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Querschläge: Oh no, it’s mono!

Als das Stereoformat vor rund 50 Jahren einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hielten es nicht wenige Musikfirmen bzw Labels für notwendig, diese Öffentlichkeit, mithin die Hörer, auf den neuen Hör-Standard vorzubereiten; sie quasi bei der Hand zu nehmen und so möglichen Ängsten oder Befürchtungen entgegen zu wirken. Tatsächlich waren die zu diesem Zweck erstellten Demonstrations-Schallplatten – das muss man aus heutiger Sicht so schreiben – Propaganda in Reinform. Zitat: „Stereo hören, bedeutet räumlich hören – oder halten Sie sich auch immer ein Ohr zu?“ Von der Agitation kann man halten, was man will. Das räumliche Hören bleibt ein recht unerschütterlicher Fakt. Trotz Quadrophonie und Dolby Surround hat sich das Stereo-Format als die praktischste Annäherung an das menschliche Hören – zumindest im Musikbereich – behauptet.

Früher war alles besser! (Foto: © Fotolia / stokkete)
Früher war alles besser! (Foto: © Fotolia / stokkete)

Widerspruch nach Lehrbuch: Die Mono-CD

Es ist schon merkwürdig, dass bei Hörern dafür erst Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. Aber umso rätselhafter erscheint ein Trend, der (wenigstens in gewissen Kreisen) seit gut 20 Jahren in die genau entgegengesetzte Richtung verläuft. Die Rede ist von Mono-Wiederveröffentlichungen. Ob Dylan, Donovan oder Velvet Underground – von immer mehr Künstlern werden Alben im ursprünglichen Mono-Format wiederveröffentlicht. Oft und gern versehen mit Slogans wie „Unearth The Classic Sound“ oder auch „The Original Recordings As The Artists Heard Them“. Ist natürlich irgendwie widersprüchlich, so etwas dann auf Tonträgerformaten wie CD oder Mp3 zu veröffentlichen. Darauf soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Viel mehr steht die Frage im Raum, warum sich gerade die (selbsternannten) Audiophilen für ein Klangformat entscheiden, welches eine soviel schlechtere Abbildung des natürlich-menschlichen Hörvorgangs darstellt. 

Historisch akkurat & klanglich für die Tonne
Auf der Hand liegen zwei Gründe. Allerdings qualifiziert sich davon nur einer als frei von jeglichen psychologischen Implikationen, nämlich: Stereo ist nicht gleich Stereo! Frühe Stereo-Mixe der Beatles und anderer Künstler aus dieser Zeit wurden in der Regel erst nachträglich erstellt. Sie legen den Finger in die Wunde: Zu hören ist meist keine Band, sondern einige Spuren hart links und andere rechts – Hörvergnügen klingt anders. Das Bestreben nach originärer Ursprünglichkeit erscheint zumindest unter diesen Umständen als nachvollziehbar. Anders als bei Grund Numero Zwo, der weitaus subjektiver daherkommt und an dem Felix Mendelssohn Bartholdy nicht ganz unschuldig ist: Historische Aufführungspraxis! Angeblich sollen die Bemühung um die historisch gesehen korrekte Wiedergabe vor allem den ursprünglichen Intentionen der Künstler geschuldet seien. Aber wie schwer das mit den Intentionen des Künstlers ist, wusste auch schon Eduard Hanslick, einer der einflussreichsten Musikkritiker des 19. Jahrhunderts: „[…] so liegt die leidenschaftliche Einwirkung eines Themas nicht in dem vermeintlich übermäßigen Schmerz des Komponisten, sondern in dessen übermäßigen Intervallen […]“. Im ganzen Satz: Mehr als alles andere sind Mono-Wiederveröffentlichungen Ausdruck der Bemühung um eine möglichst korrekte Geschichtsschreibung, und somit eine eher akademische Disziplin – einen klanglichen Mehrwert für Hörer allerdings bieten sie nicht.

Unser Kolumnist Thomas Kühnrich ist seit 2011 Redaktionsleiter bei Joinmusic.com. Dieses Online-Magazin und Label-Portal will getreu des Mottos “Good Music Only” eine Anlaufstelle für Labels und Musikinteressierte abseits der Top 20 Playlists sein. Und weil Justizia zwar blind, nicht aber taub ist, gibt sich Joinmusic subjektiv, voreingenommen und parteiisch. Mit News, Track-Tweets, Reviews und Hintergrund-Geschichten informiert das Magazin über Künstler, die den Unterschied machen. Das einzige Genre, das für sie wirklich zählt, heißt „großartige Musik“. Mit diesem Hintergrundwissen gewappnet, wird uns Thomas ab sofort mit seinen “Querschlägen” ein wenig Pfeffer in den Alltag bringen…

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Früher war alles besser! (Foto: © Fotolia / stokkete)

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