Als Künstler eigene Wege zu gehen, ist leichter gesagt als getan. Der australisch-amerikanische Sänger und Songwriter Sam Sparro hat das nicht nur gemacht, sondern auch noch Erfolg damit: Gleich mit seinem Debütalbum und der Single „Black & Gold“ schaffte er es in mehreren Ländern nach oben in die Charts, und wurde in den USA für den Grammy, sowie in seinem Ursprungsland Australien für mehrere AIRA Awards nominiert. Und das mit einer Musik, die sich nicht opportunistisch an aktuellen Trends orientiert, sondern eher an klassischem Funk & Disco. Wir sprachen mit ihm im Interview anlässlich seines zweiten Albums “Return to Paradise”:
Vintage rules: „Als ich mit den Arbeiten am Album begann, hatte ich noch keine klare Vorstellung, was für Art Platte ich machen wollte“, sagt Sam. „Also habe ich eine Menge experimentiert, es begann mit Dark House. Dann fing ich wieder an Platten zu sammeln – und merkte, dass ich unbedingt ein Album machen wollte, das vom Soul, Funk und Disco der späten 70er und frühen 80er beeinflusst ist. Es sollte eine Art Vergeltung dafür sein, das moderne Popmusik so… poliert und abgeschliffen ist. Ich wollte etwas menschlicheres und warmes schaffen, mit Gefühl.“ Originalinstrumente der Epoche, wie Roland Juno-60 oder eine alte LINN Drum Machine, liefern den adäquaten Anstrich – Samples waren ihm nicht genug. „Aktuelle“ Sounds à la David Guetta, Dubstep-Wobble oder die typischen Großraumdisko-Filterfahrten wird man vergeblich suchen. Die Produktion versetzt einen eher in die große Zeit von Prince, Imagination oder D’Angelo – mit viel echtem Schlagzeug sowie Bass, Gitarre, Bläsern oder Streichern.
Hardware-Synths prägen den Sound: Die Roland Juno-60 und Juno-106 Synthesizer wurden am häufigsten eingesetzt, aber auch Moogs und ein Yamaha CS-80 kamen zum Zug. War der CS-80 denn stimmstabil? „Manchmal!“, sagt Sam lachend. Hat sich der Einsatz der alten Synths gegenüber der in der Handhabung praktischeren Plug-In Software gelohnt? „Ich finde echte Synths bringen mehr Spaß mit ihrer taktilen Oberfläche: du kannst z.B. direkt mit den Modulationen spielen. Ich denke, sie sind auch ein bisschen unberechenbar und wärmer – ist einfach eine andere Erfahrung, mit dem „echten Ding“ zu arbeiten.“
Zweieinhalb Jahre dauerte die Fertigstellung des Albums. Die meisten Songs wurden in den jeweiligen Studios komponiert und auch gleich aufgenommen – teilweise natürlich in mehreren Etappen und unterschiedlichen Orten. Ein großer Teil der Drums auf dem Album wurde live eingespielt – und wie sich das in den 80ern gehörte – wurden die anderen akustischen Instrumente nacheinander in mehreren Sessions dazu aufgenommen – auch wenn das Ergebnis wie z.B. bei „We Could Fly“ sehr organisch klingt. Das Mischen fand je nach Song im Rechner oder am Pult statt. Ausführende Produzenten waren Sam und sein Co-Writer Jesse Rogg, der auch schon beim ersten Album dabei war. Die anderen Kooperationspartner arbeiteten immer nur an ihren jeweiligen Songs mit. Sam mag das Arbeiten mit anderen. „Es kann einen auf neue Ideen bringen, und die Inspiration stimulieren. Das waren alles sehr talentierte Individuen, mit anderen Stärken als ich. Und vor allem sind sie wirklich nette Menschen – ich neige dazu, nur mit Leuten zu arbeiten, mit denen ich mich verstehe.“ Hat er einen festen Weg beim Songschreiben? „Das ist nicht gleichbleibend. Ich nehme für verschiedene Songs verschiedene Herangehensweisen – je nachdem wo die Inspiration herkam: Manchmal habe ich zuerst eine Melodie oder einen Akkordablauf, manchmal eine Textidee. Aber wenn ich mit vielen Live-Musikern ins Studio gehe, arbeite ich vorher alle Parts am Rechner aus, so dass ich mir den fertigen Song vom Sound schon vorstellen kann.“ Sam wird in den Liner-Notes auch als Arrangeur für die Streicher- und Bläserparts aufgeführt – hat er die Parts ausnotiert? „Ich musste die Parts nicht aufschreiben, die Musiker haben die Parts einfach nach Gehör gespielt. Ich habe ihnen die Lines mit entsprechenden künstlichen Sounds einfach vorgespielt.“
