Willkommen zum zweiten Teil unseres Bass-Workshops zum Thema “Disco Funk Basslines”! Letztes Mal betrachteten wir die Anfänge dieser hochinteressanten Mischung aus Soul, Pop und Funk, die hauptsächlich von jenen berühmten Disco-Oktaven dominiert wurden. In der zweiten Hälfte der Disco-Welle wurden die Basslines immer fantasievoller und melodischer: Nicht selten prägten sie den Song so stark, dass jeder Zuhörer den Song alleine mit Drums und Bass zweifelsfrei erkennen und dazu tanzen konnte – man erinnere sich nur an Klassiker wie z. B. “Good Times” von Chic. Dieser Phase der Discomusik verdanken wir zahllose weitere Bassklassiker und Hits, die auch bis heute immer wieder gecovert werden. Grund genug, einige dieser klassischen Disco Funk Basslines unter die Lupe zu nehmen.
Von den Oktaven zur Melodik
Wie beim letzten Mal bereits festgestellt, wird bei vielen Disco-Songs ein klarer Viertelpuls durch die Bassdrum etabliert (“4 On The Floor”). Diesen unterstützen die Disco-Oktaven zusätzlich, was allerdings auch für zahlreiche Redundanzen sorgt und eigentlich bei kräftigen Drums gar nicht zwingend notwendig ist.
Um das Ganze etwas luftiger zu gestalten, erhielt der Bass daher nach und nach mehr rhythmische und melodische Freiheiten. Statt alle Viertel zu betonen, reichten nun häufig lediglich zwei oder drei, und die Oktaven waren lediglich eine von vielen melodischen Optionen.
Ein Song, der diese Entwicklung wunderbar aufzeigt und exemplarisch für zahlreiche andere Tracks aus dieser Zeit steht, ist “Blame It On The Boogie” der Jackson 5. Rhythmisch löst er sich bereits vom alten Muster, und es tauchen auch kleine melodische Elemente auf. Nach wie vor spielen aber auch die Oktaven noch immer eine wichtige Rolle:
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Wachsendes Tonmaterial
Disco besitzt als Stil fließende Grenzen zu Pop, Soul und Funk, nicht so sehr hingegen zu Rock und Blues. Daher ist auch das Tonmaterial etwas “cleaner”. Die in Blues und Rock so prägende Moll-Pentatonik weicht hier stattdessen Tonleitern und Arpeggios. Das wirkt weniger “dreckig”, bietet aber eine größere melodische Variationsbreite. Verantwortlich dafür sind in erster Linie stilprägende Bassisten wie Bernard Edwards oder Verdine White, welche gut ausgebildete Musiker mit entsprechenden Background waren.
DER Klassiker für eine skalare Bassline ist sicher “Good Times” von Chic, der aber bereits ausführlich im Workshop zu Bernard Edwards behandelt wurde. Daher nehmen wir heute als Beispiel für melodische Basslines mit Tonleitern und Arpeggios den nicht minder bekannten Song “September:
Der Bass als prägendes melodisches Element von Disco Funk Basslines
Die eben aufgezeigte Entwicklung führte dazu, dass der Bass häufig den gesamten Song maßgeblich prägte – die Basslines wurden quasi zum Erkennungsmerkmal des Stückes, weswegen man von dieser Zeit aus als “Bassline Era” (“Basslinien-Ära”) spricht! Zusammen mit dem stringenten Drumbeat boten sie bereits alles, was der Disco-Besucher zum Tanzen benötigte. Entsprechend prominent war der Bass natürlich im Mix!
Wie bereits mehrfach angedeutet, ist Bernard Edwards zweifellos der “Godfather of Disco-Bass”, der in dieser Zeit mit seinem Partner Nile Rodgers für Bands wie Chic, Sister Sledge und Diana Ross verantwortlich war. Bernard und seinem großartigen Schaffen haben wir bereits zwei ausführliche Workshops (klickt hier für Teil 1 und hier für Teil 2) gewidmet, daher streifen wir ihn heute nur und picken uns zwei Songs heraus, welche noch nicht in den genannten Workshops behandelt wurden.
Im Vers von Chics “My Forbidden Lover” beispielsweise sorgen Bass und Drums bereits für alles, was für einen Disco-Hit notwendig ist:
Der Titel “My Old Piano” von Diana Ross zeigt wunderbar, wie viel melodische Kraft bereits in einem Motiv aus Grundton, Quinte und Oktave eines Akkordes stecken kann:
Eine sensationelle Bassline lieferte aber auch kein Geringerer als Paradiesvogel T.M. Stevens in Narada Michael Waldens „I Shoulda Loved Ya“ ab: Mit einem melodischen ersten Takt und einem perkussiven zweiten prägt diese Killer-Bassline den Chorus des Songs:
Quo vadis, Disco Funk? Fingerzeig ins Jetzt
Disco ist nicht nur eine eigene Stilrichtung, sondern verschmolz im Laufe der Jahre auch mit vielen anderen – die Grenzen sind heute nicht mehr genau zu ziehen. Bands wie Jamiroquai nahmen Disco-Grooves und paarten sie mit jazziger Harmonik, Künstler wie z. B. Kylie Minogue taten das Gleiche mit Pop, usw.
Disco beeinflusste oder startete aber auch viele andere Stile wie House und EDM (Electronic Dance Music). Typische Merkmale sind auch hier die Viertel-Bassdrum und der pumpende Bass, der sich häufig wieder auf die Oktaven zurückbesinnt und deren Wirkung maximiert: den Viertelpuls unaufhörlich anzuschieben (siehe Teil 1). Dies geschieht technisch gerne im Zusammenhang mit einem sogenannten “Side Chain Kompressor”. Aber zu all dem kommen wir das nächste Mal noch ausführlich.
Zum Abschluss für heute möchte ich noch auf einen Song blicken, der diese Entwicklung voraus nahm oder zum Teil sogar mit ausgelöst haben dürfte. In Sister Sledges “Got To Love Somebody Today” reduziert sich Bernard Edwards fast ausschließlich auf die Offbeats, also die Achtel zwischen den Viertelpuls, um mit diesen zu interagieren und ihn anzutreiben. Dieser Ansatz kann als eine Art Blaupause für die Zukunft in späteren Jahrzehnten angesehen werden – hier allerdings freilich noch von echten Menschen gespielt!
Viel Spaß beim Grooven mit diesen klassischen Disco Funk Basslines wünscht
Thomas Meinlschmidt