Das Delay gehört mit zu den ersten Effekten, die bei Tonaufnahmen eingesetzt wurden, und das schon bevor es die E-Gitarre gab. Anfangs wurden die Echos mit zwei Bandmaschinen und später mit Endlos-Magnetbändern erzeugt, die als Schleife an einem oder mehreren Schreib- und Leseköpfen entlangliefen. Dabei wird das Signal vom Schreibkopf auf das Band geschrieben und vom Lesekopf ausgelesen und wiedergegeben. Der Abstand von Schreib- und Lesekopf und die Bandgeschwindigkeit bestimmen dabei das Echo. Frühe Komponisten der Musique concrète und Komponisten wie Karlheinz Stockhausen setzten das Delay als Stilmittel ein, bevor es in der Rock- und Popmusik der 40er und 50er Jahre ankam.
Audio-Ingenieure nutzten die Geräte im Aufnahmestudio und entwickelten später kompaktere Maschinen für den Live-Einsatz. Gitarristen der frühen Stunde, die sich den Effekt zunutze machten, waren unter anderem Les Paul oder auch Chet Atkins, wobei die ersten gebräuchlichen Delays das Ray Butts’ EchoSonic und das Echoplex EP-2 waren und sich später in den 60er und 70er Jahren das Binson Echorec und das Roland Space Echo hinzugesellten.
Was damals noch relativ aufwändig und wartungsintensiv war, steckt heute in kleinen, verschleißfreien und preisgünstigen Bodenpedalen, doch nicht jeder weiß, welche tollen Tricks man mit ihnen anstellen kann. Einige davon möchte ich euch im folgenden Workshop vorstellen.
Slapback
Ein toller Retrosound ist das Slapback-Echo, dessen Ursprung auf die 50er Jahre zurückgeht und das schon beim Gesang von Elvis Presley eingesetzt wurde. Gitarristisch findet man diesen Effekt natürlich in der Country Musik, 50s Rock oder im Rockabilly.
Prinzipiell stellt man die Delay Time je nach Geschmack auf einen Wert irgendwo zwischen 70 und 130 ms, setzt das Feedback auf eine niedrige Wiederholungszahl, sodass nur ein Echo zurückkommt, und stellt den Effet-Level so ein, dass der Slapback-Sound genauso laut oder minimal leiser ist als das Original.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
70-130ms | 1 | 70-100% |
Für den typischen 50s Rock empfiehlt es sich, noch ein Tiled Reverb oder einen Federhall hinzuzufügen:
Punktierte Achtel
Der Punktierte-Achtel- oder auch “Dotted-Eighths-Delay”-Trick wurde bereits von Nuno Bettencourt oder auch Guthrie Govan eingesetzt, um die Illusion zu erzeugen, dass man eine schnellere und komplexere Line spielt, als man es eigentlich tut. Der Trick dabei ist, dass ihr ein Motiv aus Achtelnoten spielt und das Delay quasi in eure Spielpausen “hineinspringt”.
Für den Live-Einsatz ist dabei ein Tap Delay extrem hilfreich bzw. für Studioanwendungen eines, das man gut mit dem Songtempo synchronisieren kann, wenn dieses durchgehend auf dem Klick bleibt.
Die Settings sind ähnlich wie beim Slapback, das heißt, ihr stellt das Feedback auf nur eine Wiederholung und der Delay-Level sollte so gesetzt sein, dass er exakt mit dem gleichen Level wie das Originalsignal wiedergegeben wird, denn der Zuhörer soll ja schließlich nicht merken, welche Note von euch und welche vom Delay kommt. Darüber hinaus ist es auch ziemlich hilfreich, wenn das Echo digitalen Ursprungs ist, damit die Soundqualität zum Originalsound identisch bleibt und kein Roll-Off in der Wiederholung stattfindet.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
Punktierte Achtel | 1 | 100% |
Die Formel, um nur mithilfe des Songtempos in BPM auf die Delaytime zu kommen, lautet z.B. für punktierte Achtel:
60000 : BPM des Stückes x 0.75
Vierteldelay
Dieser Trick ist z.B. bei Brian May in der Live Version des Songs “Brighton Rock” auf dem Album “Live Killers” zu hören. Das Prinzip ist das gleiche wie beim Dotted-Eighths-Delay-Trick, nur dass diesmal das Echo nicht zwischen eure Noten kommt, sondern genau darauf, sodass eine quasi Zweistimmigkeit erzeugt wird. Besonders wirksam ist der Effekt, wenn ihr Arpeggios oder Terzsequenzen spielt, da ihr dadurch tolle Terzschichtungen erhaltet. Auch hier gilt: nur eine Wiederholung beim Feedback und den Delay-Level auf 100% (also genauso laut wie das Originalsignal). Die Delaytime muss in Abhängigkeit vom Songtempo gesetzt werden.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
Viertel | 1 | 100% |
Die Formel, um nur mithilfe des Songtempos in BPM auf die Delaytime zu kommen, lautet für Viertel:
60000 : BPM des Stückes
Multi Delays
Viele der Ideen, die ich bereits vorgestellt habe, kann man nun miteinander kombinieren und genau das haben David Gilmour oder auch U2s The Edge getan. Dabei kamen sie auf die Idee, ein punktiertes Delay mit einem Viertel- oder aber auch Achteldelay zu kombinieren.
