Interview Sasha

(Bild: © Warner / Sven Sindt)
(Bild: © Warner / Sven Sindt)

Steckbrief

  • geboren 1972 in Soest, lebt seit 2006 in Hamburg
  • als Künstler seit 1998 aktiv unter dem Namen Sasha, Dick Brave & The Backbeats von 2002 – 2004
  • als Komponist und Texter auch tätig für Max Mutzke, Auftragsarbeiten für SAT1 ran, 3 Fragezeichen Film, Ossis Eleven (Film), Lila Lila (Film)


3 Lieblingsplatten:

Elvis Presley “Forever – 32 Hits” (das war die 1. Platte!)
The Feeling “Twelve Stops And Home”
Pearl Jam “Ten”

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Interview

Wie entstehen deine Songtexte?
Bei mir kommt ganz viel aus dem Bauch, ich habe ja auch keine musikalische Ausbildung und kann mir Sachen auch nicht als Notationen vorstellen. Texte entstehen bei mir oft – weil die Melodie meist im Vordergrund steht – mit Fantasy-Englisch. In so einer Art Kauderwelsch (macht es vor), um zu wissen, wie die Rhythmik der Worte sein könnte, wenn ich jetzt welche hätte. Es ist ganz selten so, dass ich einen Satz oder ein paar Zeilen vorher schreibe. Ganz anders als zum Beispiel Pohlmann, der hat immer ein Scribble-Block dabei und schreibt da alle möglichen Gedanken rein, die ihm gerade kommen. Bei mir steht die Melodie im Vordergrund, das ist auch immer das, was mir als Erstes einfällt. Texte schreibe ich dann meist nachher erst zur Melodie und versuche, die Emotionen, die die Melodie bei mir auslöst, in Worte zu fassen. Oder die Emotionen, die den Einfall zur Melodie brachten. Es ist nicht immer ganz einfach, diese beiden Dinge in Verbindung zu bringen, wenn man die Schritte nacheinander macht.
Wann hast du deinen ersten Songtext geschrieben?
Beim ersten Mal, an das ich mich erinnere, einen Text aufgeschrieben zu haben, muss ich irgendwo zwischen 5 und 10 Jahre alt gewesen sein. Damals habe ich mit zwei Kassettenrekordern Mehrspur A-cappella-Aufnahmen gemacht (lacht). Später dann mit 15 Jahren für meine Band “Bad To The Bone” teils gruselige Songs, von denen es glücklicherweise keine Aufnahmen gibt (lacht). Ich hoffe, dass niemand da noch mal irgendwas auskramt! Auch für meine spätere Band “Junkfood”, mit der ich – ich sag mal – sozialkritischen Grunge gemacht habe, war ich als Sänger für die Texte verantwortlich. Die fertige Version eines Textes habe ich aber nicht selten erst im Studio kurz vor der Aufnahme geschrieben. Wir haben damals viel an Wettbewerben teilgenommen, bei denen man Demoaufnahmen gewinnen konnte. Die Band hatte schon eingespielt und es hieß, in zwei Stunden können wir mit den Gesangsaufnahmen anfangen, und ich bin dann schnell noch mal ab ins Auto, um die Texte aufzupolieren.
Du schreibst viel im Team zusammen mit Ali Zuckowski und Robin Grubert. Wie funktioniert das?
Wenn wir zusammen schreiben, arbeiten wir generell als Team, also alle sind gleichberechtigt. Viele Songs beziehungsweise Texte haben wir gemeinsam schon so geschrieben, diese Konstellation funktioniert einfach sehr gut. Wenn ich mit Themen ankomme, ist unsere Arbeitsweise meist so, dass Ali und Robin noch mehr aus mir heraus kitzeln oder mich ermutigen, mich zu trauen. Also wenn man ganz tief in sich bohrt, dann ist das ja eher ein Prozess. Ein Text kann daher in einer Frühfassung schon mal etwas oberflächlich oder vorsichtig sein, aber im Laufe der Zeit merkt man dann: Das muss noch ein bisschen mehr “Eier“ haben.
