Mit dem Soldano SLO-30 lässt Amp-Schmied Mike Soldano eine Verstärkerlegende der 90er Jahre auferstehen, genau wie den großen Bruder SLO-100, die, wie nur wenig Ampmodelle, den Sound der späten 80er und 90er prägten. Meine Erinnerungen an Soldano-Amps und die ausklingenden 80er Jahre sind noch relativ lebendig, als die ersten SLO-100 auf dem Markt erschienen und quer durch sämtliche Stilrichtungen in den Racks all meiner Idole wie Steve Lukather, Gary Moore, ja selbst Eric Clapton zu sehen waren.
Der damals aufgerufene Preis von knapp unter 10.000 DM ließ jedoch jeden Traum vom eigenen Soldano zunächst in weite Ferne rücken und später sogar gänzlich platzen, als die Produktion schließlich eingestellt wurde. 2020 gab es jedoch die ersten Gerüchte, dass es zu einer Neuauflage des Klassikers mit einigen Neuerungen kommen könnte. Und tatsächlich gibt es zur Wiederauferstehung eine Überarbeitung des etwas umstrittenen Einschleifwegs, einen Kanalschalter auf der Front und die Erweiterung des Soldano-Portfolios um eine 30-Watt-Ausführung, die natürlich auch etwas erschwinglicher sein sollte.
Und letztgenannten Amp habe ich nun als Testkandidat vor mir liegen. Mit ihm werde ich mich auf die Gralssuche begeben um zu verstehen, was es mit dem SLO-Hype auf sich hat.
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Gehäuse/Optik
Das Topteil kommt im Holzgehäuse mit schwarzem Tolexbezug und liegt mit seinen Maßen von 25 x 49 x 22 cm (inkl. Gummifüße) und einem Gewicht von weniger als 13 kg zwar deutlich unter den Dimensionen des 100W-Topteils, wirkt aber dennoch nicht wie ein typisches Mini-Head, sondern ordnet sich eher irgendwo zwischen diesen Kategorien ein und strahlt schon alleine damit eine gewisse Autorität und Wertigkeit aus.
Ganz im Stile des Urmodells zeigt sich in der unteren Zeile das weiße Faceplate, auf dem das Bedienfeld angeordnet ist. Dieses besteht aus neun Potis, drei Miniswitches und zwei großen Schaltern zum Anwerfen des Amps und um ihn in den Bypass zu versetzen. Frontseitig ist ein einzelner 6,3 mm Klinkeneingang angebracht und rechts außen leuchtet eine blaue LED in Diamantoptik, wenn sich der Amp im Betrieb befindet.
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Unmittelbar über der Bedieneinheit thront das Soldano-Logo auf dem schwarzen Metallgrill, der Blicke auf die Trafos und die Röhrenbestückung zulässt. Hier kommen, im Gegensatz zum 100-Watter, nur zwei statt vier 6L6 Endstufenröhren zum Einsatz und im Vorstufenbereich findet man fünf 12AX7 bzw. ECC83 Preampröhren, die alle aus dem Hause Sovtek stammen. Insofern unterscheidet sich der SLO-30 hinsichtlich der Potibestückung und der grundlegenden Konstruktion nicht vom SLO-100, sondern lediglich in der Leistung der Endstufe, was mit weniger Röhren und einem kleineren Trafo einhergeht.
Zu den Trafos sei gesagt, dass Mike Soldano selbst betont hat, dass die exakt gleichen Modelle der ersten Serie nicht mehr erhältlich sind. Dennoch setzt Mike hier nicht auf Billigtrafos aus Fernost, sondern entschied sich für Transformatoren Made in USA, mit denen er seine Soundvorstellungen genauso umsetzen konnte wie damals in den 90ern.
Auf der Rückseite befinden sich die Kaltgerätebuchse, der Einschleifweg, ein regelbarer Line Out und zwei Speakerausgänge, wobei die Impedanz an einem Poti zwischen 4, 8 und 16 Ohm umgeschaltet werden kann. Der Anschluss für den im Lieferumfang enthaltenen Kanalfußschalter befindet sich ebenfalls hier.
Auf der Oberseite ist ein schwarzer Kunstledergriff angebracht, der die satten 12,5 kg sicher zu tragen vermag. Der Bodenseite wurden vier Gummifüße gegönnt, die Kratz- und Rutschsicherheit bieten. Zum Lieferumfang gehört neben dem weißen Fußschalter auch ein Manual.
Bedienung
Der SLO-30 ist als zweikanaliges Röhrentopteil mit 30 Watt Leistung konzipiert. Die beiden Kanäle lauten hier Normal und Overdrive und verfügen über jeweils einen unabhängigen Vorverstärker- und Master-Lautstärkeregler, wobei der Normal-Kanal zusätzlich noch mit einem Bright- und einem Clean/Crunch-Kippschalter ausgestattet ist, um auch ihm schon einen satten Drive zu entlocken. Bright aktiviert eine leichte Höhenbetonung im Normal-Kanal.Der EQ, den sich beide Kanäle teilen, speist sich aus einem Bass-, einem Middle- und einem Treble-Regler. Am Endstufensektor greifen Presence und Depth an, mit denen sich Bässe und die hohen Frequenzen abstimmen lassen.
Übrigens, kleiner Fun-Fact am Rande: Die ersten SLO-Modelle hatten diesen Depth-Regler noch nicht, sondern wurden erst später damit ausstaffiert. Der einkanalige 5150 bzw. 6505, der bei allen Unterschieden doch stark vom SLO inspiriert ist, besitzt prinzipiell die gleichen Potis, wobei hier Depth unter dem Namen “Resonance” zu finden ist. Neben dem Bright- und Crunch-Schalter zeigt sich frontseitig noch einer für Overdrive/Normal, mit dem die Kanäle umgeschaltet werden können. Ein Novum, das beim Ur-Modell nur via Footswitch realisierbar war.
Eine weitere Neuerung ist der überarbeitete, röhrengepufferte Einschleifweg. Dieser wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, hinsichtlich des Pegels primär für Rack-Equipment und weniger für Pedale ausgelegt zu sein. Allerdings handelt es sich dabei um einen Umstand, der bei der damaligen Klientel auch nicht verwundern darf. Bei der aktuellen Variante entschied sich Mike für einen FX-Loop, der sowohl für 19″ Gear als auch für Pedale konzipiert ist und im Gegensatz zum frühen Modell der 80er Jahre hinter der Mastersektion platziert wurde.
Der Line Out gibt ein nicht-frequenzkorrigiertes Signal wieder und kann in seiner Lautstärke geregelt werden. Die Platzierung wurde hier hinter dem Ausgangsübertrager vorgenommen, sodass Mastervolume, Depth und Presence funktional bleiben. Hier gilt es allerdings zu bedenken, dass bei der Verwendung des Line-Outs dennoch eine Last, sprich, eine Box bzw. Load Box am Speaker-Out angeschlossen sein muss.