In der letzten Folge hast du erfahren, wie man die Töne zwischen den Stammtönen in Notenschrift notiert und spielt. Dabei haben wir uns der Schreibweise mit Kreuzen bedient, bei der ein Zwischenton immer als Erhöhung des vorhergehenden (tieferen) Stammtons angesehen wird. Wollen wir auf diese Weise den Ton zwischen c und d benennen und aufschreiben, erhöhen wir einfach c zu cis (c#).
Heute geht es um die zweite Möglichkeit, Zwischentöne zu bezeichnen und zu notieren, die in der Musik genauso häufig vorkommt.
Enharmonische Verwechslung
“Enharmonische Verwechslung” nennen wir das Phänomen, das für die Tatsache steht, dass ein- und derselbe Ton mehrere Namen haben kann. Nehmen wir uns noch einmal das gerade erwähnte Beispiel vor:
Der Ton zwischen c und d soll notiert werden. Neben der Möglichkeit, c zu cis zu erhöhen, können wir den Zwischenton auch aus der anderen Richtung “anvisieren”. Da der Ton genau zwischen c und d liegt, ist es ebenso möglich, ihn als erniedrigtes d anzusehen. Erniedrigten Tönen wird im Normalfall die Endung “es” angehängt. Somit können wir diesen Zwischenton genauso gut als “des” bezeichnen. So wie wir zur Erhöhung von Tönen das Kreuz benötigen, ist für deren Erniedrigung ein b-Zeichen erforderlich, das einerseits den ausgeschriebenen Notennamen ersetzt (des = db), zum andern der Note d vorangestellt wird.
Die Töne “cis” und “des” sind in der von uns verwendeten “temperierten Stimmung” trotz völlig unterschiedlicher Noten und Bezeichnungen identisch.
Alle Zwischentöne können auch mittels Erniedrigung des nächsthöheren Stammtons dargestellt werden, sodass diesen immer alternativ zwei Namen und zwei unterschiedliche Noten zugeordnet werden können. In Bsp. 2 ist jeder Zwischenton jeweils auf zwei Arten notiert, einmal mittels Erhöhung des vorhergehenden, einmal durch Erniedrigung des nachfolgenden Stammtons.
Für dich ausgesucht
Bei der Bezeichnung der erniedrigten Töne ist es leider nicht ganz so einfach wie bei der Erhöhung, wo wir einfach ausnahmslos immer die Endung “is” anhängen mussten. Bei der Erniedrigung von Tönen gibt es Ausnahmen von der Regel, “es” anzuhängen. Ein erniedrigtes “d” heißt “des”, aus “e” wird “es”, aus “g” “ges”. Die Note “a” wird hingegen durch Erniedrigung zu “as” und jetzt kommt das Schlimmste: “h” wird durch Erniedrigung zu “b”. Diese Bezeichnung ist natürlich rein logisch nicht zu begründen. Schlimm genug, dass man im Deutschen den international üblichen Stammton “b” zu “h” gemacht hat. Aber dass man dann dessen Erniedrigung nicht wenigstens konsequent als “hes” bezeichnet, sondern nun doch wieder den Buchstaben “b” ins Spiel bringt, macht die Verwirrung komplett.
Die internationalen Bezeichnungen lauten “B” (für den Stammton!) und “Bb” (gesprochen b-flat) für den erniedrigten Zwischenton. Auch die Groß- und Kleinschreibung der Notennamen gibt es in den meisten anderen Ländern nicht. Vereinzelt liest man auch im Deutschen schon von “B” und “Bes”, was meines Erachtens zu Befürworten ist. Ich habe mich hier aber für die derzeit offizielle deutsche Schreibweise mit “H” (Stammton) und “B” (erniedrigt) entschieden.
Die bei der Benennung der erniedrigten Töne existierenden Ausnahmen müssen uns glücklicherweise bei der Notation und dem Lesen derselben nicht weiter kümmern, hier funktioniert alles genau nach demselben Schema: Wir stellen dem nächsthöheren Stammton ein b-Zeichen voran.
In der letzten Folge haben wir Schritt für Schritt die chromatische Tonleiter auf jeder Saite geübt, wobei wir die bis zu diesem Zeitpunkt neuen Töne mittels Erhöhung mit Kreuzen dargestellt hatten. Heute werden wir diese Arbeitsschritte wiederholen, wobei wir diesmal die Zwischentöne konsequent mit erniedrigten Stammtönen und “Bs” darstellen werden.
Die Töne auf den unteren beiden Saiten
Die beiden Zwischentöne auf der ersten Saite bezeichnen wir diesmal nicht als fis’ (f#’) und gis’ (g#’), sondern enharmonisch verwechselt als ges’ (gb’) und as’ (ab’).
So sieht die neue Schreibweise im Notensystem aus:
Ein auf ges folgendes g muss mithilfe eines Auflösungszeichens kenntlich gemacht werden, sofern es im selben Takt steht. “Bs” werden nach denselben Regeln aufgelöst wie Kreuze.
Nun folgen wie gewohnt drei Praxisbeispiele mit den Tönen der ersten Saite:
Auf der zweiten Saite ergeben sich durch enharmonische Verwechslung aus cis’ und dis’ die Töne des’ (db’) und es’ (eb’).
Die umgedeuteten Töne sehen als Noten natürlich wieder völlig anders aus:
Es folgen drei Übungen:
In den folgenden Beispielen kombinieren wir die Töne der unteren beiden Saiten.
Hier alle zehn Töne in der Darstellung auf dem Griffbrett:
Bei der Notenschreibweise fällt auf, dass wir bei einer chromatisch aufsteigenden Tonfolge wie hier sehr viele Versetzungszeichen benötigen. Jeder erniedrigte Zwischenton muss unmittelbar danach wieder zum folgenden Stammton aufgelöst werden.
