Beschränkte sich unsere Tonauswahl in der zweiten Folge noch auf die sieben Stammtöne, wollen wir diesmal auch die übrigen Töne in der ersten Lage lesen und spielen lernen. Immerhin hat die Tonleiter neben unseren Stammtönen noch fünf Zwischentöne zu bieten, mit denen wir sie in 12 Halbtönen abbilden können.
Im Folgenden werde ich dir zeigen, wie die noch fehlenden Töne mithilfe von Kreuzen dargestellt werden und wozu wir eigentlich ein Symbol wie das Auflösungszeichen benötigen.
Die chromatische Tonleiter
Die Stammtöne entsprechen, wie du weißt, den ersten sieben Buchstaben des Alphabets.
A – B (deutsch H) – C – D – E – F – G
Nun fehlen uns zur Vervollständigung des in der westlichen Musik verwendeten Tonmaterials noch fünf Zwischentöne. Diese liegen, wie der Name schon sagt, an bestimmten Stellen zwischen den Stammtönen.
A – Ais – H – C – Cis – D – Dis – E – F – Fis – G – Gis
Zur Benennung der Zwischentöne wird dem Namen des vorhergehenden Stammtons einfach ein “is” angefügt. Auf A folgt Ais, auf C dementsprechend Cis. Auf jeden Stammton folgt ein Zwischenton, Ausnahmen sind jedoch E und H, und das hat einen ganz einfachen Grund: Zwischen E und F sowie zwischen H und C gibt es keinen Zwischenton.
Die so entstandene Folge von zwölf Tönen wird auch “chromatische Tonleiter” genannt. Sie stellt die Gesamtheit aller Töne der westlichen Musik dar. Mit anderen Worten: Mehr gibt es für uns nicht zu lernen!
Der Abstand zwischen zwei benachbarten Tönen der chromatischen Tonleiter beträgt jeweils einen Halbtonschritt. Auf der Gitarre entspricht ein Halbtonschritt dem Abstand zweier benachbarter Bünde. So müssen wir, um von C zu Cis zu gelangen, einfach nur den Ton einen Bund weiter rechts (Richtung Korpus) greifen.
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Das Kreuz in der Musik
Nun kommen die Kreuze (#) ins Spiel. Diese zählen zu den sogenannten Versetzungszeichen. Bei der Bezeichnung eines Zwischentons kann ein Kreuz auch die Endung “is” ersetzen:
A# = Ais
Deshalb lässt sich die chromatische Tonleiter alternativ auch wie folgt aufschreiben:
A – A# – H – C – C# – D – D# – E – F – F# – G – G#
Ein Kreuz versetzt einen Stammton um einen Halbton nach oben, daher der Name Versetzungszeichen. Es existieren noch zwei weitere Versetzungszeichen, von denen wir das eine noch in dieser und das andere in der nächsten Folge besprechen werden.
Neben der alternativen Schreibung der Notennamen sind Kreuze insbesondere bei der Notation der Töne unverzichtbar. Im Notensystem ist, wie wir wissen, zwischen den Stammtönen kein Platz mehr für Zwischentöne. Wir müssen diese daher immer in Relation zum vorhergehenden Stammton bezeichnen.
Zur Darstellung von A# (Ais) schreibt man die Note A und stellt ihr ein Kreuz voran. Somit weiß der Spieler, dass nicht A, sondern A# gespielt werden soll.
Die Töne auf den unteren beiden Saiten
Schauen wir uns das einmal am Beispiel der ersten Saite an. Neben den aus der letzten Folge bekannten Stammtönen sind die neuen Zwischentöne farbig hervorgehoben:
Das eingestrichene Fis (fis’ oder f#’) befindet sich im zweiten Bund, gis’ im vierten Bund. Somit können wir auf der ersten Saite in Summe fünf Töne spielen.
So sehen diese fünf Töne in Notenschrift aus.
Das Versetzungszeichen steht vor der Note, die es erhöht. Darüber hinaus müssen wir uns merken, dass ein Versetzungszeichen nicht nur für die Note gilt, vor der es steht, sondern auch für alle folgenden Noten derselben Tonhöhe bis zum Taktende.
In Beispiel 3 spielen wir folglich zwei Mal die Note f’, gefolgt von zwei Mal f#’, denn das Kreuz erhöht, wie gesagt, jedes folgende f’ bis zum Taktende zu f#’. Im zweiten Takt spielen wir ein g’ gefolgt von drei Mal g#’, da auch hier das Kreuz für alle folgenden Noten derselben Tonhöhe (g’) bis zum Taktende gilt.
Das Auflösungszeichen
Die Vereinbarung, das Kreuze generell bis zum Taktende gelten, dient der Übersichtlichkeit des Schriftbildes, so muss nicht jedem einzelnen Fis immer wieder ein Kreuz vorangestellt werden. Nun kann es aber durchaus auch vorkommen, dass in einem Notenbeispiel ein F auf ein Fis folgen soll. Wir müssen dann also gewissermaßen das Kreuz wieder zurücknehmen. Aber wie sollen wir das notieren, wenn jedes Kreuz auch für die nachfolgenden Töne gilt?
Dafür gibt es ein weiteres Versetzungszeichen, das Auflösungszeichen. Es macht vorhergehende Versetzungszeichen für eine folgende Note wieder rückgängig und hilft uns im besprochenen Fall, nach einem Fis noch im selben Takt ein F zu notieren. Bsp. 4 ähnelt Bsp. 3, jedoch soll im ersten Takt zuerst fis’, dann f’ gespielt werden. Im zweiten Takt wird nach gis’ wieder ein aufgelöstes g gespielt. Auflösungszeichen gelten ebenfalls für alle nachfolgenden Noten derselben Tonhöhe bis zum Taktende.
