Einer der Bausteine des Roland AIRA Systems ist der sogenannte „Plug-Out Synthesizer“ SYSTEM-1. Während sich die TR-8 um die Drums kümmert, der TB-3 für die fette Bassline sorgt und der VT-3 für Vocal-Effekte zuständig ist, fällt dem SYSTEM-1 ein weiter Aufgabenbereich zu: Als universeller, polyphoner Synthesizer soll er sozusagen die Buttercreme auf die Groove-Torte schmieren und vielseitige Synth-Sounds, Bässe, Arpeggios, Leads und Flächen liefern.
Damit das Soundmaterial nicht so schnell ausgeht und um eine Brücke zwischen Studio und Bühnenperformance zu schlagen, hat Roland sich das innovative „Plug-Out“-Konzept ausgedacht. Zwar besitzt das SYSTEM-1 eine eigene, integrierte Klangerzeugung. Darüber hinaus soll es aber auch als „verlängerter Arm“ der Computer-Produktionsumgebung funktionieren, indem man bestimmte Roland Software-Synthesizer auf das SYSTEM-1 „herauspluggen“ und dann ohne Computer spielen kann. Wir haben uns angesehen, wie Roland das bewerkstelligt hat und ob das Konzept aufgeht. In diesem Test soll es um das SYSTEM-1 und seine eigene Klangerzeugung gehen. Die bereits erhältlichen „Plug-Outs“ haben wir separat getestet – hier geht’s zum SH-101, hier zum SH-2 und hier zum PROMARS.
Details
Konzept und Klangerzeugung
Das SYSTEM-1 ist beides: virtuell-analoger Hardware-Synthesizer und Controller-Oberfläche für eine Serie von „Plug-Out“ Software-Synthesizern, die sich in der DAW wie normale Plug-ins verhalten und auf dem SYSTEM-1 computerunabhängig lauffähig sind. Das SYSTEM-1 wird mit einem Lizenzcode für den Plug-Out Synth SH-101 ausgeliefert. Mit dem SH-2 ist inzwischen ein zweiter verfügbar, weitere sollen folgen. Um den bedientechnischen Anforderungen möglichst vieler verschiedener Software-Synths gerecht zu werden, ist die Oberfläche des SYSTEM-1 wie eine Art „Durchschnitts-Synthesizer“ aufgebaut, dessen Ausstattung mit Bedienelementen auf viele klassische, subtraktive Synthesizer passt.
Passend dazu wurde das SYSTEM-1 mit einer eigenen, vierstimmig polyphonen, virtuell-analogen Klangerzeugung ausgestattet, die jeden Regler der Oberfläche nutzt und damit ebenfalls einem gängigen Standard entspricht. Es gibt zwei Oszillatoren mit Sync und Ringmodulator, einen Suboszillator, einen Rauschgenerator, ein resonanzfähiges Tiefpassfilter mit umschaltbarer Flankensteilheit, ein zusätzliches, einfaches Hochpassfilter, Hüllkurven für Amp, Filter und Pitch sowie einen synchronisierbaren LFO. Hinzu kommen die Effekte Bitcrusher, Reverb und Delay sowie der Arpeggiator mit „Scatter“-Funktion, den alle Instrumente der AIRA-Serie gemeinsam haben. Per Tastendruck kann zwischen der internen Klangerzeugung und einem auf das SYSTEM-1 geladenen Plug-Out Synthesizer umgeschaltet werden.
Bedienfeld
Die Bedienoberfläche des SYSTEM-1 folgt dem Signalfluss innerhalb eines subtraktiven Synthesizers. Alle Bedienelemente sind grün beleuchtet. Bei Verwendung eines Plug-Out Synths wird durch die Lightshow angezeigt, welche Knöpfe und Regler aktiv sind, also bei dem betreffenden Software-Synth eine Funktion haben. Lädt man zum Beispiel den SH-1, der nur einen Oszillator hat, als Plug-Out auf das SYSTEM-1, so bleiben die Bedienelemente für den zweiten Oszillator dunkel. So hat man sofort im Blick, woran es sich zu schrauben lohnt – clever gelöst!