Für viele Popproduktionen werden inzwischen Songwriting Camps veranstaltet. Unter Umständen findet sich da ein Künstler dann in einem Studio mit ihm völlig fremden Komponisten wieder, und soll schreiben. Kann Sam sich so etwas vorstellen, ist Songwriting nicht etwas sehr persönliches? Er lacht. „Ich bin schon aus Sessions einfach rausgegangen, oder habe meinen Manager gebeten, eine Geschichte zu erfinden, warum ich schnell weg muss.“ Er fährt fort: „Es gibt eine Menge Arschlöcher in diesem Business, und ich habe viele von ihnen getroffen – und mich geweigert mit ihnen zu arbeiten.“ Da will ich doch wissen, wie er das vor allem am Anfang vermeiden konnte – hat man da schon die Wahl? „Nun, das hängt davon ab, wie dickköpfig man ist. Und ich bin zufälliger Weise sehr dickköpfig. So wie ich das sehe, habe ich immer eine Wahl.“
Top-Producer und Songwriter Greg Kurstin ist einer seiner Partner auf dem Album – ein Mann, der schon Hits für Pink, Kelly Clarkson oder Britney produziert hat. Irgendwie erwartet man da natürlich den kalkulierten „todsicheren“ Hit als Resultat. Das ist bei dem Song „The Shallow End“, einem klassischen, groovigen Disco-Funk Track mit echten Bläsern sicher nicht der Fall. „Greg hat eine unglaubliche breite Kenntnis unterschiedlichster Arten von Popmusik. Und ich gab ihm als Referenzen für diesen Song Deelite, The Clash und „Let’s Dance“ von David Bowie – das war unsere Marschroute. Greg ist so vielseitig: er kann massive Popsongs für Kelly Clarkson und Pink schreiben, aber er kann auch jede Menge schräges Zeug produzieren. Echt talentiert!“
Nochmal zum Soundgewand des Albums: Er scheint es minutiös vermieden zu haben, auch nur die kleinsten Anklänge von Wobbelbässen oder Großraumdisco-2012-Sound zuzulassen. Solche Sounds würden die Produktion natürlich auch „kommerzieller“ für Label, Club oder Radio klingen lassen. „Mal ganz ehrlich – all diese Wobbelbass-Sounds sind doch schon 10 Jahre alt. Sie sind nur gerade jetzt populär, aber Dubstep gibt es schon seit mehr als einer Dekade. Und es ist nur ein Trend – nichts was mir persönlich etwas bedeutet. Vielleicht habe ich dagegen rebelliert. Es war definitiv Absicht!“
Sam hat einen charakteristischen Gesangstil und seine Veröffentlichungen zeichnen sich durch ausgefuchste Vocal-Arrangements aus (auch live ist Sam eine echte Empfehlung). Wie hat er seinen Stil entwickelt? „Das Aufwachsen in der Kirche mit Gospel hat sicher teilweise damit zu tun, und mein Interesse geformt, Backgroundvocals zu arrangieren. Kirchen sind ein guter Ort, um Singen zu lernen. Viele der Künstler, die ich damals gehört habe, achten sehr auf ihre Backingvocals – Leute wie D’Angelo oder Prince und Michael und Janet Jackson: Fantastische Arrangements!“ Die Belgier (wo sein Song „Happiness“, der sich besonders durch Gospelartige Chöre auszeichnet, zum Zeitpunkt des Interview gerade auf Platz 1 ist ) lieben also Gospel? „Hmm…“, lacht er. „Denk ich mal – müssen sie dann wohl!“
Tipp: Hier geht es zum Produce-Alike zur Single “Wish I never Met You!”