Es gibt aber auch andere Fälle, in denen wir das Songwriting ganz klar aufteilen. Jeder sammelt für sich Ideen, dann kommen wir zusammen und jeder spielt seine Sachen vor. Das sind meist rein musikalische Ideen. Und wenn wir uns auf Sachen geeinigt haben, dann fangen wir an zu texten. Oder überlegen zunächst nach Themen: Soll der Text eine negative oder fröhliche Aussage haben, was stellt er mit mir emotional an? Manchmal entstehen auch Situationen im Studio, dass einer mal für ne Viertelstunde in ein anderes Zimmer abhaut, weil er gerade einen “Durchmarsch” hat. So mit den Worten “Ich glaube, ich habe eine Idee …” und raus aus der Tür. Das muss man dann so geschehen lassen, solche Momente sind Gold wert, meistens sind danach Texte zu größten Teilen fertig.
Einmal habe ich zusammen mit dem schwedischen Songwriter Peter Kvint geschrieben. Er ist dann irgendwann mal kurz aufs Klo, und als er wiederkam, hatte ich den ganzen Text fertig: zwei Strophen und einen Refrain. Es hat sich gereimt, es war einfach, es war gut … ich dachte: Das ist das Lied, mehr brauche ich nicht! Das ist mir bisher leider aber erst einmal passiert.
Gibt es da vielleicht bestimmte Techniken, Mittel und Wege, um in solche Zustände zu kommen?
Nein, glaube ich nicht, so ein Zustand passiert. Oder auch nicht. Vielleicht könnte man es mit mentalem Training oder so versuchen, aber ich kann das bei mir nicht erzwingen. Wenn ich zum Beispiel mit den Jungs wegfahre zum Schreiben, sagen wir auch immer: Wenn nichts dabei herumkommt, ist es wurscht. Hauptsache wir haben es gemacht, Druck bringt zumindest bei mir nichts. Zumindest nicht Druck von außen. Es gibt aber viele Leute, die unter Druck besser arbeiten können!
Gibt es Orte, an denen du besonders gern oder gut schreibst?
Am liebsten fahren wir weg und mieten uns für zwei Wochen eine Finca auf Mallorca oder so. Fleißarbeit kann man auch zu Hause machen, was bei uns zugegebenermaßen die Texte sind. Aber die Grundideen wie Thematiken oder erste Ansätze für einen Chorus machen wir meistens woanders. Ich fahre auch gern zu meinem Bandkollegen und Produzenten Olli Rüger nach Frankfurt. Da bin ich dann auch woanders, es für mich wichtig “weg“ zu sein. Am liebsten bin ich dort, wo die Ablenkungsgefahren nicht so groß sind. Am liebsten ohne Handy, W-Lan und so weiter. Natürlich kann ich auch in der Großstadt schreiben, aber das ist anders, da kommt etwas anderes bei heraus, denn man ist ständig abgelenkt. Wenn man zu Hause arbeitet, ist immer irgendwas. Wenn man bei anderen Leuten zu Hause ist, ist auch immer irgendetwas. Dann ruft jemand an, dann muss man noch eine Email abschicken, dann ist man in Gedanken schon beim nächsten Termin … da kommst Du nicht zu Potte. Da mache ich lieber drei Tage gar nichts und dafür vier Tage nur Musik, das ist viel besser als eine Woche lang alles nur halb. Deshalb haben so viele Musiker, die ich kenne, alle ein Studio, geben Geld für Miete aus. Die müssen rausgehen, wie “zur Arbeit gehen”. Man könnte ja mit den heutigen technischen Mitteln auch gut von zu Hause aus arbeiten, aber das wollen die nicht und das kann ich gut nachvollziehen. Würde ich ja auch machen, wenn ich mich nur besser mit der ganzen Technik auskennen würde (lacht).
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Was ist dir wichtig in deinen Texten?
