Neural DSP Archetype: Cory Wong Test

Die finnische Soft- und mittlerweile auch Hardware-Company Neural DSP hat mit dem Archetype Cory Wong Plugin dem angesagten Funk-Gitarristen, der vor allem durch sein Mitwirken bei der Band Vulfpeck einem breiteren Publikum vorgestellt wurde, eine virtuelle Ampsoftware auf den Leib geschnitten, die sich zielgerichtet an die klanglichen Vorlieben Wongs adressiert.

Neural_Corey_Wong_Test
Neural DSP Archetype: Cory Wong Test


Bemühen sich die meisten Plugins dieser Art doch eher, ein großes Klangspektrum und die angesagten Verstärkerklassiker abzudecken, spezialisiert sich Neural mit der Archetype Serie vielmehr auf das zielgerichtete Abliefern ausgewählter Soundästhetiken, die im Falle von Cory Wong definitiv primär im Clean-, Low- und Midgain Bereich zu verordnen sind. Diese Fokussierung macht im Rahmen der Firmenpolitik natürlich Sinn, denn Neural liefert mit anderen virtuellen Ampplugins wie dem Gojira, Abasi, Nolli, Plini und vielen mehr eine breite Palette an allen erdenklichen Stilrichtungen, unter denen geneigte User auswählen können. In diesem Test wollen wir uns jedoch zunächst dem Cory Wong Plugin widmen und ergründen, wie authentisch es sich im Vergleich zu Konkurrenzprodukten, von denen es ja doch ziemlich viele gibt, so schlägt.

Details

Konzept

Beim Cory Wong Plugin handelt es sich um eine Software, die eine Simulation von zwei Gitarrenverstärkermodellen plus Pultkanalzug anbietet. Alle drei lassen sich mit einer großen Auswahl an Speakersimulationen auf Basis von Impulsantworten (IRs) kombinieren. Und auch an der Gitarreneffektfront zeigt die Software eine spezielle Auswahl an digitalen Emulationen, die oft auf Basis berühmter Pedalklassiker stattfinden. Das Cory Wong Plugin funktioniert dabei sowohl als Stand-alone, d.h. als eigenständige Software ohne Verwendung einer DAW, oder aber als Plugin für Mac OS und Windows im VST-/AU-/AAX-Standard. 

GUI Übersicht

Die Installation vom Cory Wong Plugin verläuft ohne Probleme. Direkt nach der Aktivierung in meinem iLok Account kann’s auch schon losgehen.
Das GUI ist in drei Stufen skalierbar und zeigt sich optisch modern und extrem ansprechend. Die Farbauswahl aus Pastelltönen wie Pfirsichpink, Hellblau, Weiß und Türkis mag sicherlich Geschmackssache sein, stilistisch wirkt sie aber auf jeden Fall in sich homogen. 
Der Header in der oberen Zeile zeigt zunächst die Effektkette inklusive aller Module, die durch Rechtsklick an- und ausgeschaltet werden können. Der Linksklick führt zu den jeweiligen Modulsettings, die sich dann entsprechend tweaken lassen. 

Das GUI mit Header, Rack und Browser
Das GUI mit Header, Rack und Browser

Die Zeile darunter liefert die Potis für In- und Outputlevel mitsamt Meter, ein stufenlos einstellbares Noise Gate sowie die Möglichkeit, den Input auf Mono- oder Stereobetrieb zu schalten. Auch das Oversampling kann hier zwischen Low- und High umgeschaltet werden. Rechts daneben zeigen sich alle presetrelevanten Elemente, wie der Save-Button, die Trashcan, die Suchfunktion und ein Icon, über den man externe Presets importieren kann. Das Presetmenü ist gut strukturiert und führt über vier Oberpunkte zu den Factory-, Artist- und Userpresets sowie zu einem Defaultsetting. Im Artistpfad zeigen sich Presets von Jack Gardiner, Rabea Massaad und Tom Quayle, wohingegen im Factorypfad die Voreinstellungen von Neural und natürlich Cory Wong selbst anzutreffen sind – hierbei wurde selbst an den Einsatz mit Bass gedacht.
Im Zentrum des GUI stehen natürlich die Amp- bzw. Effektmodule, auf die ich später detailliert eingehen werde. Die letzte Zeile zeigt je ein Icon für das MIDI-Mapping und ein kalibrierbares Stimmgerät für den Fall, dass die Software als VST-Plugin eingesetzt wird. Im Stand-alone Mode befinden sich hier noch zusätzlich das Icon für Audiosettings sowie eine Tempofunktion, die manuell eingegeben oder via Tapicon eingeklopft werden kann. In der Mitte der unteren Zeile besteht die Möglichkeit, die drei Ampmodelle direkt auf Schnellzugriff umzuschalten, ohne dabei in das Ampmenü gehen zu müssen. Ein Kettengliedsymbol ermöglicht dabei die Option, den Amp entweder inklusive passendem Cab oder allein bei gleichbleibendem Cab zu switchen.

