Hierzulande kennt man Paramore als Vertreter des Mainstreams tatsächlich erst seit ihrer Single „Decode“ zum Film „Twilight“. Allerdings verzeichnete die Band um Sängerin Hayley Williams bereits nach ihrem Debut-Album „Riot“ im Jahre 2007 Platin-Erfolge in Amerika. Und spätestens nach der Veröffentlichung des dritten Studioalbums „Paramore“ (2013) ist klar, wie stilistisch vielseitig und musikalisch Jeremy Davis in der Pop-Punkband den Bass spielt.
Ich traf den gut gelaunten Bassisten zum Interview & Techtalk beim Konzert der Band in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle, um mit ihm über seinen Sound auf drei verschiedenen Paramore-Platten und natürlich über sein Live-Rig zu sprechen…
1. Riot!
Jeremy, was ist dein Lieblings-Pop-Punksound generell?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich viel Funk gespielt, bevor ich zu Paramore kam, und das immer auf einem 5-Saiter Musicman Stingray. Bis unser Gitarrist Taylor York eines Tages mit einem 1962er Precision-Bass auftauchte. Zugegeben, ich musste mich erst wieder daran gewöhnen, einen 4-Saiter zu spielen, aber der Sound war einfach perfekt für das Klangbild von Paramore. Auf der Platte kamen noch ein Paar Jazzbässe zum Einsatz, zum Beispiel auch ein Fender Custom, den ich mir habe bauen lassen.
Wie hast du den Sound der Platte damals live umgesetzt?
Damals habe ich noch ganz klassisch eine 80er Ampeg 8×10 mit einem SVT-Classic Top gespielt, dazu einen Sansamp. Zwei Kanäle, Clean und Dirty. Besonders auf der „The Final Riot“ ging die Tendenz immer mehr in Richtung Fender Jazz statt Precision. Ich bin froh, schon so lange auf die Hilfe meines Basstechs Riley Emminger zurückgreifen zu können. Wir sind inzwischen gut befreundet und das ganze Thema Gear ist einfach genau seine Welt, entsprechend hat er meinen Sound im Studio und live beeinflusst.
Was ist deine Stärke, Plektrum oder Finger?
Eigentlich würde ich sagen Finger, denn so habe ich angefangen. Und für mein Empfinden spielt ein richtiger Bassist auch mit den Fingern und er fühlt sich wohler dabei, einfach, weil es sich natürlicher anfühlt. Inzwischen kommt die Power, die du wahrscheinlich im Bezug auf Paramore meinst, doch eher vom Plektrum. Die „Attack“ für den progressiven Sound bekomme ich mit den Fingern einfach nicht hin. Ich liebe Slap-Parts und Fingerläufe, aber bei Paramore definitiv eher Plektrum.
2. Brand New Eyes
Auf dieser Platte hattest du mehr Distortion-Sounds als vorher. Wolltest du einfach noch progressiver in deinem Spiel auf der Platte sein oder hast du schon bei der Entstehung der Songs Effekte ausprobiert?
Ich denke, es war ein bisschen von beidem. Seit ich bei Paramore bin, war ja wirklich jedes Album unterschiedlich, sowohl vom Songwriting als auch von Sounddesign her. Entsprechend anders sind auch die Bass-Sounds auf den Platten. Ich wollte hier einfach einen aggressiveren Ton haben, eine Tatsache, die nicht jedem Produzenten gefällt. Viele von ihnen wollen im Studio keine Zeit in unterschiedliche Bass-Sounds investieren. Zum Einsatz kamen Pedale wie der Visual Sound Angry Fuzz und eigentlich immer der Sansamp. Der finale Basssound kam dann tatsächlich vom damaligen Produzenten und aus dem Computer. Sorry! (lacht)
Inwiefern bist du am Songwriting beteiligt?
Das ist von Song zu Song verschieden, ich schreibe meine Parts aber immer selbst. Und mit meinem eher funkigen Hintergrund…
Wo kommt der eigentlich her? Hast du mal Bass studiert?
Nein, ich habe nie studiert, aber ich habe ein sehr musikalisches Elternhaus. Mein Vater und mein Bruder spielen beispielsweise Schlagzeug, und ich wollte als Kind irgendwann Gitarre lernen. Aber mein Vater meinte damals, ich sollte Bass spielen, und das habe ich dann auch getan (lacht). Zu der Zeit war ich zehn Jahre alt und habe viel mit ihm in der Kirche gespielt und nebenbei immer ein bisschen Country, viel simples „EADG – Zeug“, Skalen rauf- und runter, Tennessee Grooves usw. Mein Vater zeigte mir ein paar Noten, den Rest brachte ich mir komplett selbst bei. In meiner Schule gab es das Projekt „Kids on Stage“, bei dem jeder irgendein Instrument lernte. Von der vierten bis zur achten Klasse wurden wir in Gruppen gepackt und zwei oder drei mal im Jahr durften die Eltern sich ein Konzert anhören.