Das Bedienfeld beginnt links mit dem LFO, der mit einem Drehschalter für die Schwingungsform (Sinus, Dreieck, Sägezahn steigend, Rechteck, Sample&Hold, Random), zwei Potis für Fade Time und Rate sowie Regler für die Modulationsziele Pitch, Filter und Amp ausgestattet ist. Danach folgen die beiden Oszillatoren. Beide bieten die Schwingungsformen Sägezahn, Rechteck, Dreieck sowie jeweils abgewandelte Versionen davon, die in der Bedienungsanleitung lapidar als „Sägezahn 2“ usw. bezeichnet werden – in Wirklichkeit verbergen sich dahinter der legendäre „Supersaw“ und seine Kollegen „Supersquare“ und „Supertri“. Jeder Oszillator hat einen gerasterten Drehschalter für die Fußlage (64′-2′) und ein „Color“-Poti, das je nach Schwingungsform verschiedene Shaping-Funktionen übernimmt (z.B. Pulsbreite, Supersaw-Depth). „Color“ kann manuell eingestellt oder vom LFO, den Hüllkurven oder sogar dem Suboszillator moduliert werden, wofür es jeweils einen Wahlschalter gibt. Oszillator 1 hat zusätzlich ein Poti für die Cross-Modulation, bei OSC 2 gibt es stattdessen einen Tune-Regler für die Verstimmung gegenüber OSC 1 sowie Buttons für Sync und Ring Mod.
Es folgt der Mixer mit vier Potis für die beiden Oszillatoren, den Suboszillator und Noise. Mit einem Taster kann man wählen, ob der Sub eine oder zwei Oktaven unter OSC 1 klingen soll. Ein zweiter Taster schaltet zwischen Weißem und Rosa Rauschen um. In der Pitch-Sektion gibt es eine einfache Pitch-Hüllkurve (Attack/Decay) und ein Poti mit gerasterter Mittelstellung für die Modulationstiefe.
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Das Filter wartet mit Drehpotis für Cutoff, Resonance, Envelope Depth und Keytracking auf. Zusätzlich gibt es einen Taster zur Umschaltung der Flankensteilheit (12dB / 24dB) und vier Fader für die dazugehörige ADSR-Envelope. Ein weiteres Poti dient der Einstellung des einfachen Hochpassfilters.
In der Amp-Abteilung gibt es eine weitere ADSR-Hüllkurve. Außerdem steht mit „Tone“ eine einfache Ein-Knopf-Klangblende zur Verfügung und hinter dem Poti „Crusher“ verbirgt sich ein eingebauter Bitcrusher-Effekt. Ganz rechts bilden drei Potis für Reverb sowie Delay-Depth und -Time den Abschluss. Die Effekte Tone, Crusher, Reverb und Delay sind übrigens immer einsatzbereit – auch bei den Plug-Outs, obwohl sie bei deren historischen Vorbildern natürlich nicht vorhanden waren.
Die Leiste über der Tastatur ist allgemeinen Einstellungen vorbehalten. Neben dem Lautstärkeregler findet man hier die Portamento-Settings (Zeit-Poti und Legato-Taster), einen Temporegler mitsamt Sync-Taster, einen Button für die Key-Sync-Option des LFOs sowie einen Taster, mit dem zwischen monophonem, polyphonem und Unison-Betrieb umgeschaltet werden kann. Zentral angeordnet sind die beiden Knöpfe zum Umschalten zwischen SYSTEM-1 und einem Plug-Out Synth. Rechts davon folgen acht Memory-Taster zum Speichern von Einstellungen und ein „Manual“-Button, der die momentane Stellung aller Regler ausliest und den Sound entsprechend einstellt.