Den Anfang überlassen wir dem Pink Floyd Song “Run like Hell” vom Album “The Wall”, bei dem David Gilmour wohl ein Binson Echorec einsetzte. Für den Sound müsst ihr im Prinzip ein Delay auf Viertel und das andere auf punktierte Achtel setzen. Im konkreten Fall wären das bei einem Songtempo von 120 BPM eine Delay Time von 375 ms mit ca. 7 Wiederholungen und 100% Effektlevel, beim zweiten Delay dann 500 ms, 7 Wiederholungen und einem minimal niedrigeren Effektlevel.
Delaytime 1 | Feedback 1 | Level 1 | Delaytime 2 | Feedback 2 | Level 2 |
---|---|---|---|---|---|
374 | 7 | 100% | 500 | 7 | ca. 80% |
The Edge von U2 ist natürlich ebenfalls für seine Delays berühmt, von denen er gelegentlich sogar mehr als nur zwei verschiedene Modelle einsetzt. Für den Song “Where the streets have no name” reicht uns jedoch ein Dual Delay, das ganz ähnlich gesetzt ist wie bei “Run like Hell”, allerdings mit weniger Repeats auskommt. Das Songtempo ist 122 BPM und die Delaytime ist entsprechend angepasst, um die gewünschte Subdivision zu erzeugen.
Delaytime 1 | Feedback 1 | Level 1 | Delaytime 2 | Feedback 2 | Level 2 |
---|---|---|---|---|---|
369 | 1-2 | 70% | 492 | 7 | ca. 80% |
Im Bereich der Mehrfach-Delays möchte ich euch natürlich Hank Marvin von den Shadows nicht vorenthalten, der mit Meazzi- und Binson-Bandechos interessante Multidelays kreiert, die für fast jeden Song vollkommen unterschiedliche Settings aufweisen. Ein Beispiel anhand des Songs “Apache” findet ihr mitsamt Transkription in unserem Surf Workshop.
Modulation und Delay
Um das Delaypedal in einen Chorus zu verwandeln, stehen gleich mehrere Optionen bereit. Prinzipiell gibt es die sogenannten “Modulation Delays”, wie z.B. das TC Electronics 2290. Bei ihm wird nur die Delay-Fahne mit einer Modulation belegt und das Originalsignal bleibt quasi trocken. Das kann ein durchaus sinniger und geschmackvoller Effekt sein, da seit den 80ern viele Musiker des klassischen Chorussounds überdrüssig geworden sind und ein modulierendes Delay natürlich wesentlich subtiler klingt.
Stellt ihr nun die Delaytime extrem kurz, so erhaltet ihr einen reinen Choruseffekt, ohne dass Delaywiederholungen entstehen. Dieser Chorus ist dann zwar nicht sonderlich flexibel moduliert, kann aber eine schöne Notlösung sein.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
0 | 0 | 75% |
Eine zugegebenermaßen extrem subtile Alternative zu einer Modulation bietet auch ein normales Delay ohne Modulation, indem wir mit ihm ein zeitverschobenes Signal erzeugen, das mit ca. 50ms relativ kurz ausfällt Auch dieser Sound kann natürlich kein echtes Choruspedal ersetzen, bietet aber einen möglichen Plan B.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
50 | 25 | 75% |
Lead Delay
Viel Gitarristen blasen ihren Sound für das Solo etwas auf, indem sie neben einem Volume-Boost ein Delay hinzufügen, das man aber beim Spiel gar nicht vordergründig als solches wahrnimmt.Vielmehr bildet das Delay hier einen Klangteppich und fügt dem Ganzen etwas Volumen hinzu. Besonders gut ist diese Einsatzform bei Gitarristen wie z.B. Steve Lukather, Steve Vai oder Andy Timmons zu hören.
Nicht selten wird dieser Effekt auch mit einem Dual Delay eingesetzt, wobei beide Delaytimes nicht allzu weit auseinanderliegen sollten.
Delaytime 1 | Feedback 1 | Level 1 | Delaytime 2 | Feedback 2 | Level 2 |
---|---|---|---|---|---|
500 | 2-4 | 30-70% | 375 | 2-4 | 30-70% |
Delaytime manuell verändern
Dieser Effekt ist eher als Gimmick zu verstehen und findet sicherlich nicht alltäglich in Songs Anwendung. Mir ihm lassen sich richtig krasse psychedelische Sounds erzeugen, wenn man beim Ausklingen der Delayfahne mit der Delaytime herumspielt. Yngwie Malmsteen nutzt diesen Sound sehr häufig in seinen Liveshows und kreiert damit wilde Soundcollagen. Kleiner Tipp: Das exakte Halbieren oder Verdoppeln der Delaytime führt dazu, dass die Hallfahne entweder genau eine Oktave nach unten oder oben gepitcht wird und das Heraufdrehen der Repeatzahl zu extremen Feedbackschleifen führen kann.
Doubling
Der “Doubling”-Effekt via Delay ist eher ein Relikt der 60er und 70er und wurde verwendet, um das Gitarrensignal etwas fetter zu machen, wenn nicht genug Spuren vorhanden waren. Der Trick ist hier, die Delaytime und auch die Feedbacks extrem kurz zu halten. Ihr hört im Audiofile erst das trockene Signal und anschließend den Delaysound.
Time | Feedback Repeats | Level |
---|---|---|
25 | 1 | 70-90% |
Damit wünsche ich euch viel Spaß beim Ergründen der neuen Sounds!