff für ein interessantes Gespräch!

Du hast mal in einem anderen Interview gesagt, dass der Sovtek Big Muff dein allererstes Gitarrenpedal war – dir deine Band aber nie erlaubt hat, ihn einzusetzen. Konntest Du ihn nun ENDLICH benutzen?
GERARD: Oh ja, den habe ich diesmal jede Menge eingesetzt! Damals waren Billy Corgan mit den Smashing Pumpkins sehr groß, und deshalb war es fast unmöglich einen Vintage EH Big Muff zu bekommen, weil sie so teuer waren. Dann kam Sovtek für etwa 70 Dollar mit dem angeblich aus russischen Panzerteilen gebauten grünen Pedal raus. Ich kaufte es sofort und verliebte mich auf Anhieb in seinen Sound. Der beste, den ich je gehört hatte – ich liebe das Pedal immer noch. Der Big Muff und ein Fender Blender sind überall auf dem Album vertreten. 

Sovtek Big Muff (YouTube Demo)

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Hast Du deinen Gesang auch durch den Big Muff geschickt?
GERARD: Wir haben das ein paar Mal ausprobiert, aber Doug (McKean) hat die Effekte hauptsächlich an seinem Ende gesteuert. Ich weiß es nicht mehr genau – aber ich glaube, dass waren alles Plug-Ins. 
Von diesen beiden Fuzz-Pedalen mal abgesehen: Hortest Du Effektpedale?
GERARD: Ich habe ungefähr 12 verschiedene Fuzz-Pedale. Auch ein paar andere interessante Teile, wie einen alten Micro Fazer Shifter oder einen alten Sovtek Small Stone. Ich finde nicht, dass ich Pedale horte. Ich habe einfach eine Menge Fuzz-Pedale. (grinst)
Deine Lieblingsgitarren sollen Jazzmaster und Telecaster sein – warum?
GERARD: Ich fühlte mich mit ihnen einfach irgendwie „verbunden“. Ich glaube, am meisten mit der Telecaster! Meine erste Gitarre war eine Fender Stratocaster, auch weil Billy Corgan sie spielte, aber ich habe mich damals ein bisschen mit ihr abgequält. Ist schon interessant: hätte ich gleich eine Telecaster gespielt, hätte ich viel mehr Spaß gehabt! Auf einer Strat fühle ich mich einfach irgendwie nicht wohl. Ist schon interessant, da eine Menge Leute finden, dass eine Telecaster eigentlich am wenigsten verzeiht. Fühlt sich für mich überhaupt nicht so an – vielleicht sind meine Hände aber auch einfach für sie gemacht. Für mich verzeiht sie mehr als eine Stratocaster. Und die Jazzmaster mag ich wegen der P90s und Soapbars. Ich spiele eine Menge Leads auf ihr, viele Einzelsaiten-Layerings. Der wahrscheinlich cleanste Sound auf diesem Album geht durch ein Muff Fuzz-Pedal, ein kleines altes Pedal von Electro Harmonix. Es ist echt mini: ein Input, ein Output, ein Knopf.  Die Telecaster ging für viele der Clean Sounds durch dieses Pedal.

Noch mehr Fuzz: Muff Fuzz Pedal (YouTube Demo)

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Das Demo von “Zero Zero” auf SoundCloud

Beim Song „No Shows“ habe ich, glaube ich, beim fünften Gitarrenpart mit dem Zählen aufgehört. Habe ich richtig gezählt?
GERARD: Hmm… ja! Es sind wahrscheinlich fünf. Was auch interessant ist, denn ich habe es auf diesem Album eigentlich versucht zu vermeiden, Gitarren zu layern – zumindest so, wie ich es bei My Chemical Romance kennen gelernt habe. Da gab es immer Doppelungen der gleichen Phrase, dann Doppelungen der Harmonies. Das hat für unseren Sound wirklich gut funktioniert. Aber ich wollte diesmal keine Gitarrenwand, die durch Layern und Doppeln entsteht: Im Song sind verschiedene, die sie sich alle ineinander verweben. Bei den meisten Aufnahmen habe ich durch einen Hiwatt gespielt, weil er mir den pursten Sound fürs Pedal gegeben hat.
Habt ihr die Songs als Band eingespielt, oder spurweise aufgenommen?
GERARD: Spurweise! Es gab ein paar, bei denen wir zusammen gejammt haben. Aber bei den meisten Tracks hatte ich eine Songidee, und habe zuerst nur mit Doug den Song aufgebaut. Wenn wir dann an einen Punkt kamen, wo wir das Gefühl hatten, jemand anders für einen bestimmten Part zu brauchen, haben wir das gemacht. Wir haben erstmal alles in Demoform vorbereitet, und hatten ein echt tightes Demo, das ich auch gut genug für eine Veröffentlichung gefunden hätte. Danach haben wir Spuren durch die anderen Musiker ersetzt, so kam dann am Ende der fertige Song zustande. Deshalb stammen auch die meisten Hauptgitarrenparts und fast alle Leadvocals auf dem Album aus dieser Demophase. Es fühlte sich einfach nicht so an, als würden wir nur Demos machen!
Den Song „Zero Zero“ hattest du ja schon 2012 auf Soundcloud hochgeladen: Sind davon jetzt auch Elemente auf dem Album?
GERARD: Oh ja, von dem Vocal-Take habe ich glaube ich nur ein Wort geändert – es ist die gleiche Aufnahme. Auch die Gitarrenparts sind noch da, ist alles noch drin! Ian Fowler hat dann in Texas noch ein paar zusätzliche Parts eingespielt. Das war echt atemberaubend, ihm dabei zuzusehen: Er war im Aufnahmeraum mit seinem Amp und hatte ihn voll aufgerissen und versuchte ihn noch irgendwie zu kontrollieren.