Signalkette und Module 

Das Plugin kommt mit einer virtuellen Signalkette, die sich hinsichtlich der Komponentenreihenfolge nicht verändern lässt. Der Signalfluss besteht aus: Wah -> Pre FX – >  Amp – > EQ – > Cab -> Post FX

Amplifers

Die Software versucht nicht durch eine Materialschlacht aus zig Ampmodellen zu punkten, sondern konzentriert sich auf eine kleine Auswahl von drei Verstärkertypen.
Zum einen ist dies der Mischpultkanalzug “D.I. Funk Console” basierend auf der etablierten Studiopraxis mancher Funk-Gitarristen, die darin besteht, ihre Gitarre ohne Amp direkt in das Pult bzw. einen Channelstrip zu spielen. Wie auch beim echten Kanalzug eines Studioröhrenpreamps, lässt sich die Röhrensättigung einstellen und auch ein Kompressor, eine EQ Sektion und ein High-Pass sowie Low-Pass-Filter sind an Bord. Von der Herstellerseite aus wird der Betrieb, wie auch gerne bei Nile Rodgers gesehen, in diesem Fall ohne Speakersimulation nahegelegt, obwohl es natürlich auch durchaus Sinn ergeben würde, diverse Kombinationen auszutesten.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Ampsektion besteht aus der “D.I. Funk Console”…

Bei “The Clean Machine” handelt es sich um eine virtuelle Eigenkreation, bei der versucht wurde, die Sounds der angesagtesten Cleanamps der Geschichte nach Corys Wünschen zu kombinieren. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf Vielseitigkeit und flexible Einstelloptionen gelegt.
Hinter “The Amp Snob” verbirgt sich laut Website “one of the rarest amplifiers in history”, und damit ist wohl der legendäre “Dumble” gemeint – ein Amp, der vor allem durch Larry Carlton, Robben Ford, Stevie Ray Vaughan und jüngst John Mayer populär wurde und aufgrund seiner süßen Mitten allseits geliebt wird. 

Cabinets 

Das Cabinetmodul erlaubt sowohl die Auswahl aus drei internen 4×12″-Boxenmodellen* als auch das Laden eigener oder Drittparteiimpulsantworten.
Jedes Cabinet kann hierbei mit zwei unterschiedlichen Mikes abmikrofoniert werden, die sich im Panning stufenlos anordnen oder auch zentrieren lassen, und das am Mike wie auch an den Potis. Auch das Laden von zwei getrennten IRs für links und recht ist möglich, während die virtuellen Mikrofonierungsoptionen bei der Verwendung eigener Faltungen wegfallen.

Der Cabinet Block liefert zwei mikrofonierbare Speaker mit flexiblem Panning.
Der Cabinet Block liefert zwei mikrofonierbare Speaker mit flexiblem Panning.

Die On-Board-Cabinets lassen sich für links und rechts mit jeweils neun verschiedenen Mikrofonklassikern abmiken, die man wiederum in ihrer Position, Entfernung und Lautstärke regulieren kann. Beim Umstellen der Settings laufen im Hintergrund 108 IRs je Box und eine Gesamtsumme von satten 324 IRs, die aus dem Hause Adam “Nolly” Getgood stammen.  

Effekte 

Der Effektblock setzt sich aus Wah, Pre FX, EQ und Post FX zusammen.
Das Wah-Pedal wurde hinsichtlich Frequenz und Sweeprange speziell nach Corys Vorgaben ausgelegt. Die Bedienung kann über ein MIDI-fähiges Expressionpedal erfolgen, allerdings bietet die Software auch die Option, das Modul entweder zu automatisieren, als fixiertes Wah oder als Autowah einzusetzen, wobei die Parameter Position, Attack, Release und Sensitivity zur Verfügung stehen.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Wah-Block liefert ein spezielles Cory-Modell.

In der “Pre-Effects”-Sektion trifft man nun vier von Corys Lieblingspedals an: Bei “The Postal Service” handelt es sich um ein flexibles Envelope-Filter und bei “The 4th Position Compressor” um ein Kompressormodul, das über den Blendregler sogar Parallelkompression ermöglicht.
Im Anschluss an diese Pedals zeigen sich zwei Overdrive-Modelle, wovon das erste “The Tuber” heiß und grün ist – zwei Indizien, die für eine Ibanez-Tubescreamer-Variante sprechen, die jedoch laut Hersteller leicht modifiziert wurde. Den Abschluss in der Pre-Effektkette macht der “Big Rig Overdrive”, der in puncto Gain noch eine Spur weitergeht als die Tubescreamer-Emulation.
Es folgt die Ampsektion mit einem Equalizermodul, das neun Bänder verarztet und die jeweiligen Frequenzen um 12 dB boosten oder senken kann. Ganz am Ende der Effektkette, hinter dem Cab-Block zeigen sich die “time based” Effekte, die hier in Form eines Delays und Reverbs anzutreffen sind – die Modulationsfraktion wurde ausgespart. Das Delay ermöglicht den Dualbetrieb sowie den Stereoeinsatz und kann zum Songtempo gesyncht werden. Der Reverb verfügt über einen Blendregler und kann neben dem Normalbetrieb noch mit einem Shimmer-Effekt belegt werden.

Kommentieren
Profilbild von Hendrik Winters

Hendrik Winters sagt:

#1 - 02.11.2024 um 08:19 Uhr

0

Kleine Anmerkung, ein Chorus-Effektpedal ist in Archetype Cory Wong enthalten. Bebildert mit einer Spirale habe ich es erst für ein Spring Reverb gehalten. Andere Modulationseffekte sind aber nicht dabei.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.