Interview und Gear-Chat: Anika Nilles

Mit den Videos zu ihren Songs Wild Boy und Alter Ego hat Anika Nilles in den letzten Jahren für reichlich Wirbel in der Trommel-Community gesorgt. So versammelt sie nicht nur eine wachsende Zahl weltweiter Fans hinter sich, auch der Musikinstrumenten-Industrie ist ihr Talent natürlich nicht verborgen geblieben. Die junge Dame ist auf dem besten Weg, eine der Ikonen einer neuen Generation von Drummern zu werden. Ich traf die überraschend bodenständig gebliebene Trommlerin am Vortag des Meinl Drumfestivals 2015 zum Gespräch.

Bild: © Christoph Behm
Bild: © Christoph Behm

Hi Anika, lass uns doch zu Beginn des Interviews kurz über dein Setup sprechen. Was mir als erstes aufgefallen ist, du neigst die Becken ziemlich von dir weg,…

Genau, genau…(lacht)

…das kenne ich von Chris Coleman, steckt der als Ideengeber dahinter?

Der hat mich tatsächlich dazu inspiriert, das mal auszuprobieren, und nach einiger Zeit sind mir dazu ein paar Sachen aufgefallen.

Was ist denn dabei der Vorteil?

Wenn du ein Becken durchcrashst und es gerade eingestellt hast, neigt es sich ja zu dir, dabei kam es öfter vor, dass ich „unrhythmisch“ da drauf gehauen habe, oder das Becken abstoppte und ich einen Schlag aussetzen musste. In der jetzigen Einstellung schwingen die Becken beim Durchcrashen gerade, und so lässt es sich viel besser spielen. Das ist das eine. Zum anderen habe ich meine Becken ja ziemlich tief hängen, da kam es öfter vor, dass ich mir an den Beckenrändern Verletzungen an den Fingerkuppen zugezogen habe. Jetzt bin ich quasi „gezwungen“, die Becken von weiter oben anzuschlagen, muss sie aber nicht höher hängen.

Anika im Backstage des Meinl Drumfestivals. Das Schlagzeug ist ein Mapex Black Panther White Widow Set. Bild: © Christoph Behm
Anika im Backstage des Meinl Drumfestivals. Das Schlagzeug ist ein Mapex Black Panther White Widow Set. Bild: © Christoph Behm

Behältst du denn dein Setup immer so bei, auch wenn du zum Beispiel im Studio bist? Hängst du die Becken da weiter von den Toms weg? 

Wenn ich mein Zeug aufnehme, habe ich das Set so stehen, das ist dann immer nicht so einfach mit dem Mikrofonieren, da alles sehr eng beieinander ist. Wenn ich für andere einspiele, habe ich ja meist nie so ein Riesen-Setup und kann dann Trommeln und Becken auch weiter voneinander weg positionieren.

Du hast ja in der Vergangenheit mehrere Clinics bestritten und bist auch auf kleineren Drum-Festivals aufgetreten, aber hier beim Meinl Drum-Festival ist es was ganz besonderes…

Ja, hier ist richtig Feuer angesagt. Es sind viele internationale Trommler da, und viele darunter, die ich aus YouTube schon lange kenne. Da ist es einerseits was total Besonderes, die hier zu treffen und dann auch noch auf einer Bühne mit denen stehen zu dürfen. Ich bin tierisch nervös, wirklich brutal. 

Hast du dich denn anders vorbereitet als gewöhnlich?

Ich habe die letzten zwei Wochen quasi durchgeübt. Ob das was gebracht hat, keine Ahnung. Aber für mein Wohlbefinden ist es auf jeden Fall gut gewesen. Vor dem Auftritt morgen früh werde ich versuchen, mich mental darauf einzustimmen. 

Was machst du dafür, Yoga oder meditieren?

Eher weniger. Ich mache Atemübungen. Da ich tatsächlich oft so nervös bin, dass meine Hände zittern und ich spielerisch nichts mehr auf die Reihe kriege, habe ich bemerkt, dass Atemübungen mir total viel bringen, und mich runterzubekommen und mich auf die Sache zu fokussieren. Das werde ich dann morgen früh sicherlich machen, weil ich es brauche. (lacht)

Fotostrecke: 4 Bilder Die Mapex Phat Bob Hauptsnare in 14×7″ mit Woodhoop.

