Als Nord – damals noch unter dem Namen Clavia – 2003 mit dem Nord Modular G2 die zweite Generation ihres virtuell-analogen Modularsystems vorstellte, war so etwas wie eine Wundermaschine geboren. Ein frei konfigurierbarer modularer Synthesizer, dessen knapp 160 Module auf einer eigenen, rechenstarken Hardware laufen und der mit seinen vier Ein- und Ausgängen als modulares Effektgerät eingesetzt werden kann. Das Ganze natürlich polyphon, multitimbral und speicherbar.
Das bis heute entscheidende Merkmal ist jedoch die Verbindung von Hard- und Software. Denn die Keyboard-Varianten des G2 verfügen über eine ebenso frei konfigurierbare Oberfläche. Dazu gehören fünf Displays und 240 Controllern mit Endlos-LED-Reglern – alles im Direktzugriff. Damit sind sie nicht nur die ultimative Steuereinheit für den G2 selbst, sondern auch für alles, was man per MIDI steuern kann. Alles zum Clavia Nord Modular G2 Vintage hier in unserem Vintage Synth Special.
Hintergrundinfo zum Clavia Nord Modular G2
Der Clavia Nord Modular G2 war die ultimative Entwicklungsstufe des bereits sehr leistungsfähigen Nord Modular der ersten Generation. Er ist auch bis heute in einigen Bereichen unerreicht. Trotz hymnischer Reviews und einer sehr starken User-Gemeinde war dem G2 kein durchschlagender Erfolg beschieden. Bis heute gilt er allerdings als eine Art Geheimtipp, dem gelegentlich die eine oder andere Schwäche nachgesagt wird. Das wiedererwachte Interesse an modularen Synthesizern, neue Erkenntnisse über den Nord G2 selbst und auch die Renovierung von Native Instruments Reaktor auf Version 6 legen es nahe, den Clavia Nord Modular G2 und seine Stärken und Schwächen noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.
Details & Praxis
Das Konzept des Clavia Nord Modular G2
Die modularen Synthesizer von Nord gab es in verschiedenen Varianten, aber immer mit dem gleichen Konzept. Mithilfe eines Software-Editors stellt man sich am Computer aus vielen verschiedenen Modulen seinen eigenen Synthesizer, MIDI-Controller oder Effektgerät zusammen. Dies überträgt man dann per MIDI (Generation 1) oder USB (G2) auf die Hardware. Und die nimmt man dann unabhängig vom Computer zu Gigs mit und spielt sie dort. So hat man das Beste aus zwei Welten: die komfortable Programmierung am Computer und ein rechnerunabhängiges, stabiles System mit Controllern, Displays, Audio-Ein- und Ausgängen sowie MIDI-Anschlüssen auf der Bühne.
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Unterschied zu anderen Hardware-Synthesizern
Anders als bei fast allen Hardware-Synthesizern handelt es sich beim Clavia Nord Modular G2 also nicht um einen vorkonfigurierten Synthesizer mit mehr oder weniger umfangreichen Modulationsmöglichkeiten. Sondern vielmehr um eine Maschine, die man sich selbst am Computer zusammengestellt hat. Oder von anderen übernommen hat, denn natürlich gab und gibt es von Nord und der eingeschworenen Nutzergemeinde viele Zusammenstellungen von Modulen, die man einfach laden und als Ausgangspunkt für eigene Kreationen verwenden kann. Ganz im Sinne modularer Synthesizer werden diese Zusammenstellungen „Patches“ genannt. Wobei der G2 in seinen vier „Slots“ bis zu vier Patches laden kann, die zusammen in einer „Performance“ gespeichert werden können. Die Patches sind zudem nur wenige Kilobyte groß, da keine Samples, sondern nur Konfigurationsinformationen gespeichert werden.
Clavia Nord Modular G2: Software Editor und Module
Schauen wir uns erst einmal die verschiedenen Möglichkeiten der Software an. Der Nord Modular G2 bietet ungefähr 160 verschiedene Module, die in 16 Gruppen vorsortiert sind. Diese zieht man einfach per Maus auf das Patchfenster und verbindet sie dann mit virtuellen Patchkabeln miteinander. In der nächsten Abbildung sehen wir so eine kleine Zusammenstellung, bei der ein Oszillator in ein Multimodefilter, dessen drei Ausgänge in einem Mixer nach Gusto gemischt werden und dann den Audioausgang erreichen. Man kann hier schon erkennen, dass einige der Module ziemlich umfangreich ausgestattet sind. Der Oszillator hat fünf Schwingungsformen mit zwei exponentiellen (Pitch) und einem linearen (FM) Frequenzmodulationseingang, Pulsbreitenmodulation und Sync. Das selbstresonierende Multimodefilter kann zwischen 6 dB/Okt. und 12 dB/Okt. umgeschaltet werden und hat auch zwei FM-Eingänge, zudem lassen sich alle Modi des Filters gleichzeitig verwenden.
Mit wenigen Handgriffen entsteht ein einfacher Synthesizer
So kann man mit wenigen Modulen einen einfachen subtraktiven Synthesizer aufbauen. Das folgende Bild zeigt einen Synthesizer mit einer Kombination aus Rechteck- und Sägezahnoszillator mit zusätzlichem Sinus-Suboszillator (rot), der über ein Tiefpassfilter (gelb) in eine ADSR-Hüllkurve (grün) und dann zu den Ausgängen geführt wird. Ein einziger LFO moduliert die Pulswelle, die Oszillatorfrequenz und die Filterfrequenz.
Wer mehr LFOs möchte: Einfach einbauen! Wer einen zweiten Envelope für das Filter möchte: Einfach einbauen! Wenns dann noch um Effekte geht: Am besten im FX-Fenster einsetzen, denn alles, was im oberen Bereich ist, gilt für jede Stimme einzeln. Was im FX-Bereich angesiedelt ist, gilt dagegen für alle Stimmen gemeinsam und verbraucht so weniger Rechenleistung.
Mehr Module – mehr Synthesizer
Das nächste Bild zeigt bereits einen kompletten Synthesizer. Der gleiche Aufbau wie oben, mit zwei Oszillatoren und Suboszillator, einem Tiefpassfilter und einem ADSR-Envelope. Jetzt aber auch noch mit zwei LFOs, einem weiteren AD-Envelope für das Filter und mit Chorus (lila) und Reverb (hellgrün) Effekten.
Konzeptvergleich mit Hardware
Das alles kann man durchaus mit einer einfachen Kiste aus den 1970er oder 1980er Jahren vergleichen, hat aber eine erheblich höhere Polyphonie. In diesem Fall, bei einem ausgebauten Clavia Nord Modular G2, nämlich 32 Stimmen. Die Polyphonie übrigens hängt beim G2 von der Komplexität des Patches ab. Wer das mit einem analogen Modularsystem nachbauen will, ist allein für die Module recht viel Geld los. Hat dann aber noch kein Chassis und keine Stromversorgung, keine Controller, kein MIDI und auch noch keine vier Audio-Ein- und Ausgänge. Und vor allem, das Ganze ist erstmal nur monophon und lässt sich nur polyphon erweitern, wenn man ein Vielfaches an Geld in die Hand nimmt. Außerdem muss im Chassis noch Platz sein und das Netzteil noch genügend Leistung bereitstellen. Auch speichern lässt sich nichts. Die Idee, einen modularen Synthesizer virtuell umzusetzen, hat also viele Reize.