Nun kommen wir wie immer zu den praktischen Übungen. Die nächsten drei Notenbeispiele bestehen ausschließlich aus den fünf Tönen der ersten Saite (Leersaite und vier gegriffene Töne).
Die Verwendung von Kreuzen und Auflösungszeichen ist beim Notenlesen am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber nach dem Durcharbeiten aller Beispiele des heutigen Workshops wirst du mit Sicherheit keine Probleme mehr mit dieser Schreibweise haben!
Gehen wir das erste Übungsbeispiel (Bsp. 5) für den Anfang gemeinsam durch: Im ersten Takt spielen wir zwei Mal die Note fis’ und einmal g’. Im zweiten Takt haben wir die Töne e’, e’ und f’, da das vorhergehende fis’ mit dem Taktstrich wieder aufgehoben wurde. Im dritten Takt spielen wir g’, g’ und gis’, im vierten zwei Mal g’. Der vierte Takt beginnt mit einem fis’, gefolgt von zwei Mal f’ (Auflösungszeichen). Im letzten Takt spielen wir ein e’.
Wenden wir uns nun der zweiten Saite zu und fügen zwischen den Stammtönen noch die Zwischentöne cis’ (zweiter Bund) und dis’ (vierter Bund) ein. Insgesamt haben wir also auch hier fünf Töne zur Verfügung:
Zur Darstellung im Notensystem benötigen wir auch hier wieder Kreuze.
Die nächsten drei Übungen verwenden ausschließlich die fünf Töne der zweiten Saite.
Der folgende Schritt besteht darin, wie schon in der letzten Folge die Töne von erster und zweiter Saite zu kombinieren.
Dieselben Töne als Noten:
Die zehn Töne in drei Übungen:
Die Töne auf den mittleren beiden Saiten
Wenden wir uns nun der dritten Saite zu. Wie bereits in der letzten Folge besprochen, lassen wir den Ton h im vierten Bund weg, da wir diesen bereits durch die leere zweite Saite abgedeckt haben. Viele Töne lassen sich auf unterschiedliche Weise spielen, für das Spielen nach Noten ist es jedoch zunächst sinnvoll, jeder Note eine eindeutige Griffbrett-Position zuzuweisen und zu viele Optionen zu vermeiden.
Die neuen Töne auf der dritten Saite heißen gis’ (erster Bund) und ais’ , gesprochen “a-is” (dritter Bund).
Die Darstellung als Noten erfolgt nach demselben Prinzip wie bei allen Zwischentönen, dem vorhergehenden, nächst tieferen Stammton wird ein Kreuz vorangestellt.
Es folgen wie immer drei Übungsbeispiele mit den Tönen der dritten Saite.
Auf der vierten Saite finden wir neben den schon bekannten Stammtönen d, e und f noch die Zwischentöne dis (erster Bund) und fis (vierter Bund).
Zur Übung gibt es nun wieder drei Notenbeispiele.
Etwas anspruchsvoller ist es, die Töne der letzten beiden gezeigten Saiten zu kombinieren:
Alle neun Töne nun noch einmal in Notendarstellung:
Die folgenden Notenbeispiele beinhalten die Töne der dritten und der vierten Saite.
Die Töne der oberen beiden Saiten
Auf der fünften Saite können wir neben den bereits bekannten Stammtönen noch Ais (erster Bund) und cis (vierter Bund) spielen.
Der Vollständigkeit halber hier noch als Noten:
Die folgenden Übungen werden uns auch diesmal helfen, die neuen Noten zu verinnerlichen.
Kommen wir nun zur sechsten Saite, hier müssen wir uns ebenfalls zwei neue Töne merken – dann können wir alle Töne der ersten Lage lesen und spielen!
Fis befindet sich auf der sechsten Saite im zweiten, Gis im vierten Bund.
Fis und Gis lassen sich natürlich ebenfalls mithilfe von Kreuzen im Notensystem darstellen:
Die nächsten drei Praxisbeispiele geben uns die Gelegenheit, alle Töne der sechsten Saite in Kombination zu üben.
Bei Überbindung einer Note über den Taktstrich hinaus gilt das Kreuz natürlich auch noch für die übergebundene Note, nicht jedoch für die weiteren Noten derselben Tonhöhe im neuen Takt.
Nun wollen wir die letzten beiden Saiten verbinden.
Hier noch die Übersicht derselben Töne in Notenschrift.
Zum Abschluss der heutigen dritten Folge unseres Notenworkshops wollen wir natürlich auch diesmal unser neu erworbenes Wissen in einer Abschluss-Etüde anwenden, in der alle Töne der ersten Lage gut gemischt vorkommen. Damit bist du schon für viele spielerische Situationen bestens gerüstet.
In der nächsten Folge zeige ich dir das b-Zeichen und erkläre dir den Sinn und Zweck von Tonarten.
Bis dahin aber erst einmal viel Spaß mit den Kreuzen und der heutigen Abschluss-Etüde!
Für noch mehr Übematerial zu diesem Thema empfehle ich die Videos und PDFs auf meiner Seite “gitarrenvideounterricht.de”!
Viel Spaß damit!
Christian
Ansgar sagt:
#1 - 30.12.2020 um 11:20 Uhr
Im Beispiel 5 ist meiner Meinung nach die letzte Note im 2. Takt falsch gespiel, denn der Taktstrich löst das F# zum F auf, oder sehe ich das falsch?
Michael Behm (bonedo) sagt:
#2 - 02.01.2021 um 08:55 Uhr
Hallo Ansgar,
danke für deinen Hinweis! Wir haben das Notenbild entsprechend korrigiert.
Beste Grüße aus der Gitarrenredaktion
Michael Behm