In diesem Fall wäre die Schreibweise mit Kreuzen eigentlich praktischer. In der nächsten Folge werden wir uns eingehender mit der Frage beschäftigen, warum es Kreuze und Bs gibt und wann welche Schreibweise vorzuziehen ist.
Die Töne auf den mittleren beiden Saiten
Auf der dritten Saite (wie immer von unten gezählt) spielen wir wie gehabt erst mal nur vier Töne, daran ändert auch die enharmonische Verwechslung nichts.
Aus dem Ton gis wird as, ais wird zu b umgedeutet.
So sieht das dann in Notenschrift aus:
Kommen wir wieder zu ein paar Übungsbeispielen, welche die neuen Noten beinhalten.
Auf der vierten Saite machen wir aus den Tönen dis und fis nun es und ges.
Und das Ganze zum Vergleich als Noten:
Auch die Töne auf der vierten Saite wollen wir im Folgenden mithilfe dreier praktischer Beispiele üben.
Als nächstes geht es darum, die Töne der mittleren beiden Saiten zu kombinieren.
Auch dazu gibt es wie immer drei kurze Notenbeispiele:
Die Töne auf den oberen beiden Saiten
Auf der fünften Saite werden die Töne Ais und cis enharmonisch verwechselt zu B und des.
Wie könnte man neue Töne besser lernen als mithilfe einiger Übungsbeispiele?!
Auch auf der sechsten Saite deuten wir die Zwischentöne um: Fis wird zu Ges und Gis wird zu As.
Nun wollen wir auch noch die Töne dieser letzte Saite mit ein paar Übungen trainieren:
Im nächsten Arbeitsschritt kombinieren wir nun auch die oberen beiden Saiten.
Die folgenden Übungen bestehen aus den Tönen der fünften und der sechsten Saite.
Damit kommen wir schon zum Ende der heutigen Workshop-Folge. Ich empfehle dir, alle Notenbeispiele zuerst sehr langsam zu spielen und erst allmählich das Tempo zu steigern. Exaktheit ist hier wie so oft wichtiger als Geschwindigkeit. Die kommt mit zunehmender Routine von ganz alleine.
Ich weiß, Versetzungszeichen (Kreuze, Bs und Auflösungszeichen) erschweren die Lesbarkeit erheblich, aber man gewöhnt sich schnell daran. Denke nur daran, wie es einst war, ein Buch lesen zu lernen und wie schnell du heute (hoffentlich) lesen kannst! Das funktioniert mit Noten genauso, du musst es nur regelmäßig praktizieren und möglichst nicht schummeln, indem du ein Notenbeispiel auswendig lernst oder aus dem Gedächtnis spielst!
Daher empfehle ich dir, dich nicht zu lange mit einer einzigen Übung aufzuhalten, sondern ständig zu wechseln. So zwingst du dich, wirklich lesen zu müssen.
Wie immer gibt es zum Abschluss noch eine längere Noten-Etüde über alle sechs Saiten, viel Spaß damit!
Für noch mehr Übematerial zu diesem Thema empfehle ich die Videos und PDFs auf meiner Seite “gitarrenvideounterricht.de”!
Viel Spaß damit!
Christian
flow sagt:
#1 - 04.05.2016 um 13:27 Uhr
alleine das du das h einfach mal so zum b machst (wenn ich das hier richtig verstanden habe) macht den artikel für mich als anfänger unbrauchbar.
du erzählst erst wie verwirrend das alles ist und machst dann genau das???
...kopfschüttel..
flow sagt:
#1.1 - 04.05.2016 um 13:30 Uhr
fast richtig... nicht h zum b sondern a# zum b...
Antwort auf #1 von flow
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenRob sagt:
#1.1.1 - 06.05.2016 um 16:09 Uhr
Sag mal flow, hast Du eigentlich generell alles verstanden? Vielleicht kommst Du mit Höflichkeit und Freundlichkeit sowieso ein wenig weiter?Christian hat doch alles bereits gut erklärt. Es ist leider verwirrend mit den vielen b und h und das muss man auseinanderhalten:Was hat der Ton ais mit dem Ton b (nicht dem Versetzungszeichen "b"!) zu tun?
Sie sind enharmonisch die gleichen Töne. Aus dem Versetzungszeichen "b" vor dem Ton h wird dann der Ton b.Es gibt also das Versetzungszeichen b und den Ton b, wie ja Christian schon geschrieben hat. Das muss man dringend unterscheiden.In Deutschland gibts in der Tonleiter den Ton h, in den Niederlanden und im englischsprachigen Raum anstelle den Ton b.International werden Notennamen - die also nicht deutscher Herkunft sind -, in der Tonleiter immer mit den Ton b anstelle des h (in Deutschland) benannt.Das Versetzungszeichen "b" oder "#" ist aber überall gleich, somit ergeben sich halt dann unterschiedliche "Namenkonstellationen", die gerne mal verwirrend sind.
Antwort auf #1.1 von flow
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenGitarrenvideounterricht sagt:
#1.2 - 04.05.2016 um 14:43 Uhr
Es gibt leider immer wieder Verwirrung um die Töne h und b. Ich mache hier nicht das h zum b, denn wie du siehst, tauchen beide Bezeichnungen in den Griffbildern auf. Ich habe mich bei diesem Workshop für die deutsche Schreibweise entschieden, dabei existieren h und b. Der Ton b ist dabei wirklich derselbe wie ais (a#), also einen Halbton tiefer als h. Ist es damit klar?
Antwort auf #1 von flow
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