Nord Lead bildet Basis für den Clavia Nord Modular G2
Was die klangliche Qualität angeht, sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Nord Lead nicht umsonst für Furore gesorgt hat. Er ist jener Synthesizer von Clavia, der den Begriff „virtual analog“ überhaupt erst definierte und die technische Basis für den Nord Modular bildete. Der Clavia Nord Modular G2 ist technisch auf dem Stand des Nord Lead 2X, rechnet intern mit 96 kHz / 24 Bit für Audiosignale und verfügt über die gleiche Technik. Und natürlich auch über das Filter des Nord Lead. Allerdings gibt es eine wesentlich größere Auswahl an Modulen. Die Filtersektion bietet beispielsweise satte zehn verschiedene Filter und drei verschiedene EQs zur Auswahl. Bei den Oszillatoren stehen sogar 17 verschiedene Module zur Auswahl.
Viele Oszillatoren-Varianten
Ganz links die „normalen“, rot gefärbten Oszillatoren, die sich in der Ausstattung unterscheiden und so mehr oder weniger Rechenleistung verbrauchen. Ganz klar, die Grundschwingungsformen sowie einige Verwandte stehen zur Verfügung und diverse Frequenzmodulationen, Pulsbreitenmodulation, Sync und Crossmodulation sind alle kein Problem. Ein wenig spezieller wird es beim Phasenmodulationsoszillator, also der Syntheseform, die von Yamaha als FM verkauft wurde. Noch komplexer sind die Shape-Oszillatoren, die zwischen verschiedenen Schwingungsformen modulieren können. Damit kann man also schon auf der Oszillatorebene den Klang fast nach Belieben formen. Insgesamt stehen acht verschiedene Shape-Oszillatoren zur Verfügung. Ein weiteres Schmankerl ist auch die Möglichkeit der Through-Zero-FM, die in analogen Modularzirkeln gerade sehr in Mode ist. Gelb eingefärbt sind die drei Rauschgeneratoren, die es als gefiltertes Rauschen, metallisches Rauschen und in der einfachen Version mit Übergang vom hellen weißen Rauschen bis zu einer recht dunklen Variante gibt.
Karplus-Strong , FM & Co.
Grün eingefärbt sieht man zwei Percussion-Oszillatoren, beziehungsweise einen einfachen Percussion-Oszillator und einen eigenständigen Drum-Synthesizer mit Presets. Ein besonders schönes Exemplar ist der lilafarbene String-Oszillator, der auf der Karplus-Strong-Synthese basiert. Für weiterführende Aufgaben gibt es den grünlichen Masteroszillator und auf der rechten Seite in Blau einen Operator und einen DX-Router. Man ahnt es schon, hier werden der Yamaha DX7 und andere FM-Synths wieder belebt. Wobei man in einer modularen Umgebung die Algorithmen auch mal durch einen Sequencer steuern kann und statt einem LFO wie beim DX7 so viele wie erwünscht zur Verfügung stehen. Man sieht: Es steht viel zur Auswahl und die klanglichen Möglichkeiten sind entsprechend vielfältig. Theoretisch müsste man sich auch nicht auf die vorgefertigten Module im Clavia Nord Modular G2 verlassen. Man kann sich beispielsweise aus den Logikmodulen seine eigenen Oszillatoren bauen, ähnlich der Core-Ebene von NI Reaktor.
Viele Möglichkeiten im Clavia Nord Modular G2
In der Praxis ist es aber so, dass man dann auch gleich Aliasingfilter und anderes von Hand bauen muss. Das erinnert dann doch eher an DSP-Programmierung und nicht mehr an das kreative Patchen an einem modularen Synthesizer. Trotzdem bietet der Clavia Nord Modular G2 mit seinen Modulen eine riesige Auswahl an klanglichen Möglichkeiten. Ein üblicher Hardwaresynthesizer besitzt so um die 10 verschiedenen „Module“, die mehr oder weniger flexibel geroutet werden können. Die 160 Module des Nord G2 dagegen sind zu viele, um alle einzeln vorzustellen. Deswegen hier im Schnelldurchlauf die wichtigsten.
Wichtige Clavia Nord Modular G2 Module
- Die Oszillatoren des Clavia Nord Modular G2
- Mehrere verschiedene LFOs mit bis zu acht modulierbaren Schwingungsformen und einem phasenmodulierbaren Shape-LFO
- Filter: Zehn verschiedene Filter, unter anderem das berühmte Nord Lead Filter, aber auch Kamm-, Phase-, Multimode-, WahWah- und Vocalfilter. Außerdem ein Vocoder und verschiedene Equalizer
- Envelopes: Neun Varianten, darunter die üblichen AD- bis ADSR-Envelopes. Die Envelopes fangen bei 0,5 Milisekunden an und hören bei maximal 45 Sekunden auf. Allerdings kann man diese Zeiten auch noch modulieren, quasi endlosen Hüllkurven steht nichts im Weg.
- Effekte: Chorus, Phaser, Flanger, Digitizer, Pitch- und Frequenzshifter, „Scratcher“, Reverb, Compressor und diverse Delays bis zu 2,7 Sekunden. Außerdem Clipper, Overdrive, Saturator, exponentieller und statischer Shaper, Wrapper und Rectifier.
- Ganz klar natürlich auch Ringmodulator, Envelope Follower, Noise Gate und verschiedene Compare-Module
- Viele verschiedene Mixer und Switcher, darunter Muxer, Sample & Hold und Track & Hold.
- Zehn verschiedene Logikmodule, von einfacheren Dingen wie Gate, Flipflop und ClockDivider bis zu Countern und ADC/DAC-Convertern
Weitere wichtige Module
- Eine sehr starke Sequencer-Abteilung des Clavia Nord Modular G2, die zwar nicht besonders schön zu programmieren ist, aber sehr viele Möglichkeiten bietet. Ein Vorteil eines modularen Systems ist beispielsweise, dass ein Sequencer ja gar nicht unbedingt von einer Clock oder einem LFO getriggert werden muss, auch zu einem Audio-Oszillator synchronisiert werden kann. Auf diese Art kann man einen Sequencer zu einer Art Look-Up-Table machen und sich seine eigenen Wavetables bauen. Man kann natürlich auch etwas ganz anderes machen und den Sequencer von einer Hallfahne kontrollieren lassen. Oder die Hallfahne von einem Sequencer. Oder durch den Aftertouch. Nur mal so als Idee …)
- Eine umfangreiche MIDI-Abteilung, die im Zusammenspiel mit den obengenannten Modulen keine Wünsche offenlässt
- Und schließlich diverse Random-Module, Key- und Pitchquantizer, Pitchtracker, Zero Crossing Counter, Glide. Und was man sich sonst noch so alles vorstellen kann.
