Der GrandMeister 36 von der saarländischen Verstärkerschmiede Hughes & Kettner könnte den Auftakt für eine erfolgreiche Serie bilden. Zuletzt waren es Röhrenamps, die unter dem Namen TubeMeister auch international Furore machten. Ob der GrandMeister 36 ebenfalls weitere GrandMeisters nach sich zieht, ist im Moment nicht abzusehen. In TubeMeister-Kategorien gemessen, hätte er mit seiner 36 im Namen auf jeden Fall das Zeug zum Flaggschiff einer neuen Verstärkerlinie, zumal er in Sachen Ausstattung und Möglichkeiten wirklich aus den Vollen schöpft.
Der mit vier unabhängigen Kanälen ausgestattete und voll programmierbare Röhrenverstärker wurde eben erst auf der Hausmesse des deutschen Music & Sales Vertriebs in St. Wendel vorgestellt. Dass der GrandMeister 36 nicht nur mit den üblichen Features und einem guten Sound glänzen kann, sondern tatsächlich Flaggschiffqualitäten hat, soll unser Test beweisen.
Details
Konzept
Wenn es um Verstärker von Hughes & Kettner geht, dann geht es auch immer um das Quäntchen “Mehr”, das diese Amps in der Regel mitbringen und sie von der Konkurrenz unterscheiden. Natürlich fällt auch unser Testkandidat, der GrandMeister 36, in diese Kategorie, und er hat auch allen Grund, mit seinem “Mehr” zu protzen. So findet man bei ihm anstelle von zwei oder drei Kanälen gleich vier, von denen jeder für sich völlig autark seinen Dienst verrichtet: Clean, Crunch, Lead und Ultra ermöglichen auch dem penibelsten Gitarrenhelden tiefe Eingriffe in die individuelle Klanggestaltung und bieten eine kaum zu übertreffende Flexibilität.
Die Endstufe mit einer Leistung von 36 Watt, die von vier EL84 Glaskolben erzeugt wird, basiert auf dem TubeMeister 36. Im Gegensatz dazu wurde die Vorstufe mit ihren drei 12AX7 Röhren komplett neu designt. Obwohl es sich hier um einen analogen Röhrenverstärker handelt, lassen sich per MIDI 128 verschiedene Sound-Settings in 128 Presets abspeichern. Diese Vielfalt kennt man sonst eher von digitalen Gitarrenamps, bei denen es sich im Grunde genommen um Computer handelt, die auf die Reproduktion von Gitarrensounds getrimmt sind. Die Tatsache, dass lediglich ein einziger Reglersatz an der Front für die Einstellung aller Parameter bei jedem der vier Kanäle verantwortlich ist, mag im ersten Moment Respekt einflößen, zeigt sich aber in der Praxis clever gelöst. Dazu später mehr. Die Programmierung selbst erfolgt entweder am Amp oder per MIDI via iPad oder beliebigem MIDI-Controller – es muss also nicht unbedingt der von Hughes & Kettner zugedachte FSM-432 sein. Grundsätzlich benötigt der GrandMeister eine MIDI-Anbindung zum Verwalten der 128 Speicherplätze, denn ohne diese ‘behält’ er lediglich die jeweils aktuelle Einstellung jedes Kanals und schöpft sein eigentliches Potenzial nicht aus.
Zusätzlich integriert sind die gängigsten Brot-und-Butter-Effekte wie Hall, Modulation und Delay, mit denen sich in der Regel schon ein großer Teil gängiger Rock- und Pop-Gitarrensounds realisieren lassen. Ein Noisegate rundet das Bild ab, und wie in den Modellen der Schwesterserie TubeMeister steht als Schmankerl ein Powersoak bereit, der die Endstufenleistung von 36 Watt bei Bedarf auf 18, 5, 1 oder sogar 0 Watt reduziert. Damit steht auch dem nächtlichen Abrocken in der Etagenwohnung nichts mehr im Wege. Die ebenfalls zur Ausstattung gehörende Red Box simuliert eine 4 x 12 Gitarrenbox und ermöglicht Direktaufnahmen oder die Speisung des FOH-Pultes im Proberaum oder auf der Bühne.