Beschreib doch mal, was sich seit deinem YouTube Erfolg geändert hat. Merkst du das auch im Alltag?

Im Alltag weniger, denn bevor das mit YouTube passiert ist, war mein Tagesablauf schon ziemlich voll, und viel Zeit am Tag ging mit Schlagzeug spielen drauf. Und das ist nach wie vor so, das hat sich nur verlagert, aus dem Proberaum raus und noch mehr auf die Bühne. Was sich auch verändert hat, sind die Anfragen und Angebote, die ich bekomme, dadurch hat sich auch mein Verdienst geändert. Insofern, dass ich jetzt auf anderen Baustellen mein „Monatsding“ verdiene und beispielsweise weniger durchs Unterrichten.

Aber du gibst schon noch Unterricht?

Ja, ich gebe noch Unterricht, aber nur wenn es die Zeit zulässt. Es kommen manchmal Leute zu mir, und dann machen wir zwei, drei Stunden am Stück. Und ich habe noch ein paar Schüler, die schon sehr lange zu mir kommen, und die versuche ich auch noch regelmäßig zu unterrichten. Aber ansonsten ist im Moment alles anders. (lacht) Also in dem Sinne, dass ich weniger lokale Sachen mit Bands aus meinem Umkreis spiele, sondern es ist jetzt alles mindestens deutschlandweit und wird auch gerade international. Richtig super ist, dass ich durch die YouTube Geschichte jetzt meine Songs mit Band spiele und los geht‘s. Das ist einfach das Geilste, wenn du deine eigene Musik auf die Bühne bringen kannst, vor allem als Schlagzeuger. Denn meistens ist es ja so, dass du – was auch cool ist – als Timekeeper fungierst. Und das mache ich auch nach wie vor in anderen Bands, aber ich bin auch Songwriterin, und da ist es einfach schön, meine eigenen Songs mit Band zu spielen.

Du bist ja seit einiger Zeit bei Meinl unter Vertrag, einem mittlerweile großen Player im Beckengeschäft. Macht das für dich einen krassen Unterschied, und ist das für deine Sachen auch an anderer Stelle ein Support?

Ja, natürlich. Ohne Meinl wäre ich keinesfalls da, wo ich jetzt stehe. Auch dass so viele Leute meine Songs kennen, hat zu einem Teil mit Meinl zu tun. Dazu kommt, dass mich die Firma auf Clinics ins Ausland schickt, auch eine Sache, die ich alleine nicht so einfach stemmen und organisieren könnte. Das Gute ist, dass sie mich, neben dem Equipment, in allen Dingen sehr unterstützen, und das machen sie richtig richtig gut, von A-Z stimmt da einfach alles, und dafür bin ich sehr dankbar. Das hat mir in der Vergangenheit bis hierher sehr viel gebracht.

Fotostrecke: 3 Bilder Bei Anika hängen nicht nur die Becken schräg, es wird auch munter kombiniert. Das ist eine 18″ X-Hat, die aus einem Thin Crash, einem Trash Crash und einem Ching Ring besteht.

Du machst ja viel „mit Quintolen“, sage ich jetzt mal so salopp. Wie kam es dazu? 

Auf die Quintolen bin ich gekommen, weil ich mit Frank Itt gejammt habe, und er meinte „Komm, lass uns mal was Quintolisches spielen! Das habe ich schon mal mit einem Drummer gemacht.“ Und irgendwie ging das nicht so gut (lacht) in dem Moment. Ich fand die Sache aber voll interessant, denn das Thema Quintolen kriegt man ja gerade im Studium (Popakademie) öfter vorgehalten, aber was man dann genau damit anfängt, darüber gab es irgendwie nichts. Ich habe dann speziell nach Grooves gesucht in der Art, wie er (Frank Itt) das schon gemacht hat, aber es gab wirklich nichts, keinerlei Notationen oder so was. Dann habe ich angefangen, mir selbst Dinge auszudenken, mit der Zielsetzung, eine Prüfung damit zu spielen. Dann hat es aber ein Jahr gedauert, bis ich das ansatzweise prüfungsreif hinbekommen habe, und seitdem bin ich dran. So langsam sind die Quintolen auch allgemein immer mehr zu hören, und die ersten Bücher und DVDs kommen auf den Markt. Jetzt passiert also was, wo man sich auch Input holen kann. 