Clavia Nord Modular G2 – kurzer Software-Zwischenstand
Wer bis hierher alles gelesen hat, wird feststellen: Es gibt vieles, wovon man vielleicht noch nie gehört hat. Und ja, der Clavia Nord Modular G2 bietet Möglichkeiten, die einen fast schon erschlagen können. Und eine modulare Schrankwand wie das legendäre Moog-System in Hans Zimmers Studio ist nur wenige Mausklicks entfernt. Wer da feuchte Augen bekommt, dem wird die ganze Modularwelt hier in einer relativ handlichen und fassbaren Form geboten, mit einem schön gestalteten und sehr gut bedienbaren Editor. G2 bietet überwältigend viele Möglichkeiten, ohne dass man richtig tief in die Programmierung einsteigen müsste, wie etwa bei Max oder gar SuperCollider.
Clavia Nord Modular G2 – virtueller Modularsynthesizer
Der Synthesizer ist in der Tat eine virtuelle Replika eines analogen modularen Systems und keine digitale Wollmilchsau. Dementsprechend gibt es auch kein Sampling und nur ein paar Module, die mit der digitalen Welt zu tun haben. Und selbst wenn Clavia die Ersten waren, die dieses Konzept in der Praxis umgesetzt hatten, es gibt heute doch einige Mitbewerber, die das ähnlich gut gelöst haben. Die Blocks in der Version von Native Instruments Reaktor sind da nur ein Beispiel von vielen. Aber gegenüber einer reinen Software-Lösung hat der Clavia Nord Modular G2 noch einen Trumpf im Ärmel.Uund das ist die Hardware. Und damit ist nicht nur die Hardware alleine gemeint, sondern das nahtlose Zusammenspiel von Hard- und Software.
Clavia Nord Modular G2 Hardware-Versionen
Die erste Generation des Nord Modular Synthesizers gab es mit einer Drei-Oktaven-Tastatur und als Rackversion. Dazu kam dann noch eine abgespeckte Variante mit nur vier Reglern als „Micro Modular“. Diese ersten Versionen hatten zwar einen kräftigen, zupackenden Sound, besaßen aber maximal ein Display. Außerdem konnte man Patches nur über das MIDI-Protokoll übertragen. Was welcher Regler dann genau gesteuert hat, musste man sich mangels Klartext-Anzeigen so gut es eben ging merken. Oder aber aufschreiben und auch die MIDI-Signale konnten nicht so ohne weiteres nach außen geführt werden.
Clavia Nord Modular G2 und G2X
Die nächste Generation mit dem Namen G2 gab es wieder als Drei-Oktaven-Keyboard und Rackversion. Schließlich als G2X, mit Fünf-Oktaven-Tastatur, Schwanenhalsmikrofon und vor allem mit doppelter Rechenleistung. Waren in einem normalen Clavia Nord Modular G2 vier Motorola-DSPs für den Sound und ein weiterer Chip für die allgemeine Steuerung zum Beispiel der Displays und der Regler zuständig, so waren es im G2X gleich acht Stück. Aber auch die Besitzer der Grundversion konnten in den Genuss von acht Rechenkernen kommen. Sofern sie sich eine kleine Steckplatine in ihr Gerät einbauten.
DSP- Power großgeschrieben
Zu Zeiten, als ein üblicher Computer mit einer einzelnen CPU auskommen musste, die dazu auch noch alle anderen Aufgaben des Rechners übernahm, waren vier auf DSP-Anwendungen spezialisierte Chips ein Ausbund an Rechenleistung. Was sie im Übrigen auch heute noch sind – von den erweiterten Versionen ganz zu schweigen. Ein einfacher subtraktiver Patch kommt beim Clavia Nord Modular G2 damit auf bis zu 32 Stimmen. Und wenn man die rechenintensivsten Module wie Reverb und Delay nur einmal einsetzt, sollte man immer genügend Stimmen zur Verfügung haben. Im Vergleich zum Computer ist der Clavia Nord Modular G2 lüfterlos, bringt die Soundkarte gleich mit und bootet in etwa drei Sekunden. Der Roland V-Synth ist da gerade einmal beim ersten Bildschirm angelangt.
Vier bzw. acht DSPs bei Clavia Nord Modular G2 bzw G2X
Jeder der vier bzw. acht DSPs ist für einen der „Slots“ zuständig, in den man ein eigenständiges Patch laden kann. Da liegt es natürlich nahe, vier unterschiedliche Sounds in die vier Slots zu laden. Das ergibt dann einen multitimbralen Synthesizer mit vier Klängen auf vier Ausgängen. Eine Besonderheit dabei ist allerdings, dass man die Klänge auch zwischen den vier Slots austauschen kann. So hat man dann noch mehr Möglichkeiten als beispielsweise bei einem Yamaha SY99. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, will etwas heißen!
Anschlüsse des Synthesizers …
Neben einem Kopfhörer- und vier separaten Lineausgängen bietet der G2 vier Audioeingänge. Von denen ist der erste sowohl als XLR- als auch als Klinkeneingang verfügbar. Der XLR-Eingang besitzt einen integrierten Mikrofonvorverstärker, jedoch keine Phantomspeisung. Hinzu kommen ein MIDI-Trio und ein USB-Port, der allerdings nur für den Anschluss des G2 an den Editor vorgesehen ist und keine MIDI-Daten überträgt. Eine direkte Einbindung des Synthesizers über USB in die DAW, wie sie kurze Zeit später mit dem Access Virus TI erstmals eingeführt wurde, ist mit dem G2 nicht möglich. Auch digitale Ein- und Ausgänge bietet er nicht. Neben dem Ein/Aus-Schalter befindet sich der Stromanschluss, der wie damals bei Clavia üblich über ein zweipoliges „Rasiererkabel“ erfolgt. Das war es dann auch mit der Rackversion. Es gibt zwar noch drei LEDs, die Power, MIDI- und USB-Verbindung signalisieren, aber auf Programmwahltaster oder ähnliches muss man hier verzichten.
… und mehr
Ganz im Gegensatz zu den Keyboard-Versionen des G2, die nicht nur mit zusätzlichen Pedalanschlüssen, sondern vor allem mit fünf Displays, neun Endlosreglern, zwei Potis und 47 Tastern glänzen. Ein Display dient zur Anzeige der Patchnamen, die anderen vier zur Anzeige von bis zu acht Parametern, die über acht Kombinationen von Endlosreglern und Tastern gesteuert werden können. Was, nur acht? Nein, natürlich nicht. Denn diese acht Parameter sind in eine Matrix integriert, mit der man auf Knopfdruck zwischen 15 verschiedenen Seiten wechseln kann. Rechnen wir mal: Acht Endlosregler und acht Taster pro Seite sind 16 Parameter. 16 Parameter auf 15 Seiten sind 240 (fast) frei zuordenbare und benennbare Parameter im Direktzugriff. Aber das ist noch nicht alles, denn wir sprechen bisher nur von einem einzigen Slot. Davon gibt es vier. Also haben wir 960 Parameter, die man mit maximal zwei Tastenkombinationen erreichen kann.