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Das Frontpanel
Auf den ersten Blick sieht es hier völlig unspektakulär aus, und der Amp wirkt wie ein “gewöhnlicher” Zweikanaler. Das Herzstück unseres Kandidaten ist der vierstufige Chickenhead-Schalter, mit dem sich die vier Kanäle anwählen lassen. Dank MIDI-Fähigkeit lassen sich alle Regler und Schalter außer dem Masterpoti in jedem Kanal und jeder Einstellung abspeichern, man kann also jeden Sound penibel auf die eigenen Bedürfnisse einstellen. Eigentlich könnte man den GrandMeister auch als Hybridamp bezeichnen: analoge Schaltung – digitale Bedienung. Neben dem Wahlschalter für die Kanäle liegt ein kleiner und ebenfalls programmierbarer Taster, der bei Aktivierung und je nach Kanal unterschiedliche Frequenzen boostet.
Die Rückseite
Direkt neben der Netzbuchse mit Sicherung wartet die Klinkenbuchse auf Lautsprecher von 8 bis 16 Ohm. Der schalt- und programmierbare Power Soak drosselt die Endstufenleistung in vier Schritten auf 18, 5, 1 oder 0 Watt. In direkter Nachbarschaft liegt der Ausgang der Red Box , die den Frequenzgang einer 4 x 12 Gitarrenbox nachahmt. Sie eignet sich für diejenigen, die ohne mikrofonierte Speaker den Sound des Amps zu einem FOH-Mischpult oder in die heimische Soundkarte schicken wollen. Im Gegensatz zu den Vorgängermodellen kann man hier zwischen zwei unterschiedlichen Boxentypen wählen; Classic und Modern unterscheiden sich zwar nur subtil, sie bieten aber eine weitere Klangnuance auf dem Weg zu einem individuellen Sound.
Die Programmierung
“Oh Gott, vier Kanäle, und alles ist schalt- und programmierbar. Hoffentlich blicke ich da noch durch …”. Solche Gedanken kommen in Anbetracht der vielfältigen Möglichkeiten des GrandMeister 36 sicherlich schnell, aber ich kann Entwarnung geben. Der Amp ist trotz seiner mannigfachen Möglichkeiten intuitiv zu bedienen. Am einfachsten geschieht das direkt am Frontpanel: Nachdem man mit dem vierstufigen Chickenhead-Drehstufenschalter den Kanal angewählt hat, dreht und schaltet man so lange, bis der Sound stimmt und speichert das komplette Setting mit allen Regler- und Schalterstellungen anschließend mit einem Druck auf den Store Taster. Das Ganze ist möglich, weil es sich bei den Reglern nicht um gewöhnliche Potentiometer handelt, sondern eigentlich um eine Reihe von 256 seriellen Widerständen, die beim Drehen des Reglers einzeln geschaltet werden – das dabei entstehende leise Geräusch kommt daher. Dazu kommt ein Datenspeicher in diesen sogenannten Smart Rotary Controls, der sich jede einzelne Stellung merkt und bei Bedarf wieder aufruft. Auf diese Weise lässt sich der Verstärker komplett fernsteuern, allerdings nicht die ursprüngliche physische Stellung der Regler wieder herstellen, sodass diese nicht unbedingt das anzeigen, was man hört. Ein erneutes Betätigen versetzt sie wieder in den aktuellen Stand.
