Sequenzer und Arpeggiatoren sind seit den ersten Synthesizern wichtige Helfer beim automatischen Spielen. Ob als Ersatz für rar gesäte Keyboarder, als sturer Arpeggio-Spieler, der nie müde wird, oder schlicht als Trigger für all die Synthesizer, die zwar ohne Ende Knöpfe, aber kein eigenes Keyboard haben – diese Devices haben viele Einsatzgebiete. Auch in vielen Soft-Synths und in den meisten DAWs gibt es sie, meistens sind sie aber weit weg von echten Musikern, die auch mal aus der Reihe tanzen. Anders in Ableton Live 10.
Ableton hat ihrer DAW Live in der Version 10 gleich zwei kostenlose Zusatz-Packs spendiert, die eine Vielzahl weitaus komplexerer MIDI-Devices mitbringen, die die DAW fast schon zum Mitmusiker machen. So kann man jede kreative Blockade umgehen, Instrumente so spielen lassen, wie man es selbst nie könnte und sich von der Maschine inspirieren lassen. Im Workshop stellen wir euch einige der Devices und Möglichkeiten vor.
Details
Creative Extensions
Live 10 war noch nicht lange auf dem Markt, da schob Ableton die Creative Extensions nach, ein kostenloses Pack mit acht Max4live-Devices: Den zwei Synthesizern Bass und Poli, den fünf Audioeffekten Color Limiter, Gated Delay, Pitch Hack, Re-Enveloper und Spectral Blur und dem MIDI-Effekt Melodic Steps. Letzterer ist ähnlich wie ein Arpeggiator und wird in Live vor den Instrumenten in der Spur platziert. Anders als ein Arp braucht Melodics Steps aber keine MIDI-Noten als Input, sondern generiert diese selbst.
Sobald ihr Melodic Steps geladen habt und „Play“ drück, legt das Device los. Rechts stellt ihr Grundton und Tonart ein, die sieben Kirchentonarten sind dabei, dann links in den fünf Zeilen vieles, was man aus Arpeggiatoren kennt. Oktave hoch und runter, Halbtöne transponieren, Notenlänge, Velocity und Chance, wo man für jeden Step die Wahrscheinlichkeit einstellt, mit der er gespielt wird oder nicht.
Das Besondere: Jede der fünf Zeilen kann per Rechtsklick eine unabhängige Länge bekommen. Zum Beispiel kann die Oktaven-Zeile nach fünf Achteln vorbei sein, die Transpostions-Zeile nach drei, die Length-Zeile nach sechzehn, die Velocity nach zwei und die Chance-Zeile nach vier. Da jede Zeile zu einem anderen Zeitpunkt auf Anfang springt, bekommt ihr polyrhythmische Melodien en masse. Wem das Einstellen zu kompliziert ist, der kann über die zwei Würfel neben jeder Zeile zufällige Werte erzeugen.
Falls ihr das, was Melodic Steps „spielt“, aufnehmen wollt, die MIDI-Noten also später bearbeiten können wollt, stellt in Live in einer zweiten MIDI-Spur den MIDI-From-Input auf die Spur ein, auf der der Effekt liegt und schaltet beide scharf (per CMD/Strg-Klick). So geht euch nichts verloren und ihr könnt hinterher noch an den MIDI-Noten verändern, was euch nicht passt.
Probability Pack
Später veröffentlichte Ableton ein von den Max4Live-Tüftlern Sonic Faction zusammengestelltes Pack, das Probability Pack (ebenfalls kostenlos für alle Nutzer der Standard und Suite-Versionen). Probability, zu Deutsch Wahrscheinlichkeit, brachte fünf Max4Live-MIDI-Devices mit, die alle auf sehr kreative und ungewöhnliche Art und Weise neue Melodien und Rhythmen erzeugen.
Bei Melodic Probability kann man die Funktionsweise aller Parameter mit dem Chance-Parameter von Melodic Steps vergleichen. Jeder „Step“, also jede Notenhöhe, -länge und Velocity, bekommt eine Wahrscheinlichkeit, ob er getriggert wird und ist von Takt zu Takt verschieden. Grundprinzip: Zufallsmusik.
Das Rhythmic Probability Device geht das Prinzip noch einen Schritt weiter. Es ist anders als die meisten Arpeggiatoren und Sequence-polyphon, kann also mehrere MIDI-Noten gleichzeitig erzeugen, sprich Akkorde. Und für jede Note lassen sich Wahrscheinlichkeiten für Erzeugung, Velocity und Länge einstellen. Mit der richtigen Varianz hat man auch hier minutenlange Variationen.
Die polyphonen Devices Probability Arp und Step Divider eignen sich ähnlich wie Rhythmic Probability hervorragend für mäandernde Klavierlinien und Glockenspiel-Eskapaden. Mit ein wenig Verstellung der jeweiligen Parameter kommt man in Sphären, wo selbst Keith Jarrett irritiert zur Seite schaut und die Maschine um ein Autogramm bittet. Wieder gilt bei beiden: Jedem „Schritt“ lässt sich eine Zufälligkeit zuweisen, nach der er getriggert wird. Auch wenn oft stark dissonante Ergebnisse herauskommen, ist der Einsatz dieser Devices in etwa zu vergleichen mit einem Studiomusiker, den man lange auf einer Akkordfolge oder Melodie herum jammen, dabei die Aufnahme mitlaufen lässt und daraus dann das Beste als Idee nimmt. Nur ohne Zigarettenpause.
Zu guter Letzt: Kombiniert, was das Zeug hält! Wie schon in den insgesamt gut 60 fertigen Instrumenten und Devices eindrucksvoll angedeutet, lassen sich die verschiedenen Devices auch hervorragend hintereinander platzieren. Etwas Vorsicht ist geboten, trotz aller Neuinstallation und Gesprächen mit dem Support wird Live ab einer gewissen Menge von Max4Live-Devices leider kräftig instabil, speichert also oft.
Ihr seht, auch in der schlimmsten Kreativblockade gibt es umfangreiche Hilfen. Und immer gilt: Das hier ist erst der Anfang. Jeden Part könnt ihr als MIDI- oder Audio-Clip aufnehmen, um diesen dann noch mal durch dieselben oder andere Effekte zu jagen. Dabei wird oft schräg oder scheppernd Klingendes herauskommen, manchmal jedoch werdet ihr etwas hören, bei dem euer Herz höherschlägt. Das ist euer Sound. Euer Sounddesign.