Clavia Nord Modular G2 – viele Parameter
Und wem das noch nicht reicht oder wer nicht zwischen den einzelnen Slots umschalten möchte. Es gibt noch eine weitere Kombination von 240 Parametern, mit der man Parameter aus allen Slots gleichzeitig bedienen kann. Das mag auf den ersten Blick wie Overkill erscheinen. Man kann aber den G2 auch als Controller einsetzen und mit diesem Interface dann auch andere Synthesizer steuern. Und da man mit dem G2 alles Mögliche machen kann, beispielsweise eine Controller-Matrix erstellen oder einen Oszillator nur aus Logikbausteinen bauen, kann man von Controllern nie genug haben. Im Gegensatz zu den meisten Controllern kann man auf den Displays alle Regler in ihrer Funktion genau benennen.
Noch mehr Bedienelemente
Weitere Bedienelemente sind die acht Variationstaster, denn zu jedem Patch können bis zu acht Variationen erstellt werden. Variationen sind einfach verschiedene Reglereinstellungen für einen bestimmten Patch. Dann gibt es noch neun weitere Taster und einen Drehregler, mit denen man die Programme auswählt und weitere, tiefer gehende Funktionen steuert. Dazu kommt eine gute Synthesizertastatur mit wirklich gutem Aftertouch. Und zusätzlich, wie bei Nord üblich, das berühmte Modulationsrad, das aussieht und sich anfühlt, als wäre es aus Granit, und der hölzerne Pitchhebel.
Zuweisung der Controller
Mit der Idee eines frei konfigurierbaren modularen Systems, verpackt in „normaler“ Synthesizer-Hardware, hatte sich Clavia eigentlich eine unlösbare Aufgabe gestellt. Denn wie gestaltet man eine feste Hardware-Bedienoberfläche für ein freies System? Dieses Problem beschäftigt die Entwickler von MIDI-Controllern bis heute. Eine vorgegebene Ausstattung an Bedienelementen muss irgendwie mit allen möglichen (Software-)Synthesizern kompatibel gemacht werden. Bei Controllern gibt es dafür zwei Möglichkeiten. Entweder liefert der Hersteller Vorlagen mit, die die üblichen Parameter der gängigsten Synthesizer abdecken, oder der Anwender muss die Regler selbst mit den zu steuernden Parametern belegen und sich dann irgendwie merken, welcher Regler was steuert. Beim Clavia Nord Modular G2 ist dies elegant gelöst. Parameter können einfach per Drag & Drop auf einen Regler gezogen und benannt werden.
Belegung beim Clavia Nord Modular G2 leicht gemacht
Der Clavia Nord Modular G2 von oben kann so in weniger als einer Minute benannt und auf die Regler gelegt werden. Die werden dann auf den Displays entsprechend beschriftet. Hier hat Clavia also in der Verbindung von Soft- und Hardware wirklich das Gelbe vom Ei gefunden. Und damit auch gegenüber vergleichbaren Umgebungen wie Cycling ’74 Max, Native Instruments Reaktor und dem Kyma von Symbolic Sound die Nase vorn. Zumal der G2 noch die alten Endlosregler mit LED-Ringen besitzt, die bei Clavia später leider eingestellt wurden. Der unschlagbare Vorteil dieser Regler ist nämlich, dass sie bei jedem Programmwechsel immer genau an der richtigen Stelle stehen. Dadurch entfällt das „Einfangen“ von Werten und das plötzliche Umschalten auf einen ganz anderen Wert beim Berühren des Reglers.
Slots und Performances
Die vier „Slots“ des Clavia Nord Modular G2 bilden zusammen eine „Performance“. Das bedeutet, dass der G2 vier Programme gleichzeitig laden kann, eines in jedem Slot. Das können vier verschiedene Synthesizer sein oder z. B. drei Synthesizer, die ihren Sound in ein Multieffektgerät im vierten Slot leiten. Eine Zusammenstellung von bis zu vier Slots kann dann als Performance abgespeichert werden. Und damit kann man schon sehr viel machen, bis hin zu Lead, Bass, Drums und Pad alle aus einem Synthesizer. Es ist aber auch klar, dass mehr Slots auch mehr Rechenleistung verbrauchen. Deshalb kann man die Slots von der Synthesizer-Oberfläche aus einzeln ein- und ausschalten. Ein großer Nachteil dieses Systems ist, dass der G2 immer alle Slots neu berechnet, was etwa eine halbe Sekunde dauert. In dieser halben Sekunde hört man überhaupt keinen Ton, spontanes Ein- und Ausschalten von Slots während einer Performance kann man sich also abschminken.
Jeder Slot ein eigenständiger Synthesizer
Jeder Slot kann als eigenständiger Synthesizer betrachtet werden, der beliebig auf die Ausgänge geroutet werden kann. Gleichzeitig ist er aber auch Teil eines größeren Verbundes, da man Audio- und Steuerdaten von einem Slot zum anderen schicken kann. Als überspitztes Beispiel wäre das also ein MiniBrute in Slot A und ein Minilogue in Slot B. Dann ein aufgemotzter DX7 in Slot C, und in Slot D werden dann MiniBrute und Minilogue durch vier verschiedene Ringmodulatoren geschickt. Und in Folge dann als Supermodulator durch den DX7 gejagt, um dann mit einem externen Signal phasenmoduliert zu werden. Dies geschieht zum einen über spezielle Busse, die eine Audioleitung zwischen den Slots legen. Zum anderen über das interne MIDI-Protokoll, das den ursprünglich 16 Kanälen spezielle virtuelle Kanäle hinzufügt. Jeder Slot kann zudem über ein internes MIDI-Modul jeden beliebigen Parameter an jeden anderen Slot senden.
Clavia Nord Modular G2 – der MIDI-Controller
Auch können Steuerbefehle klassisch über das MIDI-Trio empfangen und an externe Geräte gesendet werden. Dies eröffnet vielfältige Möglichkeiten im Zusammenspiel mit anderen Synthesizern. Die kann man beispielsweise über die ausgeklügelten Sequenzer des Clavia Nord Modular G2 ansteuern und deren Signal wiederum in den G2 einspeisen und dann mit Delays, Reverbs oder einem selbst konfigurierten Multieffekt aufpeppen. Der G2 arbeitet auch als hochflexibler MIDI-Controller für externe Geräte mit nahezu unendlich vielen Speicherplätzen. Mit seinem sofortigen Zugriff auf 240 Parameter und beleuchteten, beschriftbaren Displays fungiert der G2 als eine Art „Super-Controller“. Dadurch wird die Arbeit mit Instrumenten wie dem DSI Evolver oder dem Oberheim Matrix 1000 erst komfortabel. Zusätzlich sendet der Nord G2 SysEx, was besonders für den Evolver wichtig ist. Wenn das externe Gerät auch MIDI Out sendet, bewegen sich die Regler am G2 synchron mit denen am externen Synthesizer. Kurz gesagt, der Nord Modular G2 ist ein herausragender MIDI-Controller.