Die Organisation der Presets und das erneute Abrufen geschieht über das angeschlossene MIDI-Equipment. Die Einstellung der integrierten Effekte war mir anfangs unklar, weil die Regler der Preampsektion im FX Access Modus andere Eigenschaften erhalten. Aber bei genauem Hinschauen entpuppt sich die zweite Reihe oberhalb der eigentlichen Poti-Beschriftungen als Wegweiser durch die Effektsektion. Noch ein Wort zur Bedienung: Die MIDI-Fähigkeit des GrandMeister 36 lässt nicht nur zu, dass per Knopfdruck Programme aufgerufen oder Aktionen ein-, aus- oder umgeschaltet werden können. Per Control Change lassen sich alle einstellbaren Parameter in Echtzeit ansteuern und verändern. Eine Tabelle in der Bedienungsanleitung zählt die Funktionen und die entsprechenden Control-Nummern auf. So hat man beispielsweise die Möglichkeit, mit einem entsprechenden Expressionpedal unmittelbaren Einfluss auf Effektparameter oder Amp-Settings zu nehmen.
Die iPad App
Ganz klar: Der GrandMeister 36 benötigt zwingend eine MIDI-Anbindung, will man sein Potenzial ausschöpfen. So lässt er sich auch bequem per iPad bedienen und fernsteuern, investiert man neben der kostenlosen App noch in ein MIDI-Interface, denn Bluetooth oder WLAN kann der Amp nicht. Zu diesem Zweck haben wir uns das IK Multimedia iRig MIDI besorgt, das die drei Ports IN, OUT und THRU besitzt. Man muss also rund 50 Euro einkalkulieren, um in den Genuss der iPad-Steuerung zu kommen.
Ob sich die Investition lohnt, muss jeder für sich selbst entscheiden, denn im Grunde genommen bietet die Software die gleichen Parameter, die man auch am Amp vorfindet. Ein tieferes Eintauchen in die Programmierung der Effekte wie beispielsweise eine Höhenbeschneidung oder ein leichtes Eiern der Echowiederholungen ist ebenso wenig möglich, wie die individuelle Gestaltung der Modulationseffekte. Dafür lassen sich im oberen Teil der Bedienoberfläche vorprogrammierte Presets abrufen und beschriften. Im Unterschied zur Bedienung am Amp findet man hier die Parameter etwas übersichtlicher angeordnet, sodass sie bequemer zu bedienen sind.
Die integrierten Effekte
Der GrandMeister 36 bietet Hall, Delay, Chorus, Flanger, Phaser und Tremolo. Mit dem “FX Access”-Schalter werden die Regler der Preampsektion in den Effektmodus umgeschaltet und arbeiten so lange als Effektregler, bis man den Schalter erneut drückt. Im Effektmodus sind die drei Potis der Klangregelung für die Gestaltung des Delaysounds zuständig. Mit dem Treble-Poti wird der Delay-Level verändert, während das Feedback mit dem Mittenregler eingestellt wird. Die Delay Time übernimmt in diesem Modus der Bassregler. Die unterschiedlichen Modulationseffekte lassen sich nur einzeln verwenden und so ist es nicht möglich, zum Beispiel gleichzeitig Chorus und Tremolo einzusetzen. Die vier Effekte liegen hintereinander auf dem Volumeregler. Im ersten Viertel ist der Choruseffekt aktiviert, es folgen Flanger, Phaser und Tremolo. Innerhalb jedes Viertels lässt sich die Geschwindigkeit des jeweiligen Effektes einstellen. Der Gainregler übernimmt dabei die Rolle der Intensität des jeweils angewählten Modulationseffektes. Die entsprechenden Parameterbezeichnungen sitzen zur besseren Orientierung auf der Plexiglasabdeckung über dem Frontpanel.
Der Fußschalter
Optional zum GrandMeister 36 gibt es einen Footcontroller mit insgesamt 128 Programmplätzen. Die FSM-432 MK III MIDI-Fußleiste ist eine Weiterentwicklung des von SwitchBlade und CoreBlade bekannten FSM-MK II. Mittels eines beigelegten 7-poligen MIDI-Kabels wird der Controller mit dem Amp verbunden und dabei auch mit Phantomspeisung versorgt – ein separates Netzteil wird nicht benötigt.
