Ein Pärchen M 295 repräsentiert die Nierenmikrofone des Herstellers Microtech Gefell im großen Testmarathon hier bei bonedo. Zwar ist Microtech Gefell vor allem für seine großmembranigen Kondensatormikros bekannt, doch haben wir uns auch die Stäbchen M 221 und M 295 als Vertreter für die Kleinmembran-Produktrange kommen lassen – schließlich waren schon zu Zeiten der Teilung Deutschlands auch diese Mikrofontypen aus Gefell beliebt.
Das M 295 ist kein komplett neu entwickeltes Mikrofon, sondern fußt auf einer langen Tradition. Zudem ist es nicht alleine, denn in seinem direkten Umfeld sind noch weitere Kleinmembran-Kondensatormikrofone ähnlicher Bauart verfügbar.
Details
Modularität? Keine Modularität?
Eine sehr beliebte Mikrofonkapsel des Herstellers nahe des Drei-Freistaaten-Ecks (Sachsen, Thüringen und Bayern) war die M 70, eine Modularsystem-Niere. Das M 295 hingegen ist kein Modularsystem, sondern vereint diesen Kapseltypus mit der Weiterentwicklung des prinzipiell sehr linearen Mikrofonverstärkers MV 200. Es ist und bleibt ein Streitpunkt, ob das spezifische Abstimmen von Kapsel und Verstärker nun notwendig ist oder nicht. DPA haben sich lange dagegen gesträubt und gegenargumentiert, machen es mittlerweile aber selbst, Schoeps’ modulare Colette-Serie ist zweifelsohne hervorragend. Anders als bei Neumann, bei denen die nichtmodularen KM18x-Mikrofone preiswerter sind als die AKxx/KM100-Modulmikrofone, ist bei Gefell die SMS-2000-Modularserie preiswerter als etwa das M 295, welches mit gut 1300 Euro einen sehr soliden Preis aufruft.
Selten: Nickelmembran
Anders als bei den meisten anderen Kondensatormikrofonen auf dem Markt, bei denen eine Mylarfolie mit einer dünnen Goldschicht bedampft wird (das ist nicht automatisch “edel”, selbst in der Budgetklasse wird so gearbeitet), kommt beim M 295 eine Nickelmembran zu Einsatz. Vollmetallmembranen werden bei manchen Messmikrofonen genutzt, bei Neumanns M150 Tube beispielsweise und einigen Sanken-Mikrofonen wird Titan als Material verwendet, auch Edelstahlfolien werden für Mikrofone benutzt. Neu auf dem Markt sind die chinesischen MicW-Mikrofone, die ebenfalls Nickel verwenden. Eine Besonderheit des Gefell-Mikrofons ist, dass als Dielektrikum im Kondensator zwar natürlich Luft verwendet wird, doch ist die Backplate beschichtet – nicht mit einem Elektret, sondern mit nicht leitendem Teflon: Dies soll das Mikrofon sicherer im Betrieb machen. Es ist davon auszugehen, dass die Gefahr eines Funkenüberschlags zwischen Membran und Gegenelektrode deutlich verringert wird. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass negative Eigenschaften signifikante Auswirkungen haben, so wird die aufgebrachte Schicht dünn genug sein, um den Elektrodenabstand nicht sonderlich zu vergrößern, außerdem wird die Kapazität bestimmt nicht merklich eingeschränkt. Die etwa 3/5” durchmessende Membran wird mit einer Kapselvorspannung von 80 Volt betrieben, die das M 295 aus der 48V-Phantomspeisung hochtransformiert. Es ist nicht übertrieben, Gefells Nickelmembran im M 295 als verdammt dünn zu bezeichnen: Mit 0,8 Mikrometern besteht die Membran “nur” aus ungefähr einer einstelligen Million Nickelatome.
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Transformatorloser Ausgang
Der Mikrofonverstärker des Microtech Gefell M 295 arbeitet übertragerlos und stellt die Verbindung zum Kabel und dem anzuschließenden Mikrofonvorverstärkers selbstredend mit einer XLR-male-Buchse her. Die Ausgangsimpedanz liegt bei 150 Ohm, 17 mV/Pa Empfindlichkeit sind ein ordentlicher Wert. Für die Membrangröße sind 13 dB(A) ein guter Eigenrauschwert, vor allem, wenn man die Clipping-Grenze von 133 dB(SPL) (0,5% THD) hinzuzieht. Dieser obere Wert lässt sich mit der schaltbaren Vordämpfung um zehn Dezibel erhöhen.
29x-Serie: eine Kugel, drei Nieren?
Sicherlich einige Verwirrung bewirkt die Tatsache, dass es neben dem Nierenmikro M 295 in MGs Produktrange auch das M 296 mit Kugelcharakteristik, das M 297 mit Breiter Niere und das M 294 mit Nierencharakteristik gibt. Moment… eine Breite Niere, zwei Nieren? Jawohl: Zwei Nieren Der wesentliche Unterschied liegt im Frequenzgang: Unser Proband, das 295, ist gekennzeichnet durch einen sanften, aber stetigen und bei etwa 500 Hz einsetzenden Tiefenabfall, welcher beim 294 geringer ausfällt. Damit empfiehlt sich das 295, welches schließlich ein Druckgradientenempfänger ist, besonders für eher kleine Besprechungsabstände. Sollte es dann dennoch zu bassig sein, schafft der dem Pad benachbarte Schiebeschalter Abhilfe, indem er ein HPF in den Signalweg schaltet. Die Steilheit ist nicht dokumentiert (wahrscheinlich zweipolig), ebenso wird entgegen der Sitte statt des -3dB-Punktes die Frequenz genannt, bei der bereits 15 Dezibel Dämpfung eingetreten ist (also dem Eindruck nach meist wirklich “zu” ist): Dies ist bei 60 Hz der Fall. Klanglich auffallend wird der Unterschied von M 294 zu M 295 besonders in den Höhen sein, denn das M 294 verfügt über eine deutliche Anhebung um die 8 kHz herum, die dem 295 fehlt. Für Interessenten des 294 wird es nützlich sein, zu wissen, dass der veränderte Frequenzgang nicht im Verstärkerteil hingebogen wurde, sondern darauf fußt, dass es einen sehr unterschiedlichen Kapselaufbau besitzt – derartiges Tuning wird besonders mit Luftvolumina geregelt. Den Hinweis, dass es eine komplett andere Kapsel ist, liefert vor allem die Versorgungsspannung, die beim 294 nur die Hälfte beträgt. Bei wem die Zahlenkombination “94” die Aufmerksamkeit die Augenbrauen nach oben hat wandern lassen: Ja, es handelt sich im Prinzip um die M-94-Kapsel! 294 und 295 ist übrigens gemein, dass wesentliche Bauteile der Kapselkonstruktion selbst aus Keramik bestehen. In Verbindung mit der Vollmetall-Membran ergibt sich dadurch eine hohe Unempfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen – und hier wird auch wieder die Nähe der Recording-Mikrofone aus Gefell zu den Messmikros des Hauses deutlich.
Das M 295 ist jedoch recht “musikalisch” und wohlwollend abgestimmt, denn oberhalb von 10 kHz sinkt der Frequenzgang deutlich. Die Nierencharakteristik beginnt übrigens ab etwa 1 kHz, ihre rückwärtige Maximaldämpfung zu verringern, ab den Hochmitten verliert sich die Form unweigerlich, da Korpus und Kopf des Mikrofons zunehmend eine Rolle spielen und der rückwärtige Schall für die notwendigen Auslöschungen nicht über den kompletten Frequenzgang konstant gehalten werden kann.