Wie klingt der Clavia Nord Modular G2?
Was die klanglichen Möglichkeiten des Clavia Nord Modular G2 betrifft, muss man sich nur ein Modularsystem mit 160 verschiedenen Modulen vorstellen, die man überdies alle miteinander verbinden kann und von denen man, genügend Rechenleistung vorausgesetzt, nie eines zu wenig hat. Von kleinen, subtraktiven 16-stimmigen Synthesizern bis zu mächtigen Monosynths, additiver Synthese für Drones mit 64 Sinusoszillatoren, FM-Synthese, Wavetablesynthese, Vektorsynthese, Granularsynthese, Vosim, FOF, Wave Terrain Synthese: Das meiste, was man mit einem analogen Modularsystem machen kann, kann man auch mit dem G2 machen. Man muss allerdings beachten, dass der G2 eher „normale“ Module enthält.
Es geht vieles …
Ausgeklügelte Buchla-inspirierte Dinge wie den Furthrrrr-Generator oder das Terminal-Modul von endorphin.es wird man auf dem G2 nicht finden. Und selbst wenn man sie nachbauen könnte. Man braucht viel Wissen, wie das geht, und die Lernkurve kann dann schon recht steil werden. Überhaupt kann die Vielfalt der Möglichkeiten auch erschlagend wirken. Es gibt so viel, dass man immer wieder mit der Nase auf etwas gestoßen wird, was man noch nicht kennt. Und es ist auch nicht immer einfach, die Patches anderer Leute zu analysieren und zu verstehen, zumal es in der User-Community einige echte Helden gibt, die unglaubliche Dinge mit dem G2 anstellen können. Man kann Uhren bauen, man kann den G2 sprechen lassen, man kann Spielgeräte bauen, man kann Zufallspattern zufällig zufallsgenerieren lassen …
… man muss nur wissen wie.
Beim Clavia Nord Modular G2 kann man sich auch einfach treiben lassen und auf wunderbare Weise kreative Ergebnisse erzielen. Vergleichbar mit dem Spielen mit Lego, jedoch hier mit Synthesizermodulen, entstehen anstelle von Tankstellen oder Flughäfen Drohnen oder kleine Orgeln. Im Gegensatz dazu erfordert Cycling ’74 Max im Voraus eine klare Vorstellung dessen, was man tun möchte, um auf atomarer Ebene Kontrolle ausüben zu können. Der Vergleich mit Native Instruments Reaktor ist hier naheliegend, insbesondere mit den hinzugefügten Blocks. Tatsächlich kann man den G2 am ehesten mit Native Instruments Reaktor vergleichen, abgesehen vom kostspieligeren Kyma. Sowohl beim G2 als auch bei Reaktor verbindet man vorgefertigte Module über Strings, wobei die Module ihren analogen Vorbildern ähneln. Der Unterschied: Mit Reaktor kann man letztendlich noch tiefer gehen als mit dem G2. Allerdings bietet der G2 seine eigene Hardware mit je vier Ein- und Ausgängen sowie die bereits beschriebene geniale Konfigurierbarkeit des Controllers.
Audiobeispiele
Die ganze Vielfalt dieses Baukastens lässt sich mit wenigen Klangbeispielen kaum darstellen. In den ersten Beispielen geht es einmal quer durchs Gemüse, mit typischen Synthesizer-Sounds neuerer und älterer Couleur. Alle Sounds laufen in einem einzigen Slot des G2, auf Outboard-Effekte wurde verzichtet. Tatsächlich würden fast alle Patches der Klangbeispiele auch in der kostenlosen Demoversion laufen.
Was kann der Clavia Nord Modular G2 klanglich besonders gut?
Zunächst einmal handelt es sich um einen virtuell-analogen Synthesizer von Nord, also einem der renommiertesten Hersteller solcher Instrumente. Dementsprechend ist die Qualität der Oszillatoren, Filter und Effekte hoch. Bei den digitalen Oszillatoren und Filtern kann man sagen, dass schon vor 10 bis 15 Jahren hervorragende Module gebaut wurden. Bei den Effekten ist es vor allem der Hall, an dem der Zahn der Zeit genagt hat. Der klingt bei weitem nicht so gut wie beispielsweise der Hall im Roland System-1M. Bei den anderen Modulen, die größtenteils viel einfachere Rechenoperationen ausführen, ist das Alter eher unwichtig.
Erste Folgerung
Klanglich glänzt der Clavia Nord Modular G2 also als einer der besten Vertreter der virtuell-analogen Synthese. Er kann deshalb, mit dem entsprechenden Wissen ausgestattet, so warm, voll und elegant klingen wie die meisten der hochgeschätzten analogen Schlachtschiffe. Mit dem entsprechenden Wissen ausgestattet heißt in diesem Fall folgendes. Während der Nord Modular der ersten Generation mit sehr markant klingenden DACs bestückt war, die ihm im Vergleich einen geradezu rotzigen, dreckigen Klang verliehen, ist der G2 mit ausgesprochen neutral klingenden Wandlern ausgestattet. Das heißt, er klingt zunächst sehr sauber und hat keinen eigenen Charakter. In Anbetracht der Tatsache, dass wir es hier mit einem Gerät zu tun haben, das auf ultimative Vielseitigkeit setzt, ist dies sicherlich die richtige Wahl.
Ein Vergleich
Während ein (Korg) Arp Odyssey sofort einen bestimmten (tollen!) Klangcharakter hat, muss man diesen beim G2 erst erreichen. Dazu muss man natürlich wissen, was man erreichen will. Ein Beispiel: Die Oszillator-FM des Arp Odyssey öffnet sich maximal auf eine Dezime, also 16 Halbtöne. FM mit einer Dezime klingt gut. In dem Bereich von keiner Modulation bis zur Modulation bis zu einer Dezime passiert auch am meisten. Wenn man also beim Arp Odyssey den Regler langsam aufdreht, hört man fantastische Dinge. Ist der Regler dann ganz offen ist, röhrt der Synthesizer, dass es eine Freude ist. Beim G2 dagegen kann man den Regler bis auf 64 Halbtöne aufdrehen. Und wenn er ganz aufgedreht ist, hört man nur noch ein digitales Gebrizzel.
Zweite Folgerung
Das heißt, auf der Suche nach dem gleichen Klang geht man vielleicht zu schnell an den wirklich interessanten Dingen vorbei, um dann enttäuscht zu sagen: Das war nichts, ich höre nur digitales Rauschen und kein warmes, analoges Instrument. Und das Zweite, was man wissen muss: Viele digitale Synthesizer haben tatsächlich einen viel höheren Anteil an hochfrequenten Tönen.