Hast du denn selber vor, ein Buch oder eine DVD zu veröffentlichen?

Ja, das steckt mir schon im Kopf. Ich habe diesen fetten Ordner voll Quintolen-Geschichten, den ich mir in den letzten drei Jahren so „zusammengesponnen“ habe. Das würde ich schon ganz gern in so eine Buch-Form quetschen.

Gibt es noch andere Baustellen, wo du sagst: „Das wollte ich schon immer mal checken, wenn ich die Zeit zum Üben hätte…“

(lacht) Wenn du meinen Proberaum sehen könntest, da ist eine Wand komplett voll geschrieben mit Sachen die ich angefangen habe zu üben, und da steht neben dran, wo es weiter gehen soll. Und Dinge, die für mich komplett neu sind, und Dinge, die ich bereits kann. Wo ich dann sage, okay, jetzt muss ich mich mal entscheiden, in welche Richtung ich da tiefer einsteige. Und das notiere ich alles auf dieser Wand, wenn ich da mal ausziehe, habe ich ein Problem. (lacht) Und so sehe ich direkt bildlich vor mir, wie es gerade vorwärts geht und komme auch auf neue Ideen. 

Du inspirierst ja viele Leute durch deine Videos, welche Trommler inspirieren dich denn so?

Ah, da gibt‘s total viele, auch unbekannte Leute. Ich fang mal mit den bekannten Leuten an, die mich schon länger inspirieren. Das ist auf jeden Fall Chris Coleman, das ist JoJo Mayer und auch Benny (Greb). Und nach wie vor natürlich Jeff Porcaro. Dann, wenn ich mir YouTube Videos angucke, gibt‘s Typen wie Matt Garstka, der jetzt auch nicht mehr so unbekannt ist, (lacht) von dem schaue ich mir viel an, auch weil sein Style so komplett anders als das ist, was ich mache. Da kann ich mir auch ganz viel für mich rausziehen. Und dann gibt es so Leute, von denen habe ich noch nie was gehört, von denen ich auch die Namen nicht mehr weiß, über die falle ich zufällig bei YouTube. Deren Videos guck ich mir an, speicher mir den Link und schau es mir dann noch drei Tage an, und dann war es das aber auch schon wieder. Aber in den drei, vier Tagen habe ich mir ganz viel Inspiration holen können. YouTube ist voll mit Trommlern, die unbekannt sind, aber unfassbar trommeln können. 

Anika in Action beim Meinl Drumfestival 2015 / Bild: © Christoph Behm
Anika in Action beim Meinl Drumfestival 2015 / Bild: © Christoph Behm

Hast du eigentlich eine favorisierte Musikrichtung, interessiert dich zum Beispiel die funky Gospel-Lick Abteilung?

Eher weniger. Was ich an einem Typen wie Chris Coleman so geil finde, ist die Tatsache, dass er komplett frei ist. Der spielt keine Licks, sondern kombiniert Groupings frei nach Schnauze und feuert jetzt nicht das Lick ab, das er vor drei Jahren mal geübt hat und seitdem spielt. Diese Freiheit ist für mich persönlich das höchste Ziel, auch die Kontrolle dabei zu behalten. Denn wenn du komplett frei spielst, improvisierst du ja viel. Da passieren dann natürlich auch mal Fehler, was ich aber total spannend finde. Und musikmäßig, meinst du, welche Bands ich gut finde?

Genau, was ist denn zum Beispiel mit einer Band wie Snarky Puppy?