Zum Funk kam ich durch verschiedenen Bands außerhalb der Schule, besonders durch „The Factory Band“. Das war eine Coverband, bei der auch Hailey Williams (die Sängerin von Paramore) einstieg. Wir hatten 66 Songs in der Setlist für viereinhalb Stunden Show. Das war echt verrückt. Aber wir sind herumgekommen und das waren auch meine ersten bezahlten Gigs. Und das fast nur mit Funk-Sounds! Dort habe ich übrigens auch das Slappen gelernt. Später bei Paramore war mein Spiel dann komplett anders und ich musste mich darauf einstellen, einfacher und songdienlicher zu spielen. Deshalb finde ich es auch gut, dass wir mit dem neuen Album wieder an diese älteren Wurzeln anknüpfen.
Würdest du dich eher als Punkrock-, Funk- oder Popbassist beschreiben?
Puh … ich weiß es nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob es überhaupt eine dieser drei Kategorien wäre. Ich komme aus Nashville und habe früher im Studio die unterschiedlichsten Jobs gespielt. Ich sehe mich eher als ein Bassist, der sich gut anpassen kann. Wir haben diesen Titel „In the Morning“, der nie veröffentlicht wurde, den wir aber live spielen. Eigentlich ist es ein Country-Song, ziemlich langsam, aber ich spiele ihn unheimlich gerne und jedes Mal anders. Das habe ich vorher nie gemacht und immer alles so gespielt, wie es auch auf der Platte ist. Aber inzwischen variiere ich mehr, vor allem bei den neuen Songs, und ich glaube, dass ich damit auch als Bassist besser geworden bin. Für mich ist es toll, zu sehen, dass mich Musiker als echten Bassisten mit eigener Note sehen und nicht als jemand, der nur Dienst nach Vorschrift macht.
3. Paramore
Lass uns über den Song „Aint it fun“ sprechen. Ein Killer-Groove, den es so von Paramore noch nie gab. Was war da los?
Unser Gitarrist Taylor hat den Song geschrieben. Zu der Zeit gab es keinen Drummer und für den Groove nur eine MIDI-Spur im Computer. Nachdem er sie aufgenommen hatte, war von Funk-Groove nicht die Rede. Der Song klang ursprünglich zwar auch poppig, aber nicht so groovig. Ich würde nicht sagen, dass ich den Funk in den Song gebracht habe (lacht), das wäre zu plump. Zu diesem Album gab es drei Vorproduktionen mit unterschiedlichen Trommlern und mit Justin Meldal-Johnsen (Nine Inch Nails), unserem Produzenten, der das Album letztendlich fertiggestellt hat. Da er selbst Bassist ist, hat er mir schon vor den Aufnahmen signalisiert, wie wichtig ihm der Bass auf diesem Album sei – eine super Voraussetzung! Riley und ich haben während der Produktion bei ihm gewohnt und manchmal Stunden nur damit verbracht, den richtigen Bass-Sound zu finden. Bei diesem Song war ich dann echt nervös, weil ich zum ersten Mal für Paramore auf dem Album geslappt habe. Aber letztlich war das für mich auch eine positive Erfahrung, denn es hat mir Selbstbewusstsein gegeben und meinen Sound und Style wieder ein Stück weit verändert. Riley, der seit Ewigkeiten Grabber-Fan ist, brachte damals einen roten G-3 mit. Den habe ich angespielt und schließlich auf neun oder zehn Nummern eingesetzt. Meinen 69er Höfner und meinen Fender Jazzbass hatte ich zwar mitgebracht, aber beide nicht benutzt! Justin hatte zwar noch jede Menge anderer Bässe, aber der Grabber war einfach perfekt zu spielen und klang auch am besten! Ich glaube, ich habe mich damals unsterblich in ihn verliebt.
Sind die Grabber-Bässe nicht richtig schwer? Ich meine, noch schwerer als Jazzbässe?
Riley (Jeremys Bass Tech): Die Grabber-Bässe wurden in Nashville gebaut, nachdem Gibson aus Michigan umgezogen war. Ich habe von den früheren Modellen insbesondere den G-1 und den G-3 immer sehr gemocht. Von unseren inzwischen vier Grabbern sind drei mit Ebenholz-Griffbrett. Ich kann mich erinnern, dass Jeremy sagte, der Grabber fühle sich an, als würde er einen 5-Saiter spielen.
Jeremy: Genau, und egal, ob es eine progressive Nummer oder eine Ballade ist oder ob ich slappe, der Grabber spielt sich einfach nur gut. Ich wollte auch nie einen so großen Body vor mir herschieben, aber der Grabber ist inzwischen genau der Bass geworden, den ich immer gesucht habe.