Früher waren es auf jeden Fall andere Dinge als heute. “If You Believe” beispielsweise ist ein schönes Lied, aber der Text ist dann doch auch sehr einfach. Was ich jetzt auch nicht weiter schlimm finde, damals hätte ich es auch nicht besser gekonnt. Überhaupt Texte für das Pop-Liedertum zu schreiben war damals auch etwas Neues für mich. Wie gesagt, ich kam mehr aus dem sozialkritischen Grunge. Ich habe mir damals bei dem ersten Album gesagt, dann schreibst du jetzt, worüber alle schreiben: Liebe, Herzschmerz und so weiter. Ich war damals ja außerdem auch mehr Co-Writer, die meisten Songs hatte mein Produzent geschrieben. Heute dagegen will ich lieber mehr von mir erzählen, meine Erfahrungen oder die, die ich aufgesammelt habe, in Worte und Melodien fassen. Das ist in Deutschland aber mit englischen Texten nicht ganz einfach, weil sich kaum jemand damit ernsthaft auseinandersetzt. Dann wird es auch schwer, wenn man mit einem Image lebt, das schon zwölf Jahre alt ist und Veränderungen auf textlicher Ebene gar nicht so wahrgenommen werden. Ich will jetzt auch gar nicht behaupten, dass aktuelle Texte von mir nun “die Neuerfindung der Currywurst” sind, aber für mich ist da auf jeden Fall eine Veränderung passiert. Ich schreibe die Sachen selber und es ist mir wichtig, was drin steht, ich will ehrlich sein. Die Leute reden immer von “Authentizität”, ja, dann meinetwegen authentisch. Diesen Anspruch habe ich an mich selbst, dass es mir gefällt, dass ich sagen kann “das bin ich”. Und wenn es dann schlecht ist, dann bin ich schlecht. Dann lebe ich mit der Verantwortung und den Konsequenzen.
Wie wichtig sind dir Reime?
Sehr! Ich kann leider nicht ohne Reime schreiben und ich muss mich oft dazu zwingen, nicht immer in Reimen zu schreiben, weil es zurzeit total unmodern ist. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, Nicht-Reime zuzulassen. Das gelingt manchmal, wenn ich dieses Fantasy-Englisch benutze und daraus schon Zeilen entstehen, mehr als Zufallsprodukt. Die reimen sich dann nicht immer, haben aber einen so guten Fluss und passen so gut zur Melodie, dass ich den Nicht-Reim dann erlauben kann. Aber ansonsten lebe ich meine ausgeprägte „Reim-Neurose“ immer hemmungslos aus (lacht).
Schreibst du ständig oder mehr in Phasen?
Ich bin nicht jemand, der ständig schreibt. Also wenn ich eine Platte zu promoten habe, dann fahre ich los und promote eine Platte. Dann habe ich überhaupt keinen Kopf für Kreativität. Ich würde das zwar gerne können, so wie Grönemeyer, der von der Bühne kommt, in seinen Bus stürzt und eine neue Idee für ein Lied hat. Ich bin immer zu sehr in einem Element und kann dann nicht ins nächste wechseln. Andererseits kommen Ideen natürlich immer und überall, besonders, wenn ich auf Reisen bin, wenn ich am Bahnhof stehe oder im Flugzeug sitze. Das ist dann immer etwas peinlich, wenn ich mein Telefon heraushole und hineinsinge, um eine Melodie festzuhalten. Wenn ich diese Aufnahmen dann zu Hause abhöre, versteht man meistens keinen Ton, aber es ist immer sehr lustig, besonders wenn ich es Ali und Robin vorspiele.
Benutzt du neben deinem iPhone-Diktiergerät noch weitere Hilfsmittel?
Das Internet ist eine komfortable Hilfe, da gibst du Sachen ein und hast in wenigen Sekunden alle möglichen Möglichkeiten, die es gibt. Bei www.leo.org gibts Übersetzungen in beide Richtungen, auch Synonyme. Ich denke, das benutze ich am meisten. Oder für den Fall, dass man beim Reimen am Rande der Verzweiflung steht und wirklich gar nichts mehr geht, auch mal www.rhymer.com.
Das klassische melancholisch-sehnsüchtige Liebeslied ist ein Feld, das schon fleißig beackert wurde. Aber es gibt immer wieder neue Ansätze, neue Künstler, denen neue Interpretationen einfallen. Welche Namen fallen dir dazu ein?
