Der Mic-Pre/AD-Wandler Audient Mico bei bonedo.de im Review – Die britischen Analogspezialisten von Audient bedienen eine enorme Bandbreite von Konsolen-Flaggschiffen bis hin zu kleineren Projektstudio-Einheiten. Der Mico liegt am letzteren Ende des Spektrums, soll aber trotzdem mit gehobenen Qualitäten aufwarten können.
Audient wurde zwar „erst“ 1997 gegründet, die Geschichte dahinter reicht aber zurück bis in die 80er-Jahre. Mastermind Dave Dearden stellte damals – und bis in die 90er hinein – unter dem Firmennamen DDA Mischpultkonsolen her, die nach allgemeinem Konsens ein ziemlich gutes Preis-Leistungsverhältnis aufweisen. Preislich nicht am oberen Ende des Marktes angesiedelt, überzeugten die DDA-Pulte doch mit mehr als soliden Qualitäten, und im Prinzip kann man das gleiche auch über Audient sagen. Auch hier wird mit einem Auge immer auf einen konkurrenzfähigen Preis geschaut, was man aber in der Praxis kaum als etwaigen Nachteil verbuchen kann. Im Gegenteil, oftmals geht es gerade um ein solides, verlässliches, gut klingendes Arbeitspferd, und das allerletzte Quäntchen analoger Tonschönheit, das nur mit einer exorbitanten Preissteigerung zu haben ist, ist gar nicht immer zwingend erforderlich.
Details
Sinnvolle Zusammenstellung
Viele Audient-Geräte zeichnen sich durch ein sehr praxisnahes Feature-Set aus, dem man die jahrzehntelange Erfahrung am Markt förmlich ablesen kann. Unter diesem Vorzeichen kann man auch das Zweikanal-Frontend Mico betrachten. Als All-In-One-Lösung für kleinere – aber nicht unbedingt weniger anspruchsvolle – Setups konzipiert, bietet das Gerät in seinem 9,5“-/Desktopgehäuse praktisch all das, was im kleineren Home- und Projektstudio benötigt wird, um Signale auf die Festplatte zu bekommen.
66 dB Gain
Herzstück des Mico sind zwei diskret aufgebaute Class-A-Mikrofonverstärker, die den größeren Audients wie dem Achtkanal-Preamp ASP 008 oder auch den größeren Konsolen der ASP-Serien entliehen wurden. Mit insgesamt maximal 66 dB Gain zählt der „Hubraum“ dieses Preamps nicht zum Spitzenfeld, aber in der Praxis dürfte diese Gesamtverstärkung in den allermeisten Fällen dennoch mehr als ausreichen – mehr dürfte man nur in Spezialfällen, wie etwa dem Einsatz von Bändchenmikros auf extrem leisen Quellen benötigen. Und das ist ein Anwendungszweck, der in einem (Home-)Studio, das sich für den Mico interessiert, vermutlich nicht zur Kernaufgabe gehören sollte.
Interessante Features: HMX und Variphase
Neben diesen grundlegenden Funktionen, die aus dem Mico bereits einen vollwertigen, vielseitigen Vorverstärker machen, hat Audient dem kleinen Gerät noch eine Reihe weiterer Features spendiert. So verfügt Kanal 1 über die HMX-Funktion, die Audient bereits in seiner Black-Serie eingesetzt hat. Es handelt sich um ein Poti, mit dem man zusätzliche Obertöne (Harmonics) dem Signal stufenlos zumischen kann, was den grundsätzlich sehr klaren Klang in Richtung eines übersteuerten „Vintage“-Tools verbiegen kann. Auch verfügt Kanal 1 über einen frontseitigen, hochohmigen Instrumenteneingang.
