Fender Kurt Cobain Jaguar als Denkmal?!
Wer Nirvana als eine der wegweisenden Bands der 90er Jahre bezeichnet, der liegt auf jeden Fall richtig. Mitten hinein in die Zeit der Spandexhosen, Glitterhemden, blonden Föhnfrisuren, quietschbunten Instrumenten und den dazugehörigen Posen platzte Kurt Cobain mit seinen Mannen und ließ schnörkellos und nüchtern dem Frust freien Lauf, der sich abseits der Glamourpartys aufstaute. In verschlissenen Klamotten und auf abgerockten Instrumenten spielten sie sich ihren ganzen Zorn von der Seele und machten mit dem Grunge ein neues Genre groß.
Vielleicht zu groß – die Gallionsfigur der Szene, Kurt Cobain, nahm sich das Leben, weil er offensichtlich mit dem Rummel um seine Person nicht klarkam. Geblieben ist die zeitlose Musik der Band und natürlich die dazugehörigen Instrumente, unter anderem seine legendäre Jaguar. Genau dieses 1965er Modell ist es, das Fender nun wieder aufleben lässt und dem Rebell damit ein Denkmal setzt.
DETAILS
Die Gitarre kommt in einem attraktiven schwarzen Vinyl-Koffer, in dem sich neben den obligatorischen Schlüsseln zum Einstellen und einem Tremoloarm auch eine Broschüre findet, in der unter anderem Cobains Techniker Earnie Bailey zu Wort kommt und einige Geschichten aus dem Nähkästchen zum Besten gibt. Natürlich geht er auch auf die Original Jaguar ein. Insgesamt eine sehr lesenswerte Lektüre. Die Gitarre selbst sieht ziemlich mitgenommen aus, in diesem Fall durchaus im positiven Sinne. Fender Mexico hat sich beim Reliken offensichtlich viel Mühe gegeben und steht darin meiner Meinung nach den Fertigungsqualitäten der US-Kollegen aus dem Custom Shop kaum nach. Hier wurde wirklich an fast alles gedacht. Selbst in den Schraubenköpfen findet sich Schmutz.
Einziger Kritikpunkt ist das weiße Binding des Halses. Dieses sieht im Gegensatz zum Rest der Gitarre überraschend frisch aus, sprich, schneeweiß. Wenn man sich schon so viel Mühe macht, sollte das auch konsequent durchgezogen werden. Natürlich stellt sich die Frage, wer denn überhaupt ein auf alt gemachtes Instrument braucht. Das ist selbstverständlich Geschmackssache, aber da es nun einmal eine Replica des Originals ist, geht das für mich vollkommen in Ordnung. Cobains Gitarre kann man getrost als Bastard bezeichnen. Sie hat mit dem ursprünglichen Serieninstrument nicht mehr wirklich viel gemeinsam. Aber zumindest der Erle-Korpus, auf den ein Threetone Sunburst aufgetragen wurde, stammt eindeutig von einer Fender Jaguar.
Zwei DiMarzio Humbucker sorgen für die Tonübertragung, am Steg ein Super Distortion DP 100 und am Hals ein PAF DP 103 36th Anniversary. Die Kappen sind cremeweiß, die Pickups selbst sitzen in schwarzen Rahmen. Die Pickup-Anwahl übernimmt ein Dreiwegschalter im unteren Horn, wie man ihn von Les Pauls kennt. Drei anstelle von zwei Potis sind in der Metallverlängerung des braunen Tortoise-Schlagbretts verbaut. Die oberen beiden steuern jeweils die Lautstärke der Humbucker, der dritte kümmert sich um den “Tone“. Dabei sorgt die Chrome Dome Konstruktion beim Drehen für den nötigen Grip. Im oberen Horn wurde eine sogenannte Rythm-Schaltung verbaut, die die Hauptschaltung im unteren Teil umgeht und auf den Steg-Humbucker zugreift. Zwei Rändelpotis justieren Lautstärke und Ton. Mithilfe der Schaltung lassen sich einige interessante Einstellungen verwirklichen. Kleines Beispiel: In der Strophe wird die Rythm Circuit mit ihrem zurückhaltenden Sound gewählt, geht’s in Richtung Refrain, wird sie einfach deaktiviert und mit der unteren Schaltung losgerockt.
Als Steg dient eine Adjusto-Matic, außerdem ist ein Vintage Style Floating Tremolo an Bord, für das der passende Arm im Koffer beiliegt. Zwei Standard-Gurtknöpfe runden den Korpus hardwareseitig ab.Wirklich interessant ist der Hals. Dieser stammt nämlich ursprünglich von einer Strat und ist mit vier Schrauben bombenfest am Korpus befestigt.Erstaunlich ist, dass die Mensur anstelle von 648 mm lediglich 610 mm misst. Bis auf das weiße Binding präsentieren sich die Zutaten aber keineswegs besonders exotisch: Ein Ahornhals mit Palisandergriffbrett gilt in der Regel nicht unbedingt als Rarität. Die Bundmarkierungen auf dem Griffbrett sind aus künstlichem Perlmutt, schwarze Punkte auf der Halskante helfen ebenfalls bei der Orientierung. Die Halsrückseite ist transparent hochglanzlackiert und ebenfalls auf alt getrimmt. Während sich auf der Kopfplatte sehr authentische Haarrisse finden, wurde weiter unten etwas lieblos mit einem harten Gegenstand zugeschlagen. Aber wer weiß, vielleicht sieht das Original ja genau so aus.Auf der Strat-Kopfplatte prangt übrigens das Spaghetti Fender Logo und der Jaguar-Schriftzug, und sechs geschlossene Gotoh-Mechaniken sorgen für Saitenhalt und -stimmung.
Pedro sagt:
#1 - 15.02.2012 um 23:46 Uhr
Angesichts der im Bericht angesprochenen Mängel und einem UVP von 1.545 EUR, halte ich eine 4,5 Stern Bewertung für deutlich zu positiv.Selbst eine Squier der mittleren Preisklasse kommt heute nicht mit solchen Intonationsproblemen aus dem Werk.
Bassel sagt:
#2 - 16.02.2012 um 20:27 Uhr
Hallo Pedro,
Natürlich ist es ärgerlich wenn ein Instrument schlecht eingestellt geliefert wird (ich musste sie schliesslich zwei mal neu Einstellen), kann aber durchaus passieren. Unabhängig davon ist die Verarbeitung und vor allem der Sound definitiv 4,5 Punkte Wert.
Beste Grüße
Bassel