James Morrison ist eines der besten Beispiele dafür, dass das immer wieder geht! Oder auch David Gray, wenn man es auf die ganz harte Tour will, so auf ganz traurig, das ist schon der Hammer. Ich meine, jeder, wirklich jeder hat schon mal Liebeskummer gehabt in seinem Leben. Und Liedermacher haben dann halt das Talent, das mit ihrer Musik auszudrücken zu können, zu verarbeiten. Dadurch spart man sich vielleicht sogar den Psychiater (lacht), weil man es in Worte fasst, sein Herz ausschüttet auf ein Blatt Papier oder in ein Aufnahmegerät. Ich bewundere die Liedermacher, die immer wieder wunderbare Bilder zu diesem Thema finden. Ich muss gestehen, ich habe noch nicht den perfekten Liebessong gemacht, weil es mir unglaublich schwerfällt. Da ist ein Song von mir, den finde ich ganz schön, er heißt “Good News On A Bad Day”. Er ist aber mehr eine Ode an den besten Freund oder an einen unfassbar guten Menschen, den man mal kennengelernt hat. Ich verklausuliere das nur so, weil es eigentlich ein Liebeslied werden sollte. Aber es passte nicht wirklich in meine derzeitige Situation, ein Liebeslied zu machen. Da kommt wieder die besagte Authentizität ins Spiel: Ich muss verliebt sein oder Liebeskummer, um ein Liebeslied machen zu können. Ich kann es nicht, nur weil ich denke, die Leute fordern ein Liebeslied von mir.
Rein fiktive Texte funktionieren nicht gut?
Doch schon, das kann super funktionieren, aber das will ich nicht! Für mich fühlt sich das aufgewärmt an, über etwas lange Zurückliegendes oder mehr oder weniger Ausgedachtes zu singen. Aber es stimmt, Emotionen kann man ja auch spielen. Also, auf meinem ersten Album habe ich ja nur bei einem oder zwei Songs mitgeschrieben, der Rest kam von meinem Produzenten. Da war ich einfach mehr Interpret, das heißt, ich musste mir die Emotionen irgendwie denken und es so singen, dass man es mir abnimmt.
Was machst du, wenn du festhängst, wenn du einfach nicht weiterkommst mit einem Text?
(Überlegt). Da ich ja meistens nicht alleine bin beim Schreiben, gebe ich das dann an Ali, Robin oder auch andere Leute, mit denen ich zusammenarbeite, ab. Oder ich breche es ganz ab. Klar, es gibt Fälle, da kann es nützten, sich zu zwingen, aber – wie schon gesagt – Druck funktioniert bei mir nicht gut. Druck führt eher nur zu einer Bremse im Kopf, es kristallisiert sich dann alles zusammen und es läuft gar nichts mehr. Dann muss man dafür sorgen, dass der “Pfropfen sich wieder löst”. Zum Beispiel feiern gehen und schön einen ballern, dann ist man am nächsten Tag schön im Eimer und die Schleusen sind auf. Verkatert sein ist super zum Schreiben, finde ich. Ich glaube, ich schreibe die besten Lieder verkatert, da bin ich am emotionalsten, alles ist offen, der Kopf, das Herz. Manchmal ist man dann ja nur dull, aber wenn ich in so einem Zustand erstmal loslege, geht es meistens gut.
Auch eine gute Methode den Kopf freizukriegen ist, einfach mal rausgehen an die Luft, laufen, Sport machen. Das löst Blockaden! Das machen wir auch öfters, wenn wir stundenlang im Studio hocken, mit schmerzverzerrten Gesichtern und denken, “jetzt hab ich’s” – und dann kommt doch nichts. Wenn wir zum Beispiel auf Mallorca sind, gehen wir einfach mal ne Runde schwimmen, um danach neu starten zu können.
Eine weitere Strategie kann auch sein, die Nummer erstmal weglegen und an anderen Songs arbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt fließen die Ideen dann oft wieder.
Gibt es für dich typische Stolpersteine oder Problemteile beim Texten? Die 2. Strophe oder der verflixte C-Teil zum Beispiel?
