Vielen Gitarristen wird es beim Anblick der ersten Relics aus dem Fender Customshop so gegangen sein wie mir. Ein großes Fragezeichen erschien vor meinem geistigen Auge und die dazugehörige Frage gleich hinterher: Was um alles in der Welt ist das? Die unbezahlbare Originalgitarre von Hendrix, Page oder Beck? Nein? Ein Nachbau? Dann aber verdammt gut gemacht, alle Achtung! Aber wozu?
Nicht nur Gitarristen altern mit jedem Tag, auch Gitarren tun das. Und die Zeit graviert nicht nur einem Keith Richards die Spuren eines erfüllten Lebens im Rock ‘n’ Roll ins Gesicht. Auch manche Instrumente haben das Glück, ihre Narben in Ehren zu erwerben, nächtelang in innigem Kontakt mit riesigen Gürtelschnallen und glühenden Kippen, in Hektolitern von Schweiß zu baden, Tausende von Menschen zum Weinen oder Lachen zu bringen, geliebt und gehasst und gestreichelt oder getreten zu werden. Es sind die Ikonen der Stromgitarren, unter Rock-Gourmets mindestens genau so berühmt wie ihre Besitzer. Die anderen, die dieses Glück nicht haben, enden blank geputzt wie ihre Spieler im Musikantenstadl. Aber von Letzteren soll hier nicht die Rede sein, denn ihnen fehlt das, was man versucht, den Nachbauten der Originale künstlich einzuhauchen: Charisma. Und was vor einigen Jahren bei vielen von uns noch auf Unverständnis stieß, hat sich inzwischen zu einer erfolgreichen Sparte vor allem im E-Gitarrensektor entwickelt. Auch wenn es zuerst einmal aberwitzig erscheint, krachneue Gitarren wie im Fall der Relic-Instrumente von Fender aufwendig mit den Zeugnissen der Zeit zu versehen und mit Schmirgelpapier und allerlei sonstigen Utensilien zu zerkratzen, anzubrennen und mit Rost und Dellen zu veredeln, so sicher ist es, dass sich kein ambitionierter Gitarrist der Ausstrahlung eines dieser berühmten Originale entziehen kann. Und ob man es nun mag oder nicht: Auch ein gut gemachtes Remake bleibt nicht ohne Wirkung. Und wer sich immer noch nicht mit dem Gedanken abfinden kann, der sollte zuhause einfach einmal nachzählen, wie viele Picassos, Dalis und Monets die Wände zieren – als Kunstdruck versteht sich, denn die Originale sind bekanntermaßen genau so unerreichbar wie die Originalgitarre von Hendrix und Co. Sind die Nachbauten aus dem Fender Custom Shop preislich in etwas gehobenen Regionen angesiedelt – kein Wunder angesichts des aufwendigen „Agings“ – so bietet die neue, in Mexiko gefertigte Road Worn Serie seit der Frankfurter Musikmesse 2009 für relativ wenig Geld den Einstieg in diese Sparte.
Wir wollten wissen, ob die überwiegend Maschinen-geagten Strats und Teles tatsächlich etwas von dem Vintage-Flair mitbringen, das sie zumindest optisch mit sich tragen. Zu diesem Zweck haben wir uns eine Kopie der legendären 50er Strat aus besagter Serie besorgt und in unserem bonedo Testlabor auf Herz und Nieren geprüft. Wir wollten der großen Frage auf den Grund gehen, ob sie nur als Staffage fürs Bandfoto taugt oder tatsächlich noch Gemeinsamkeiten mit ihrer Ur-Mutter hat.