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Das bringt mich zur nächsten Frage: Ihr habt also nicht Reamping benutzt, sondern die Gitarren gleich mit dem Sound, den ihr wolltet, aufgenommen?
GERARD: Ja genau, wir haben die Amps mikrofoniert und aufgenommen. Aber natürlich hat Tchad im Mix noch einiges gemacht, und Doug hat auch ein paar Preamps benutzt. Das ist für mich im Detail nicht einfach zu erinnern, weil das in den Produktionsbereich fällt.
Lass uns über die Songs sprechen: „Zero Zero“ war der erste Song, den Du ja im Vorfeld schon veröffentlicht hattest. Waren alle Songs schon geschrieben, als ihr mit der Produktion anfingt?
GERARD: Der erste Song war „Millions“. An den Song habe ich immer geglaubt, und fand, dass der eigentlich sofort als Single hätte veröffentlicht werden sollen. Aber ich bin froh, dass ich gewartet, und erst mal dem ganzen Album eine Form gegeben habe. „Zero Zero“ war der nächste Song. Und dann machte ich eine Session, bei der ich mich einfach mit einer Gitarre und einem Gesangsmikro hingesetzt und Ideen festgehalten habe. Die meisten dieser 20-Sekunden-Skizzen haben sich dann zu Songs entwickelt, wie zum Beispiel „Action Path“. Als ich dann irgendwann Monate später bei „No Shows“ angekommen war, habe ich gemerkt, dass wir ein Album machten. Erst da fand ich: ‚Ah, das ist ein ALBUM’!
Du hast also einfach angefangen Songs zu schreiben, und plötzlich fügte sich alles zusammen?
GERARD: Ja, genau. Ich wusste nämlich nicht genau, was ich nach My Chem machen wollte: Ob ich Solokünstler werden, eine neue Band starten oder die Karriere wechseln und verschwinden wollte. Ich wusste nicht, was ich machen wollte. Aber ich merkte, dass ich einfach Musik machen musste.
Zu den Musikern: Hast Du Gitarrist Ian Fowles und Drummer Jarrod Alexander, der ja auch schon bei My Chem getrommelt hat, ausgewählt, weil sie durch die Band Death by Stereo einen Punk-Background haben?
GERARD: Weißt Du, es war ein Riesenzufall, dass sie beide in Death by Stereo waren: Ich spielte mit Jarrod und brauchte jemand, der Bass für mich spielt. Und dann sagte der Sänger der Aquabats, Christian Jacobs, zu mir: Frag doch mal Ian – der hat einen Bass, der spielt bestimmt für Dich. Dann hat er erst mal Bass gespielt, und es machte echt Spaß, mit ihm zu spielen. Und ich fand das irgendwie cool, mit zwei Leuten der originalen Death By Stereo Besetzung zusammen zu spielen – und dann fanden wir Bassist Matt Gorney auch durch die Aquabats.
Wird das auch Deine Live-Band sein? Werdet Ihr touren?
GERARD: Ja, wir haben bereits live zusammen gespielt.  Im November geht es nach England und ich glaube im Januar nach Kontinentaleuropa – dann nach Japan und Australien. 
Runter vom Sofa, rauf auf die Bühne! Die Tour beginnt... (Foto: ©WMG)
Runter vom Sofa, rauf auf die Bühne! Die Tour beginnt… (Foto: ©WMG)

Wie war es diesmal mit Doug McKean: Bei My Chem war er als Engineer an den Alben beteiligt, diesmal auch als Produzent. Fühlte sich das anders an, oder war das eine natürliche Weiterentwicklung?
GERARD: Das war schon anders. Doug hatte als Engineer ja Black Parade und Danger Days betreut. Was ich von ihm wusste war, dass er gern experimentiert. Er ist ein fantastischer Engineer, einer der schnellsten, die ich je erlebt habe. Ich war mir sicher, dass er in der Lage sein würde, verrücktes Zeug zu realisieren – und ich wollte ein experimentelles Album machen. Ich habe nur die besten Erinnerungen an den Produktionsprozess dieses Albums. Es fühlte sich an, als hätten wir die ganze Zeit rumgespielt! Wir probierten alles mögliche aus: In Texas haben wir zum Beispiel Schienennägel gefunden, mit denen wir dann die Percussion in „Zero Zero“ gemacht haben. (Lacht) Die Hälfte der Zeit wusste ich gar nicht, womit Doug da wieder experimentiert: Er ist ein echter Meister mit jeder Menge verrückter Tricks.
Warum habt ihr das Material dann nach Wales zu Tchad Blake zum Mixen geschickt?
GERARD: Na ja, erstmal ist es der Ort, an dem Tchad jetzt wohnt und arbeitet, er lebt nicht mehr in LA und reist nicht mehr herum. Tchad war instinktiv Dougs erste Wahl für dieses Album, weil er ebenfalls unkonventionell arbeitet. Doug meinte, dass Tchad uns etwas Unerwartetes liefern können würde. Wir wollten dann für die zweite Hälfte des Mischens dabei sein, um sicher zu stellen, dass der Stil passt. Und das war es auch schon: Er kam mit echt verrücktem Zeugs zurück, wobei der Mix von „Zero Zero“ den Vogel abschießt. 
Der Song erinnert mich an Joy Divison!
GERARD: Oh danke, das war auch unser Vorbild!
Vielen Dank für Deine Zeit und viel Glück mit Deinem Album!
GERARD: Danke Dir – alles Gute auch für Euch!
Damit war unsere Gesprächszeit auch schon um, und Gerard widmete sich nahtlos seinem nächsten Gesprächspartner im Promo-Marathon.

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(Bild: © WMG)

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