Zwischenresümé
Das ist zunächst nichts Schlechtes, aber in unseren Ohren klingt das natürlich nicht so warm und schön, sondern eher etwas zu kalt und brillant. Ironischerweise passiert das sogar mit Dexed, einer digitalen Emulation des durch und durch digitalen DX7. Wer also einen warmen, bauchigen Klang aus seinem digitalen Synthesizer herausholen will, tut oft gut daran, die Obertöne etwas zu dämpfen und die Bässe ein wenig anzuheben. Und wenn man dann, um im Beispiel zu bleiben, die Oszillator-FM nicht einfach aufreißt, sondern vorsichtig am Regler spielt, dann bekommt man aus dem Clavia Nord Modular G2 Klänge, die von einem analogen Synthesizer kaum zu unterscheiden sind. Eine weitere Stärke des G2 sind seine umfassenden Sequenzer- und Pattern-Module.
Audiobeispiele
Es folgt eine Reihe von Sequenzer-getriebenen Sounds. Auch hier laufen alle Sounds auf einem einzigen Slot, sodass nur maximal ein Viertel der Leistung des Synthesizers verbraucht wird.
Clavia Nord Modular G2 – Physical Modeling und mehr
Auch Physical Modeling ist mit dem Nord G2 möglich. Man kann sich ja fragen, wozu man einen Synthesizer braucht, um akustische Klänge zu erzeugen, wenn man doch einfach das Originalinstrument oder eine Sample-Library verwenden kann. Der Grund liegt natürlich darin, dass man mit dem Synthesizer ganz andere Dinge machen kann, im folgenden Gitarrensound zum Beispiel hörbar an den übertriebenen Nagelgeräuschen. Dann noch ein schönes Beispiel für Physical Modeling: eine Flöte, die in die Oktave überblasen wird.
Was man gerne mit großen Modularsystemen macht, sind Patches, die sich selbst spielen. Im Fachjargon gerne „Noodle“ genannt, kann man mit dem Nord G2 natürlich auch lange Drones und über Tage variierende Klanggebilde erzeugen:
Filter im Clavia Nord Modular G2
Was wäre ein Synthesizer ohne seine Filter? Obwohl das Filter der Nord Leads im G2 integriert ist, sind die verschiedenen Filter des G2 nicht von der Art eines Moog oder Arp, bei denen gleich die Sonne aufgeht. Das liegt einmal mehr daran, dass die einzelnen Module des G2 einen möglichst neutralen Klang erzeugen, denn nur so kann der geneigte Klangskulpteur den Klang nach seinem Gusto formen. Im folgenden Klangbeispiel werden die Filter mit zwei leicht verstimmten Sägezähnen und einem Sinus-Suboszillator gefüttert. Ein LFO und ein Sequenzer steuern dabei die Cutoff-Frequenz der Filter, von denen einige nacheinander ausprobiert werden. Außer einer kleinen Rückkopplungsschaltung des Filters sind keine weiteren Effekte im Einsatz. Folgende Filter sind im Beispiel nacheinander zu hören: Classic 12 dB; Multi LP 6 dB; Phase 3 Notch deep; Comb deep; Voice A-I-U und zum Schluss Nord BR 24 dB.
Clavia Nord Modular G2 – Patch Mutator
Der Patch Mutator von Synth-Guru Palle Dahlstedt ist ein nützliches Tool mit zwei Funktionen. Zum einen kann er aus zwei verschiedenen Sounds die Zwischenschritte errechnen und automatisch als Variationen des Sounds abspeichern. So geht man quasi übergangslos vom Sound einer LFO-modulierten Kuh zu einem pitchgeshifteten Nashorn. Vorausgesetzt, man hat Kuh und Nashorn vorher programmiert. Wem das schwerfällt, der nutzt die andere Funktion des Patch Mutators, nämlich mehr oder weniger zufällige Klänge aus einem Patch zu generieren. Dabei ist „mehr oder weniger zufällig“ durchaus wörtlich zu nehmen, denn übliche Random-Funktionen anderer Synthesizer erzeugen überwiegend unbrauchbare Sounds. Nicht so beim Patch Mutator, bei dem man einerseits die Wahrscheinlichkeit und die Schrittgröße der Veränderungen im Voraus bestimmt, andererseits aber auch auswählt, welche Module überhaupt verändert werden sollen. So kann man gezielter nach bestimmten Veränderungen im Sound suchen und muss nicht hundertmal auf den „Random“-Button klicken, in der Hoffnung, dass etwas dabei herauskommt.
Tolle Möglichkeiten mit dem Patch-Mutator
Jetzt könnte man sagen, so einen Patch-Mutator gibt es doch bei vielen Synthesizern. Das mag für nicht-modulare Synthesizer auch stimmen, aber beim Clavia Nord Modular G2 haben wir es mit einem modularen Synthesizer zu tun, und das ist das etwas anderes. Mit dem Mutator-Patch kann man sehr gut Variationen für den Sequenzer finden und die Bassline beispielsweise in acht Schritten von E-Moll nach Cis-Dur modulieren. So erhält man quasi automatisch Tonfolgen, auf die man selbst nie käme und die man mit einer einfachen Zufallsfunktion auch nicht erzeugen könnte. Der Patch-Mutator funktioniert auch über MIDI. Wer ein MIDI-fiziertes analoges Schätzchen besitzt, kann mit dem Nord Modular G2 nicht nur dessen Patches digital abspeichern, sondern auch schauen, was sich sonst noch aus der Kiste herausholen lässt. Ich war jedenfalls ziemlich überrascht, was für kranke Sounds aus meinem eigentlich eher harmlosen Siel Expander 80 kommen, wenn man ihn mit dem Mutator-Patch bearbeitet.
Der Nord Modular G2 in einem analogen Modularsystem
Apropos analoge Schätzchen: Es liegt natürlich nahe, den G2 in eine analoge modulare Welt einzubauen, denn es ist ja kein Problem, den Sound hinein oder aus dem G2 heraus in die analogen Module zu schleifen. Noch näher liegt es aber, den G2 als Megasequencer für die analogen Gerätschaften zu benutzen, denn bei Level-, Logik- und Sequencer-Modulen ist analog oder digital Jacke wie Hose und die digitale Variante ist viel flexibler, speicherbar und nicht zuletzt billiger. Zur Einbindung eignen sich zum einen natürlich MIDI-to-CV-Wandler, die leider nicht wirklich billig sind. Praktischerweise kann der Nord G2 aber zum Anderen aus dem Kopfhörerausgang Steuerspannungen ausgeben. Im folgenden Bild sieht man also den Nord G2 und die Pittsburgh Modular Foundation 3 in trauter Eintracht, wobei die zwei Oszillatoren des Pittsburgh vom G2 über MIDI angesteuert werden und die Filter des Pittsburgh von zwei Sequencern des G2 über den Kopfhörerausgang geregelt werden.
Clavia Nord Modular G2 – zukunftsfähig, oder nicht?