Den Snarky Puppy Style finde ich vor allem rhythmisch interessant. Bei mir ist es oft so, dass ich eine Band gut finde, weil sie rhythmisch, aber weniger vom Sound her mein Ding ist. Dann gibt es Sachen, gerade fürs Songwriting, die finde ich klanglich voll interessant. Das sind meistens Pop-Sachen. Meine Lieblingsbeispiele sind straighte Songs von Justin Timberlake, weil die A: rhythmisch spannend sind, und B: spannend sind vom Sounddesign. Welche Synthies wann kommen, welche Filter und Bässe die benutzen. Bands wie Snarky Puppy oder andere, die Bläser beinhalten, kann ich mir nicht so lange anhören…

Du bist also nicht so ein traditioneller Jazz-Fan? 

Nein, überhaupt nicht. Dann eher Fusion, wo es mit Gitarre und Synthies zur Sache geht…

…also mehr so die Weckl-Abteilung, 80er Jahre Fusion?

Das auch nicht so. Was ich im Moment sehr geil finde, ist das Piano Trio von Tigran Hamasyan. Das erinnert mich an Animals as Leaders, in einer akustischen Form. Das finde ich mega, da geht es brutal ab. Das ist purer Jazz, aber progressiver.

Das heißt, du hast partout nichts gegen Jazz, magst aber einfach Bläser nicht so sehr?

Nein, Bläser sind nicht so mein Ding, und auch Jazz-Chords, wenn es dann so abdriftet. Ich steh eher auf “schöne” Harmonien, aber das ist ja auch immer Geschmacksache. Womit ich aber wieder sehr viel anfangen kann, ist Überjam (Album von John Scofield mit Adam Deitch an den Drums). Scofields Gitarre können sich viele nicht so lange anhören, habe ich schon mitgekriegt, aber ich find‘s geil! Ich höre dann aber auch Sachen wie Joss Stone oder John Mayer, also eher die bluesige Richtung. 

Also hörst du schon noch viel Musik?

Ja, aber weniger, indem ich mich daheim hinsetze und das zelebriere, was ich früher oft gemacht habe. Das mache ich leider nicht mehr, da mir die Zeit fehlt. Ich fahr aber zum Glück oft Auto (lacht) und spiele natürlich im Proberaum einfach mit, ohne zu üben, einfach zum Spaß dabei haben.

Vielen Dank für´s Gespräch!

Bild: © Christoph Behm
Bild: © Christoph Behm

Anikas Equipment

Drums und Hardware: Mapex

  • Black Panther White Widow Set 
  • 20×18 BD (Custom)
  • 10″ und 8″ Toms , 14″ und 16″ Floortoms
  • Snares: Black Panther Phat Bob 14×7″ Maple mit Wood Hoop (oben) und Black Panther Black Widow 14×5″ Maple (Side Snare) 
  • Pedale: Mapex Falcon Single (2x) und Hi-Hat Maschine

Becken: Meinl Byzance 

  • 20” Byzance Vintage Pure Crash
  • 15” Byzance Dual Hihats
  • 18” Byzance Dual Crash mit 06” Byzance Splash on top
  • 10” Byzance Extra Dry Splash
  • 22” Byzance Extra Dry Medium Ride
  • 12” Byzance Splash (bottom), 12” Generation X Filter China (center), 10” Byzance Splash (top)
  • 18” Byzance Extra Dry Thin Crash (xhat bottom), 18” Byzance Trash Crash (xhat top), Ching Ring
  • 20” Byzance Extra Dry Thin Crash
  • 20” Byzance Trash Crash (stack bottom)
  • 18” Byzance Trash Crash (stack top)

Felle: Evans (auf den Bildern sind noch Aquarian Felle zu sehen)

  • Bass Drum:         Emad Onyx (Schlagfell), EQ3 Smooth White (Reso)
  • Tom Toms:         EC2 Frosted (Schlagfell), G1 Clear (Reso)
  • Floor Toms:        G2 Coated (Schlagfell), G1 Clear (Reso)
  • Haupt-Snare:    EC1 Reverse Dot (Schlagfell), Glass 500 (Reso)
  • Side-Snare:        Genera HD (Schlagfell), Hazy 300 (Reso)

Sticks: Vic Firth Ralf Gustke Signature Modell

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Bild: © Christoph Behm

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