Ich bin großer C-Teil Freund und auch ziemlich gut darin (lacht), also man könnte mich auch nur für den C-Teil engagieren! Der C-Teil ist zwar nicht das Hauptding in einem Lied, aber den braucht man trotzdem immer. Nicht so gut bin ich im Schreiben von Hooks, also griffigen Refrainzeilen, die ja in Popsongs sehr wichtig sind. Melodien für Hooks gehen mir immer ganz gut von der Hand, aber die Texte für die Refrains überlasse ich gern anderen. Es gibt ja auch gewisse „Top Line Writer“, das sind die Jungs, die wirklich nur die Hook schreiben und die anderen müssen sich dann mit den Strophen herumärgern. Oder „On Track Writer“, Leute, die kein Instrument spielen, aber einfach unheimlich gute Melodien machen. Denen bereitet man ein Playback vor und die machen da dann eine Melodie oder einen Text drauf. Auch mit solchen Leuten habe ich schon im Team gearbeitet.
Strophen texte ich dagegen sehr gerne, das liegt mir mehr. Aber oftmals sind die Strophen dann schon so “hookig”, dass ich absolut nicht mehr weiß, wie ich da nun noch einen Chorus draufsetzen soll. Und dann kommen die Jungs vorbei und machen es. Und ich denke mir: Ja, genau so funktioniert Teamarbeit! (lacht).
Gibt es für dich bestimmte Indikatoren, wann ein Song gut gelungen ist – oder auch nicht?
Mein Song “Lucky Day” war zum Beispiel in seiner ersten Fassung ein mehr Mando Diao artiger Rocksong, der mir wegen seiner Rockigkeit immer gut gefiel. Er hatte auch einen ganz anderen Text, der Refrain drehte sich irgendwie um die Zeile “… better than the rest”, so ungefähr. Der Titel war mit in der Auswahl fürs Best-Of-Album (zwei, drei neue Nummern sollten da mit drauf), aber irgendwie haben wir die ganze Zeit gewusst: So richtig ist es das noch nicht. Wie wussten aber nicht, was es genau war, was nicht stimmte. Auch der Produzent äußerte dann Bedenken und meinte: Geht doch mal in eine andere Richtung, macht mal was Spezielleres, und dann haben wir den Song noch mal komplett umgebaut. Ich habe einfach zur Gitarre gegriffen, ein paar Chords geändert, wir haben Akkordeon eingebaut, um es mehr “zigeunermäßig” klingen zu lassen. So’n bisschen try-and-error-mäßig. Für das neue Feeling des Songs haben wir dann einen neuen Text geschrieben und der Song “Lucky Day” war fertig.
Wie trifft man gute Entscheidungen beim Songwriting?
Ich treffe die besten Entscheidungen immer aus dem Bauch heraus. Und dafür gibt es ja auch ne ganz einfache Erklärung: Wenn man sich gut fühlt bei einer Entscheidung, – und sei es, ob man die teuren oder die billigen Möhren auf dem Gemüsemarkt kauft – geht alles, was danach kommt, leichter von der Hand. Hast du ein schlechtes Gefühl dabei, weil du jetzt beispielsweise die billigen Möhren wegen des Preises kaufst, denkst du dir “die sind jetzt bestimmt nicht so gesund wie die anderen, die schmecken bestimmt nicht so gut …” usw. Und irgendwann hasst man diese Möhren, die man gekauft hat. Kopfentscheidungen gegen das Bauchgefühl sind meistens Mist. Obwohl das nicht immer einfach ist. Ich muss sagen, dass ich sehr viel “Kopf-Kirmes” habe, ständig überlege ich an irgendwas herum, ständig ist irgendwas am Rattern im Kopf.
Hast du eine bestimmte Arbeitsweise deine Texte zu schreiben? Womit beginnst du beispielsweise?
Ich bevorzuge eigentlich immer die Strategie des “auf offenem Ozean Fischens” um dann zu gucken, wo die dicksten Fische sind. Sprich, ein Thema finden und sich von Bildern und Assoziationen, die einem dazu einfallen, inspirieren zu lassen. Mit einem etwas allgemeinen Arbeitstext beginnen, um ihn dann Stück für Stück zu verfeinern. Alles wegtun, was nicht so gut ist, und dann bleibt irgendwann ein Kern übrig. Das kann man sich auch vorstellen wie einen Trichter, der immer enger wird.