Bleibt die Frage: Wieso wurde der Nord Modular G2 im Jahr 2009 vom Markt genommen, anstatt der Herstellerfirma Clavia die verdienten Reichtümer zu bringen? Dafür gibt es in der Tat mehrere Erklärungsversuche, von denen einige heute noch gelten, andere sich aber aufgrund der sehr regen Community inzwischen in Luft aufgelöst haben. Zunächst einmal war das Konzept der Nord Modulars schwer zu erklären beziehungsweise zu verkaufen. Im Laden stand da eine rote Kiste und daneben – wenn man Glück hatte – ein Computer. Die wenigsten Läden konnten da auch noch einen Verkäufer dazu stellen, der dem Kunden kompetent erklärte, wie das alles funktionierte, und ohne Einführung stand so mancher Kunde wohl eher verloren davor.
Zu teuer – zu kompliziert
Aus einem Moog Voyager kommen sofort tolle Klänge heraus, beim G2 kommt erstmal – nix. Beziehungsweise die Factory Sounds, die zwar okay bis gut sind, aber okay bis gut ist eben nicht richtig gut. Zweitens wurde für den Nord G2 einen Preis aufgerufen, der zwar gerechtfertigt war, bei dem man aber auch nicht einfach mal so zuschlug, zumal anfangs auch noch parallel das Vorgängermodell verkauft wurde, der Nord Modular G1. Der war billiger und hatte eine trockene, rotzige Soundsignatur. Da stand also neben dem teuren Luxusgerät mit neutralem Klang das billigere Modell mit brachialerem Sound, das aber auch schon richtig viel konnte – man kann sich denken, welchen Synthesizer die Mehrzahl der Interessierten gekauft hat.
Support eingestellt
In dieser Situation machten Clavia dann auch noch einen ziemlich dicken Fehler, indem sie den Support für den Nord Modular G1 plötzlich und unangekündigt aufgaben. Auf Windows-Rechnern lief der Editor zwar noch, für Mac OS X kam aber nur eine Beta heraus. In Zeiten, in denen ein Laptop richtig viel Geld kostete, war das eine Aktion, die viele Kunden des G1 richtig sauer machte. Auch deshalb muss der G2 bis heute damit kämpfen, dass viele denken: Irgendwann funktioniert der Editor nicht mehr, und das könnte gleich morgen sein. Tatsache ist, der Editor für den G2 läuft bislang sowohl auf Windows als auch auf Mac Rechnern absolut problemlos. Was im Übrigen nicht so sehr verwundert angesichts der Tatsache, dass der Editor ja gar keinen Sound produziert.
Editor-Demoversion
Anders sieht das bei der hervorragenden Demoversion aus, das ist die monophone Emulation eines G2 Rechenkernes auf dem Computer, mit Ausnahme des Audio In, der DX7-Implementation und der MIDI-Module. Die Demo-Version läuft wie gehabt auf jedem Windows Rechner, auf OS X musste man sich dagegen eine Zeitlang damit abmühen, das Programm unter Wine laufen zu lassen. Inzwischen ist Wine aber so gut, dass es auch auf OS X wieder ohne Probleme läuft. Und man kann diese kostenlose Version eines der besten Softsynths nur jedem ans Herz legen.
Viele Versionen des Editors und der Demoversionen
Auch der Editor des Nord Modular G1 läuft übrigens noch auf Windows und auch unter OS X kann man ihn zum Laufen bekommen. Man sieht: Es gibt viele verschiedene Versionen des Editors und der Demo-Software. Festzuhalten bleibt aber: Der Editor des Nord G2 lief und läuft ohne Zicken sowohl auf Windows- als auch auf Mac-Rechnern. Und in Zeiten, in denen die meisten irgendwo einen alten Computer stehen haben oder sich ein kleiner Rechner schon für kleines Geld kaufen lässt, ist das auch für die Zukunft kein echtes Problem mehr. Ein letzter Fauxpas von Clavia war, dass man die Patches der Vorgängerversion nicht in den G2 laden konnte. Aber hier kommt die oben angesprochene englischsprachige Community auf electro-music.com ins Spiel, bei der nicht nur einige der besten Patcher unterwegs sind, sondern auch einige Computerprogrammierer.
Jetzt geht viel!
Und so kann man inzwischen alle G1-Patches für den G2 online umschreiben lassen. Überdies wurden alle Patches für den Yamaha DX7 ins G2-Format konvertiert. Man kann einfache Sounds hochladen, die automatisch in einen G2-Patch „resynthetisiert“ werden. Es gibt Freeware-Editoren für Max OS X, der Demo-Editor wurde so aufgebohrt, dass die MIDI-Module funktionieren … was soll man sagen, die G2-Community ist Gold wert! Das Forum zum G2 ist mittlerweile auf 50 Seiten angewachsen und die Leute sind sehr freundlich. Bei Fragen erhält man innerhalb weniger Stunden nicht nur eine Antwort, sondern im Zweifelsfall auch gleich einen problemlösenden Patch. Die Soundbeispiele oben sind übrigens nicht nur Werksounds oder vom Autor selbst gepatcht. Sie basieren teilweise auf Patches aus dem mit 4500 Einträgen gut gefüllten Archiv und stammen unter anderem von Broeks, JLS, Danielson, Hordijk, Mire, Kleinert, smokris, Mother Misty, Berweck, Dasz Garnasz, Dave Peck, Flower P, Odd Bob, Sheridan, iPassenger und Blue Hell.
Kritikpunkte zu Clavia Nord Modular G2
Bleiben eigentlich nur zwei Kritikpunkte, von denen der eine kein wirklicher Kritikpunkt sein kann und der andere leider auch bei vielen anderen Herstellern vorkommt.
Kritikpunkt 1
Der Clavia Nord Modular G2 ist eine komplizierte Angelegenheit. Man kommt zwar schnell zu Ergebnissen, aber bis man alles verstanden und den Synthesizer wirklich durchdrungen hat, vergeht viel Zeit. Das Analysieren von Patches und das Spielen fremder Patches ist nicht immer ein Vergnügen. Denn trotz beschriftbarer Displays und vieler Drehregler weiß man anfangs meist nicht wie der Patch eigentlich aufgebaut ist. Es ist so wie in einem riesigen Laden voller Synthesizer: Ohne sich intensiv mit jedem einzelnen Gerät zu beschäftigen, kann man nur ein bisschen herumspielen. Und auch wenn der G2 nicht so komplex ist wie Cycling ’74 Max oder NI Reaktor auf tiefster Ebene: Ein Granularsynthese-Patch auf dem G2 ist trotzdem nicht leicht zu verstehen. Und selbst für die Programmierung „konventioneller“, subtraktiver Synthesizer braucht man etwas Erfahrung. Die Struktur ist schnell gebastelt, aber damit es wirklich gut und eigenständig klingt, muss man schon etwas Zeit und Hingabe investieren.