Kanal 2 hingegen verfügt statt des HMX-Schalkreises über eine Variphase-Option, wie man sie etwa vom Rupert Neve Designs RND 517 kennt. Mit diesem Poti kann die Phasenlage des zweiten Kanals relativ zum ersten stufenlos zwischen 0° und 180° verstellt werden. Dies bietet sich beispielsweise an, wenn man eine Quelle mit zwei Mikrofonen gleichzeitig aufnimmt und Laufzeitunterschiede zwischen beiden Strecken elektronisch ausgleichen möchte. Auch wenn man beispielsweise eine D.I.-Gitarre parallel simultan noch über einen Amp schickt kann man mit der Variphase-Schaltung dafür sorgen, dass es durch den Zeitversatz des Mikrofonsignals nicht zu Phasenauslöschungen und Kammfiltereffekten kommt.
192/24
Neben dieser schon recht üppigen Aussttatung auf der analogen Seite bietet Mico noch zwei A/D-Wandler, welche digitale Signale zeitgemäß mit bis zu 24 Bit und 192 kHz ausgeben können. Dazu bietet das Gerät auf der Rückseite neben den analogen XLR- Inputs und -Outputs noch ein paar weitere Anschlussmöglichkeiten, die den durchaus gehobenen, professionellen Standard des Audient-Preamps unterstreichen. Der digitale Ausgang liegt nicht nur an einer RCA-S/PDIF-Buchse an, sondern auch als AES-Signal an einem XLR-Anschluss. Letzterer ist mehr, als ich in dieser Preisklasse erwarten würde. Zusätzlich liegt das S/PDIF-Signal sogar noch an einer optischen TOSLINK/ADAT-Buchse an. Samplerate und Wordclock-Status werden mit einer Handvoll Dip-Schaltern eingestellt. Leider verfügt der Mico jedoch über einen BNC-Wordclock-Input, nicht aber einen Output. Wer also externe Geräte zum Mico clocken möchte, der muss das direkt über die digitalen Audioverbindungen tun. Intern bietet das Gerät die Sampleraten 44,1, 48 sowie 96 kHz. Extern geclockt sind Raten im gesamten Bereich zwischen 32 und 192 kHz möglich.
Ordentliche Hardware
Die gesamte Konstruktion des Gerätes ist durchaus hochwertig und auch optisch ansprechend. Zwar wurde jeglicher verfügbare Platz auf der Front- und Rückseite (sowie im Gehäuseinneren) ausgenutzt, aber der Mico wirkt keineswegs überfrachtet. Auch Dank der durchweg beleuchteten Schalter lässt sich das Gerät übersichtlich bedienen. Mit Blick auf die zahlreichen Funktionen, deren Schaltungen das Gehäuse unweigerlich füllen, auf den Kaufpreis und auch auf bestimmte Einstreuungsprobleme, die sich ergeben können, wenn sich das Netzteil auf so engem Raum in einem so kleinen Gehäuse befindet, wird man dem Mico das externe Netzteil des Typs „Wandwarze“ wohl problemlos nachsehen können.
Unterm Strich verfügt der Mico damit über alle Funktionen, die eine Frontend-Lösung komplettieren – mit einer Ausname: Das Gerät ist bzw. hat kein Audio-Interface, sondern stellt lediglich analoge und digitale Ausgänge bereit.
Die Fertigung des Mico genüg übrigens ebenfalls anspruchsvolleren Standards. Das Gehäuse macht einen stabilen und durchaus wertigen Eindruck, und neben den diskreten Class-A-Eingangsstufen setzt Audient mit 5532-OpAmps auf einen bewährten Industriestandard. Audio-Übertrager sucht man in dieser Preisklasse – und mit Blick auf den ansonsten üppigen Funktionsumfang – vergebens, aber das werten wir in diesem Kontext nicht als Nachteil.
Variator sagt:
#1 - 02.07.2016 um 16:06 Uhr
es wäre zu erwähnen, dass der Anschluss nur über SPDIF vorgesehen ist, kein USB, und das ist eine Einschränkung. ID22 ist dann wohl besser.