Hast du immer auf Englisch geschrieben?
Ja, ich habe nie auf Deutsch geschrieben. Von Anfang an war für mich klar, dass Englisch die Sprache der Musik ist, die ich gerne mag. Ich mochte als Kind auch Schlager, also die guten Schlager. Nicht diese Disco-Schlager, diesen Ballermann-Kram, das finde ich ganz armselig. Es gibt aber diesen schönen Schlager, Conny Francis, Bill Ramsey, so lustigen, gut geschriebenen Schlager, Big Band Schlager und so weiter.
Wie hast du Englisch gelernt?
Ich habe Englisch in der Schule gelernt, muss aber auch gestehen, dass ich dieses Fach nicht bis zum Abi durchgezogen habe. Das meiste Englisch habe ich später von meinem Produzenten gelernt, mit dem ich meine ersten Platten gemacht habe. Pete Smith heißt er, hat auch “Dream Of The Blue Turtles” von Sting produziert. Pete, als Londoner mit leichtem Cockney Akzent, hat mir dann im Studio eine gute Aussprache beigebracht, da hat er sehr drauf geachtet. Mit ihm habe ich dann 1-3 Monate nur Englisch geredet, solange die Produktion halt dauerte, und das hat mir und meinem Englisch sehr gut getan. Und mir auch Mut gemacht, mehr Englisch zu sprechen, besonders wenn englischsprachige Menschen im Raum waren.
Die Deutschen haben ja oft eine große Scheu, Englisch zu sprechen, weil sie denken, sie können es nicht so gut, aber da sollte man sich mal Leute aus anderen Ländern anhören, die können das noch viel weniger gut. Oder wollen es auch gar nicht erst. Ich möchte zumindest immer dazu ermutigen, einfach zu sprechen. Die meisten englischen Muttersprachler helfen einem gerne dabei, es besser zu machen. So war es auch bei Pete Smith damals. Letztlich denke ich aber, das Gefühl für die Sprache hatte ich schon immer, daher fällt sie mir auch nicht wirklich schwer.
Lässt du deine Texte von Muttersprachlern oder Übersetzern checken?
Manchmal mache ich das. Dank des Internets ist man da ja mittlerweile recht cheffig unterwegs, da kann man ja immer schnell mal jemand aus England oder USA drübergucken lassen. Obwohl es da auch wieder Unterschiede gibt: Ein Amerikaner würde einen Text ganz anders beurteilen als ein Engländer, in den USA gibt es Bilder, die es in England nicht gibt und umgekehrt. Das sollte einem immer bewusst sein! Bei professionellen Übersetzern gibt es dann oft das Problem, dass sie einen GEMA-Anteil am Songwriting haben wollen, wenn sie sich einbringen. Was ich total beknackt finde, denn sie sollen nur prüfen, ob das alles grammatikalisch korrekt ist. Es gibt viele Typen, die sich dann “hineinschreiben” und sagen “ich habe da mal ne andere Version draus gemacht, das klingt so besser”. Und dann bekommst du einen völlig veränderten Text wieder. Daher sind solche Leute dann meistens schnell raus aus dem Rennen und ich frage die auch schon gar nicht mehr. Viel besser ist es, wenn der englische Produzent da ist und nachfragt, was ich mit einer bestimmten Zeile sagen wollte. Dann kann schon mal rauskommen, dass ein Wort vielleicht nicht ganz 100%ig passte oder es bessere Möglichkeiten gibt. Dann gibt es die Leute, die sagen “das geht nicht”, wo ich dann auch oft denke: Wieso geht das nicht? Im ganz Groben handelt es sich hier um Lyrik, und da geht eigentlich alles! Es muss nicht immer alles grammatikalisch ganz korrekt sein oder einen Sinn haben. Paul McCartney hat einmal gesagt: “It has to sound good”. Ein tierischer Satz, finde ich, genau darum geht es.
Ist das vielleicht auch das Geheimnis der englischsprachigen Popmusik, dass die englische Sprache einfach gut klingt?