Weißt du noch, welche Amps und Pedale du für die Produktion benutzt hast?
Jeremy: Wir haben wirklich ewig gebraucht um herauszufinden, was wir tatsächlich einsetzen wollten. Riley, JMJ und ich haben uns über tausende von Amps unterhalten und das unterschiedlichste Equipment getestet. Bei „Fast in my car“ haben wir so viel ausprobiert, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, wofür wir uns letztendlich entschieden hatten … (lacht)
Riley: „Fast in My car“ hat insgesamt fünf Bassspuren, einmal direkt in den PCP (Little Labs) und einmal clean DI-gesplitted. Also hatten wir zwei Effektkanäle. Dazu benutzten wir einen MXR Bass Octaver, gesplittet in ein Green Russian Big Muff aus den 90ern und einen Bass Microsynth für die „Killer-Distortion“. Beide gingen dann in neutral eingestellte Amps, der Bass Microsynth in einen Fender TV 115 Combo und der Bigmuff durch einen SVT Classic mit einer Ashdown 8x10er Box.
Jeremy, du spielst jetzt Ashdown-Amps. Wieso diese Entscheidung?
Eigentlich war ich mit dem SVT-Sound immer zufrieden. Abgesehen davon, dass die Ashdown-Amps einfach perfekt klingen, wollte ich 15 Zoll Boxen statt 10 Zoll spielen. Du wirst später sehen, was ich mit mehr Bass auf der Bühne meine – ich habe dort mein eigenes Basszentrum.
Ich hab gehört, du hättest eine eigene PA als Monitoring, abgesehen von Side-Fills…
Ja, das ist richtig (lacht). Aber Ashdown ist eine tolle Company, die mich super betreut. Ich habe schon in der Vergangenheit einen Amp von Ashdown gespielt, hatte allerdings nie viel Zeit mit ihm verbracht, bis wir für die aktuelle Platte im Studio waren. Und jetzt sind Ashdown Amps meine Favoriten. Wir haben den ABM900 ausprobiert und den BTA400, und das passt einfach perfekt. Ich bin sehr zufrieden mit den Amps und auch mit den Boxen, von denen ich auf der Bühne eine 8x10er und eine 2x15er einsetze.
Du hast mit tollen Drummern gespielt, Zac Farro, Ilan Rubin, John Freese…
Ich hatte das Glück, mit so vielen Trommlern spielen zu dürfen. Ilan Rubin hat auf der Platte gespielt und davon abgesehen, dass er in unserem Alter ist und in tollen anderen Bands (Nine Inch Nails, Lost Prophets, Angels & Airwaves) war, ist er mein Lieblings-Trommler. Er spielt jetzt wieder bei den Nine Inch Nails und ich glaube, jedem Bassisten ist klar, dass er einfach nur perfekt ist. Und das jedes Mal, wenn er irgendwas anspielt – er ist so konstant und exakt wie ein Roboter mit Feel.
Wie kam die Connection zu Aaron Gillespie?
Wir kennen ihn über Underoath von der Warped-Tour, die wir mit ihnen gespielt haben, und mit seiner eigenen Band „The Almost“ hat er auf unserer Tour eröffnet. Wenn ich mich richtig erinnere, war das 2009. Ich hätte niemals gedacht, dass er mal bei uns spielt. Aber er ist supergut. Er spielt mit richtig viel Druck, ein wenig wie Zac, unser ersten Drummer, der von Aaron echt beeinflusst war. Es ist super, dass er sich selbst nicht zu ernst nimmt und man mit ihm auf der Bühne jede Menge Spaß haben kann. Schau dir mal Videos von ihm an … (lacht)
Abschließend seht ihr hier Jeremy & Riley exklusiv im bonedo.de Rig-Rundown:
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Chris sagt:
#1 - 12.10.2013 um 12:16 Uhr
Super Artikel! 'Paramore' ist aber schon das vierte Album ;) Sonst gibts nichts zu meckern, weitermachen!
BonedoMalte sagt:
#2 - 14.10.2013 um 14:01 Uhr
Hallo Chris! Danke für das Lob! Jeremy Davis hat das Debüt "All we know is falling" nicht eingespielt. Er hat die Band kurz vor den Aufnahmen verlassen und ist erst vor der zweiten Platte wieder zur Band gestoßen. Gemeint sind nur die drei Alben mit Davies.
Robin Lussu sagt:
#3 - 14.10.2013 um 19:08 Uhr
Hallo!
Auch von meiner Seite nochmal: Sorry!
Entsprechend ist auch "RIOT" nicht das Debüt-Album, sondern eben "All we know is falling" welches nicht von Jeremy eingespielt wurde.
Trotzdem cool dass es dir gefällt, Chris - Danke :)