Links von der Tastatur finden wir schließlich den Arpeggiator mit „Scatter“ sowie das von den anderen AIRA-Instrumenten bekannte Jogwheel. Ist der Arpeggiator aktiv, dient es zum Auswählen und Aktivieren der Scatter-Funktionen. Ohne Arpeggiator verhält es sich wie ein Pitchbend-Rad, was sehr ungewohnt ist. Gewöhnungssache… Ganz unten gibt es schließlich noch einen „Key Hold“-Taster, der die gespielte Note festhält bzw. als „Latch“ für den Arpeggiator dient, zwei Buttons zum Umschalten der Oktave und einen Modulations-Taster, der Vibrato hinzufügt.
Besonders die gummierten Taster gefallen mir gut und machen einen haltbaren Eindruck. Bei den Drehreglern bin ich mir diesbezüglich nicht ganz so sicher – man sollte das SYSTEM-1 jedenfalls nach Möglichkeit nicht auf die Regler fallen lassen – aber sie bieten wie auch die Fader einen angenehmen Widerstand und lassen sich feinfühlig einstellen.
Tastatur
Was Roland sich bei der Tastatur des SYSTEM-1 gedacht hat, ist mir allerdings ein Rätsel. Der Hersteller baut seit Jahrzehnten sowohl Synthesizer als auch Digitalpianos mit anerkannt guten Klaviaturen. Aus unerfindlichen Gründen hat man sich dennoch entschieden, in das SYSTEM-1 eine der schlechtesten Tastaturen einzubauen, die mir überhaupt jemals begegnet sind, vielleicht mit Ausnahme des ION Piano Apprentice. Zwar sind die 25 Tasten normal groß, das ist dann aber auch das einzig Positive. Die Tasten haben einen sehr kurzen Anschlagsweg, klappern stark und fühlen sich wie Spielzeug an. Die Note wird am oberen Ende des Tastenwegs ausgelöst wie bei einer Hammond-Orgel. Es gibt keine Anschlagdynamik, von Aftertouch ganz zu schweigen. Welche Überlegung dahinter steckt, ist mir schleierhaft – jede beliebige andere Synthesizertastatur aus Rolands Teileregal wäre im Vergleich eine Offenbarung und hätte noch nicht einmal Entwicklungsaufwand bedeutet. Vielleicht war man in der AIRA-Abteilung der Ansicht, die anvisierten „Groove-Musiker“ könnten sowieso nicht Keyboard spielen und interessierten sich nur für das Drücken von Arpeggiator-Akkorden. Das mag auf einen Teil der Zielgruppe zutreffen – für alle anderen ist diese Tastatur eine Zumutung. Notfalls kann man das SYSTEM-1 natürlich mit einer externen Tastatur kombinieren, aber das ist dann gleich wieder ein Gerät mehr, das mit zum Gig muss.
Anschlüsse
Auf der Rückseite gibt es einen Kopfhörerausgang und einen Stereoausgang (2x Klinke). Außerdem wartet das SYSTEM-1 mit zwei Pedalanschlüssen (Hold, Control) und MIDI In/Out auf. Die USB-Buchse sendet und empfängt MIDI und dient zum Laden der Plug-Out Synthesizer auf das SYSTEM-1 sowie für Software-Updates. Darüber hinaus kann das SYSTEM-1 auch 24bit-Audio über USB übertragen, sodass man den Synthesizer direkt über die USB-Verbindung aufnehmen und das DAW-Playback über das SYSTEM-1 abhören kann. Fast alle Audiobeispiele dieses Tests wurden auf diese Weise aufgenommen. Eine Bohrung für ein Kensington-Lock, der Anschluss für das mitgelieferte Netzteil und ein kleiner Power-Schiebeschalter bilden den Abschluss. Die Stromversorgung über USB ist übrigens nicht möglich.
Andy Lekkman sagt:
#1 - 11.01.2018 um 19:19 Uhr
Sehr gut gemachtes Review! Vielen Dank dafür...Zur Tastatur: Hier ist die Überlegung dahinter mutmaßlich eine Wirtschaftliche, da es die Entscheidung, dann doch den 100€ teureren Roland System-1m zu ordern, erleichtern dürfte...