Sie klingt besser, finde ich, sie klingt weicher. Mittlerweile gibt es allerdings auch viele deutschsprachige Künstler, die es schaffen, mit der Aussprache so zu spielen, dass man es gut ertragen kann. Und die natürlich auch lyrisch sehr begabt sind!
… zum Beispiel?
Klar, Grönemeyer natürlich, aber der gehört ja noch zur alten Garde. Clueso finde ich ganz gut. Er hat diesen Dreh raus, sehr einfach zu schreiben, sodass es alle verstehen, aber andererseits auch wieder so ungewöhnlich, dass auch Musiker ihre Freude dran haben. So dieses Prince-Ding, seine Hits sind immer tanzbar und eingängig, aber niemals billig, abgewichst, immer auch anspruchsvoll für Musiker. Und genau diesen Spagat hinzubekommen, das ist für mich die Königsdisziplin. Und davon gibt’s auch ein paar Künstler in Deutschland.
Gibt es weitere Unterschiede zwischen den beiden Sprachen Deutsch und Englisch?
Man traut sich auf Englisch einfacher zu schreiben, weil die Engländer und Amerikaner das auch tun. Wenn man auf Deutsch einfach schreibt, läuft man schnell Gefahr ins Schlagereske abzurutschen. Nimm zum Beispiel den Amy Winehouse Hit “Rehab”. Wenn du das so auf Deutsch singen würdest, lachen dich die Leute aus: “Sie wollen, dass ich in die Reha gehe, aber ich sage nein, nein, nein”. Das könnte dann Mickie Krause singen oder so. Im Englischen klingt so ein Text lässiger, natürlich auch, weil es die coole Drogenbraut singt, aber auch weil einfache Worte im Englischen irgendwie anders wirken.
Wirst du auch mal was auf Deutsch machen?
Ich habe es noch nicht wirklich probiert, aber irgendwann wird es von mir eine deutschsprachige Platte geben. Das möchte ich unbedingt mal ausprobieren. Aber das wird ein hartes Stück Arbeit, da werden die Augen und Ohren sehr auf mich gerichtet sein: „Wie macht er denn das? Und was schreibt er denn für Texte usw.?“ Und dann muss ich auch echt in mich gehen und mir sagen: Du hast dir geschworen, authentisch zu bleiben. Also, so einfach zu sein, wie ich es möchte, und andererseits aber auch so anspruchsvoll, um den Leuten gerecht zu werden, die ich damit erreichen will. Eine hohe Hausnummer!
Was ich machen will, ist tanzbarer, grooviger Pop, der kann mal etwas härter oder softer sein, oder im Ansatz funky, aber nur im Ansatz. Und ich hoffe, dass ich das auch mit deutschen Texten machen kann. Oder anders gesagt: Ich hoffe, dass ich meinen Musikstil nicht ändern muss, nur um auf Deutsch schreiben zu können. Das wäre dann ja auch Quatsch, dann stimmt irgendwas nicht mehr.
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Was hältst du von dieser sicherlich etwas überspitzten, polemischen Darstellung: Das deutsch textende Lager wirft den englisch singenden deutschen Künstlern vor, mit der Fremdsprache ihre textlichen Schwächen kaschieren zu wollen. Das englisch singende Lager kontert, dass die deutsch singenden Künstler mit ihren Texten in der Landessprache von ihren mangelhaften Gesangskünsten ablenken wollen.