Dem Spieler stehen immer vier Sounds gleichzeitig zur Verfügung. Mit den Bank Up/Down-Tastern erreicht er weitere Klänge – die 128 Programme sind auf insgesamt 32 Bänke mit je 4 Presets aufgegliedert. Somit arbeitet auch der FSM-432 MK III weitestgehend selbsterklärend. Ein besonderes Schmankerl ist die Tap-Funktion, mit der man bequem mit dem Fuß das Echo dem Songtempo angleichen kann.
Aber die Fußleiste kann noch mehr: Mit einem Schiebeschalter oberhalb der MIDI-Buchsen wird zwischen Preset- und Stompbox-Modus gewählt. Im Presetmodus arbeitet der FSM-432 MK III wie gewohnt und die verschiedenen voreingestellten Programme werden per Tastendruck abgerufen. Im Stompboxmodus werden keine Programme umgeschaltet, stattdessen ruft man mit den vier Haupttastern A, B, C und D nun die vier Grundsounds Clean, Crunch, Lead und Ultra ab. Der “Bank Down”-Taster aktiviert die Modulation, während man mit dem “Bank Up”-Taster den Boost aufruft. Der “Delay Tap”-Taster, mit dem man im “normalen” Betriebsmodus die Echogeschwindigkeit eingibt, schaltet im Stompboxmodus den Delay-Effekt ein oder aus.
Mario sagt:
#1 - 18.10.2013 um 10:58 Uhr
"Wenn man zu Hause ohne Gitarrenbox aufnehmen möchte, muss der Powersoak übrigens auf 0 Watt gestellt werden, da sich die Röhrenendstufe ohne Last schnell in Rauch auflöst."Stimmt so nicht ganz. Wird die Gitarrenbox ausgesteckt schaltet das Powersoak automatisch auf "Power Off"!
Siehe auch: http://bit.ly/172vM08
Olli sagt:
#2 - 29.04.2014 um 22:18 Uhr
Ich hab ihn mir auf Grund der tollen Testergebnisse, des Gewichts und der Möglichkeiten gekauft und war vom Sound leider enttäuscht. Clean klingt er klasse, keine Frage, aber die Zerrkanäle sind für mich durchweg unbrauchbar, fühlen sich auch beim Spielen irgendwie nicht gut an. Mir hat es schlicht keinen Spaß gemacht den Amp verzerrt zu spielen. Der Cleankanal versteht sich leider auch nicht all zu gut mit Overdrive oder Distortion Tretern. Sehr schade. Habe mir von dem Amp deutlich mehr erhofft. Verstehe auch den ganzen Hype und die guten Tests absolut nicht.
axel doose sagt:
#3 - 09.02.2015 um 17:48 Uhr
Habe anfangs ähnliche Erfahrungen gemacht wie Olli. Dieser Amp produziert im Distortionbereich extrem harsche Höhen und Mitten. Aber!: Senkt man diese erheblich ab, erhält man ein durchaus durchsetzungsfähigen druckvollen Ton. Die Höhen fast ganz raus, die Mitten zwischen acht und zehn Uhr und wichtig auch die Presence fast auf Nullanschlag. Distortion rein und meine Musicman Silhouette Spezial kann hart bis weich. Der Amp ist unglaublich vielseitig und deckt so ziemlich alle Musikstile ab. Der Grandmeister braucht ein bisschen Einarbeitungszeit und dann liebt man den kleinen und auch lauten Zwerg. Er kann aber auch leise richtig gut klingen - Superkonzept :o)
Uwe Marquardt sagt:
#4 - 03.01.2017 um 20:43 Uhr
Moin. Schade ist das man das Master nicht mit abspeichern kann. Das umschalten auf andere Sounds oder einen anderen Kanal passt von der Lautstärke dann oft im Bandkontext nicht....Die Endstufe nimmt auch grossen Einfluss auf den Sound. Viel Einstellarbeit zu machen. Rock on Stage ziemlich schwierig...