Kritikpunkt 2
Der zweite Kritikpunkt ist die Aufteilung der Oszillator Coarse Tunings und der Filterfrequenzen in Halbtöne. Natürlich kommt man mit der Fine-Einstellung auch in Zwischenbereiche. Aber eigentlich sollte man bei einem analogen Synthesizer nahtlos durch alle Frequenzen „fahren“ können und nicht durch die Halbtöne „steppen“. Leider lösen die Endlosregler des G2 nur mit der MIDI-üblichen 7-Bit-Auflösung auf, sodass für jeden Parameter nur 128 Werte zur Verfügung stehen. Im Gerät selbst wird natürlich mit einer viel höheren Auflösung gerechnet, nämlich mit 32678 Schritten pro Halbton.
Weiterführende Lektüre zu Clavia Nord Modular G2
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass sich der Nord Modular Synthesizer hervorragend zum Erlernen der Klangsynthese eignet und an einigen Universitäten und Kursen als Beispielumgebung eingesetzt wird. Die Texte über den Nord Modular lassen sich recht gut auf den G2 übertragen, umgekehrt ist das oft schwieriger. Wer Synthesizer wirklich verstehen will, findet im Nord Modular eine ideale Experimentierplattform. Passend zum Einsatz des Nord Modular als Lehrsynthesizer sind einige Bücher entstanden, die sowohl die Grundlagen als auch spezielle Konzepte der analogen Klangsynthese erklären. Die folgenden Bücher und Workshops wurden mit und für den Nord Modular Synthesizer geschrieben und bieten sich als weiterführende Lektüre an.
Literatur zum Nord Modular G2
- Roland Kuit: SoundLab
- Rob Hordijk: Introduction to the Clavia Nord Modular G2 synthesizer
- J.J. Clark: Advanced Programming Techniques for Modular Synthesizers
- Peter Gorges/Len Sasso: Wizoo Guide Nord Modular
- einige weitere Workshops von Rob Hordijk und Grant Middleton (Link)
- Chet Singer: Physical Modeling on the Nord Modular G2
Auch die „Synth Secrets“ von Gordon Reid wurden zum Teil auf dem Nord Modular G1 geschrieben und es gibt kaum etwas, was man nicht auf den G2 übertragen könnte.
Fazit
Der Nord Modular G2 ist einer der umfangreichsten virtuell-analogen Synthesizer, die je gebaut wurden. Der Hardware-Synthesizer bietet eine Klangvielfalt, wie sie sonst nur auf einem Computer oder (theoretisch) auf einem riesigen Modularsystem erreicht werden kann. Mit seiner Kombination aus frei konfigurierbaren Modulen und dedizierter Hardware, die das sofortige Spielen von Patches auf höchstem klanglichen Niveau ermöglicht, besitzt er ein Alleinstellungsmerkmal, das seinesgleichen sucht. Darüber hinaus eignet er sich mit seinen vier Ein- und Ausgängen, der vollständigen MIDI-Implementierung und den fünf Displays und Endlosreglern als hochflexible Effektmaschine und ultimativer MIDI-Controller. Etwas Ausdauer und Leidenschaft sollte man mitbringen, denn anfangs gibt es viel zu lernen und der „fette Sound“ kommt beim G2 nicht automatisch. Er muss programmiert werden. Dann aber kann man Dinge machen, die man mit keinem anderen Hardware-Synthesizer möglich sind. Auch nicht mit analogen Modularsystemen, denn ein vergleichbar umfangreiches analoges System wäre nicht nur unbezahlbar, sondern auch schlicht nicht praktikabel.
Finale
Angesichts der schier unendlichen Möglichkeiten und der anerkannt hohen Qualität der Nord-Algorithmen ist der G2 ein echter Tipp für alle, die sich für modulare Synthese interessieren. Innerhalb der kleinen, aber aktiven Anwendergemeinde erfreut sich der Synthesizer ungebrochener Beliebtheit. Dementsprechend sind nur wenige Exemplare auf dem Gebrauchtmarkt zu finden und die Preise bewegen sich auf einem recht hohen Niveau. Dennoch lautet das Fazit zu diesem „Youngtimer“ eindeutig: zugreifen!
Pro
- Einzigartige Verbindung von virtuell-analoger modularer Synthese und Hardware (Keyboard-Varianten)
- Je vier Ein- und Ausgänge
- 160 Module
- Klangerzeugung mit 96 kHz / 24 Bit mit den Algorithmen der Nord Instrumente
- Gute Bedienung der Soft- und Hardware
- Auch als modulares Effektgerät einsetzbar
- Als ultimativer MIDI-Controller einsetzbar (Keyboard-Varianten)
- Soft- und Hardware sind robust
- Lebendige Community
- Hervorragend zum Lernen analoger Synthese geeignet
- Auch gut geeignet zum Einbinden in ein analoges Modular System
Contra
- Hall nur gut, Delays nur mit 16 Bit Auflösung
- Drehregler nur mit 7 Bit Auflösung
- Keine digitalen Ausgänge
Features
- Erscheinungsjahr: 2003
- Virtuell-analoge modulare Synthese in Verbindung von Hardware und Software
- Drei Modelle: Engine (Rack ohne Controller), G2 (3-Oktaven-Keyboard mit Controllern), G2X (5-Oktaven-Keyboard mit Controllern und doppelter Rechenleistung)
- 160 Module
- Klangerzeugung in 96 kHz / 16 Bit
- Je 4 analoge Mono-Ein- und Ausgänge
- MIDI-Trio
- Rechenleistung von Engine und G2 durch Voice Expansion Card verdoppelbar
- Maße und Gewicht:
- Engine 665x284x104 mm, 1,9 kg, 19″ (1 Höheneinheit)
- G2 665x284x104 mm, 5,1 kg
- G2X 1007x294x104 mm, 8,2 kg
synthpower2000 sagt:
#1 - 29.03.2016 um 09:22 Uhr
Danke für den Artikel. Sehr interessant finde ich, dass man den Kopfhörerausgang des G2 als CV/Gate-Quelle nutzen kann. Könnt ihr das noch etwas genauer ausführen?
Sebastian Berweck sagt:
#1.1 - 13.04.2016 um 18:20 Uhr
Hallo synthpower2000, hier ist eine Diskussion bei electro-music.com darüber: http://electro-music.com/fo... und hier ein Video auf YouTube: https://www.youtube.com/wat.... Im Prinzip gilt: Signal so weit hochdrehen wie es geht (nicht mit dem Lautstärkeregler sondern so, dass intern der ganze Signalraum von 256 Werten erreicht wird) und dann nur positive Signale senden. Wenn sich das jetzt ein bisschen kompliziert anhört: es ist tatsächlich ganz leicht und bei electro-music.com ist auch ein patch zum runter laden.
Antwort auf #1 von synthpower2000
Melden Empfehlen Empfehlung entfernensynthpower2000 sagt:
#1.1.1 - 14.04.2016 um 06:04 Uhr
Hi Sebastian,vielen Dank für die Links! Dann werde ich mal forschen.
Antwort auf #1.1 von Sebastian Berweck
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