(Überlegt kurz). Das habe ich noch gar nicht so wahrgenommen. Ist das so? Aber ich kann das nachvollziehen: In deutschen Bands singen nicht immer die besten Sänger, eher die besten Textschreiber. Und auf die Texte kommt es bei der Musik dann auch an. Es gibt nicht viele deutsche Bands aus dem Pop- oder Mainstream-Bereich, bei denen alles stimmt, also auch das Gesangliche. Vielleicht Juli oder Silbermond  …. Im Indie-, Rock- oder Liedermacher Genre gelten natürlich andere Gesetzmäßigkeiten, ich denke jetzt so an Tocotronic & Co. Aber in der kommerziellen Popmusik, im Mainstream – und ich bin ja Mainstream und stehe dazu – überzeugen mich deutschsprachige Sänger/innen stimmlich eher selten. Viele von diesen Knödelbarden kann ich mir nicht anhören! Die haben meinetwegen gute Texte, aber wenn jemand nicht singen kann, ist das für mich ein Schlag ins Gesicht. Das gilt natürlich auch für englischsprachige Künstler. Es gibt so viele coole Säue, die ich bewundere für ihr Leben, ihre Aussage, für ihre Kompromisslosigkeit, Leute, die ihr Ding durchgezogen haben … aber nicht singen konnten. Und damit sind sie für mich musikalisch raus. Ich würde gerne Bob Dylan, Lou Reed, Bob Geldof mögen, oder die Rolling Stones. Aber ich kann es mir nicht anhören, weil der Typ einfach fürchterlich singt!
Wer textet gut, hast du Vorbilder diesbezüglich?
Ich bin großer Fan der Band “The Feeling”, die machen schöne, einfache Texte und sagen viel damit. Oder auch Jason Mraz, eine Zeile aus “I’m Yours”, in der er beschreibt, wie er vorm Spiegel steht und sich seine Zunge anguckt, finde ich super: “I’ve been spending way too long checking my tongue in the mirror, and bending over backwards just to see it clearer”. Das finde ich so schön unprätentiös: Ein Typ steht vorm Spiegel, guckt sich seine Zunge an, macht ein bescheuertes Gesicht, lacht und geht weg. Das finde ich smart, so etwas zu schreiben.
Kann man das Texten lernen, so wie ein Instrument, oder ist das eine kreative Begabung, die man entweder hat oder nicht?
Beides geht. Es gibt die Fleißarbeiter, die sich ein gutes Wissen um Kniffe und Tricks durch reine Übung und gutes Zuhören angeeignet haben. Denn üben kann man es, genau wie das Singen. Jeder hat ja Stimmbänder und eine musikalische Grundbegabung. Bei den meisten ist sie nur eingeschlafen oder nie geweckt oder gefördert worden. Das heißt aber nicht, dass alle Menschen auch schön singen können, man muss sich da nur mal die einschlägigen Castingshows im Fernsehen anschauen. Und genauso gilt auch, dass nicht jeder, der lesen und schreiben kann, auch ein guter Texter ist.
Bei Texten ist es so, glaube ich, dass man eine kreative Grundbegabung, braucht, um wirklich gute Songs zu schreiben. Man muss die Schnittstelle sein, die vieles miteinander verbinden kann.
Am besten ist aber eine Kombination von Fleiß und Begabung. Ich bin leider nicht besonders fleißig, deshalb schreibe ich auch immer gern mit Leuten zusammen. Einerseits, um Arbeit aufzuteilen, andererseits, weil ich immer jemand brauche, der mir in den Arsch tritt. Ich glaube ich könnte schon sehr viel besser sein, wenn ich nur nicht so faul wäre! (lacht)
Was macht einen guten Texter aus?
Man muss Dinge verbinden können, als Texter bist du die Schnittstelle zwischen Musik und Konsument. Der Text muss immer mit der Musik zusammen eine Einheit ergeben und darf auf keinen Fall herausfallen. Ja, manchmal reicht es sogar auch aus, wenn der Text einfach nur nicht stört. Es gibt ja auch Musik, die ist so gut, dass, wenn man dazu einen Text machen würde, die Musik kaputtginge. Zum Beispiel bei klassischen instrumentalen Stücken, die einfach so schon perfekt sind. Oder auch Sachen von Glen Miller. Dazu hätte niemals gesungen werden dürfen! Aber es kann auch genau umgekehrt sein, dass der Text das Lied noch einmal um eine ganze Schippe aufwertet. Das ist die große Aufgabe des Texters! Ein Beispiel: “Die perfekte Welle” von Juli wäre ohne diesen Text, gepaart mit der Melodie, sicherlich nicht so ein Hit geworden. Eine perfekte Einheit von Melodie und Text!
Vielen Dank für das Interview!
Hot or Not
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(Bild: © Warner / Sven Sindt)

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