Mit den beiden Hughes & Kettner AmpMan Classic und AmpMan Modern Pedal-Amps führt der saarländische Gitarrenverstärker-Spezialist eigentlich nur eine Entwicklung konsequent weiter. Waren es zuerst Tubemeister und Grandmeister als kompakte Topteile, folgten die Black Spirit Amps und mit dem Black Spirit 200 Floor auch der erste Amp im Floorboard-Format. Unsere beiden Kandidaten markieren den nächsten Schritt auf dem Weg, vollwertige Verstärker in einem Format anzubieten, das sie zum Einsatz im Pedalboard befähigt.
Die beide AmpMan-Pedalverstärker sind in ihrer Ausstattung identisch: Mit zwei getrennten Kanälen, 50 Watt an 4 Ohm, 25 Watt an 8 Ohm oder 12,5 Watt an 16 Ohm, Red Box Out, FX-Loop sowie Boost- und Solo-Funktionen. Der Preis: attraktive runde 350 Euro. In der rechten Hand das Pedalboard, in der linken das 1×12 Cab und auf dem Rücken die Gitarre. Auto ausladen und nur einmal laufen, oder sogar mit dem ÖPNV unterwegs, das wäre für viele Musiker der Optimalzustand. Und gleichzeitig im Gepäck alle Sounds in durchsetzungsfähiger Lautstärke – das klingt alles ideal, wenn man diese Zeilen liest. Aber wie klingt es tatsächlich? Und sind unsere kleinen Pedalboard-Amps mit ihrer Leistung auch laut genug für die Band, denn 25 Watt an 8 Ohm sind nicht unbedingt die Attribute eines fulminanten Kraftpakets, oder in diesem Fall doch?
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Mehr InformationenDetails
Die Modelle Classic und Modern unterscheiden sich prinzipiell nur in der Klanggestaltung des zweiten Kanals. Der erste Kanal (A) ist für unverzerrte Sounds im Vintage-Stil zuständig – der Hersteller spricht hier von einer Reichweite zwischen California Clean und British Crunch. Beim AmpMan Classic ist Kanal B traditioneller orientiert und zerrt in Richtung der britischen Amps der 70er und 80er Jahre, der AmpMan Modern ist beim Kanal B eher auf Feuer gebürstet, moderne High-Gain-Sounds für die härtere Gangart sind hier angesagt.
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Gehäuse/Optik
Die beiden Amps stecken in einem Gehäuse aus Stahlblech, der AmpMan Classic in Silbergrau Metallic und der AmpMan Modern eine Stufe dunkler. Mit vier Gummifüßen an der Unterseite haben die AmpMänner rutschfesten Halt auf glatten Oberflächen, für die Befestigung im Pedalboard können die Füße demontiert werden. Die Amps haben die Maße 250 x 153 x 52 mm und bringen 1176 Gramm auf die Waage. Alles ist sorgfältig strukturiert angeordnet. Auf der Oberseite findet man die Regler für beide Kanäle in zwei Reihen platziert, die hintere dritte Reihe beherbergt vier Fußschalter mit Relais-Schaltung, weshalb knackfreies Umschalten gewährleistet ist. Der AmpMan macht einen sehr soliden Eindruck, die Regler laufen einwandfrei, alles sieht stabil und wertig aus. Einziger optischer Kritikpunkt wäre, dass beim AmpMan Classic die weiße Beschriftung der Regler auf dem silbergrauen Gehäuse bei Lichteinstrahlung von oben nicht gut erkennbar ist. Aber in der Regel hat man die Funktion der Bedienelemente recht schnell im Kopf, auch wenn sie beim AmpMan nicht so ganz dem klassischen Amp-Panel entsprechen. Aber dazu gleich mehr.
Front/Anschlüsse
Die Front ist bepackt mit diversen Anschlüssen und weiteren Reglern. Los geht es auf der linken Seite mit der Eingangsbuchse, daneben der Regler für das eingebaute Noise-Gate. Es folgen die Anschlussbuchsen für den internen FX Loop (Send, Return), an den man Effekte anschließen kann, die hinter der Amp-Vorstufe positioniert werden sollen (Modulation, Delay, Reverb). Als nächstes kommen die rot umrandeten Bedien- und Anschlusselemente der eingebauten Red Box, bei der das Amp-Signal mit Cab-Simulation an das Mischpult ausgegeben wird. Ein Schalter aktiviert die Red Box und mit einem weiteren kann der Pegel zwischen Line und Mic umgeschaltet werden. Die Red Box besitzt einen symmetrischen XLR-Out und ein Rasterpoti bietet die Wahl zwischen acht unterschiedliche Cabs. Zum leisen Jammen mit Kopfhörer steht ein Phones Output mit 3,5 mm Stereoklinke und Poti zum Justieren der Lautstärke bereit. Über den daneben liegenden Aux In, ebenfalls im Miniklinkenformat, lassen sich die Jamtracks von MP3 Player/Smartphone/Tablet etc. zuspielen. Neben dem Power-Schalter befindet sich ganz links der Anschluss für den Lautsprecher (Klinke). Der AmpMan ist mit einer Class D-Endstufe ausgestattet, die 50 Watt an 4 Ohm, 25 Watt an 8 Ohm und 12,5 Watt an 16-Ohm-Boxen liefert. Die 25-Watt-Variante wird wohl die am häufigsten eingesetzte sein, denn die meisten 1×12 oder 2×12 Cabs kommen mit einer 8-Ohm-Impedanz.
Bedienfeld
Die beiden Kanäle verfügen über eine identische Reglerbestückung und für das Einstellen der Kanäle sind die schwarzen Potis zuständig. Hier gibt es eine etwas untypische Parameter-Auswahl, denn man findet keine Dreibandklangregelung mit Treble, Middle und Bass, sondern lediglich einen Tone-Regler. Dazu kommen ein Presence- und ein Resonance-Regler für Low-End und High-End. Mit dem Gain-Regler wird der Zerrgrad eingestellt und Volume steuert die Lautstärke des Kanals. Dazu kommt pro Kanal noch ein Regler für Sagging, der die Endstufensättigung und das entsprechende Kompressionsverhalten bestimmt. Das weiße Master-Poti stellt die Gesamtlautstärke des Amps ein, während mit den vier Schaltern in der hinteren Reihe diverse Modifikationen im Sound vorgenommen werden können. Der Schalter Channel A/B wechselt die Kanäle, mit dem Boost-Schalter wird die Vorstufe etwas heißer angefahren, was eine höhere Verzerrung mit sich bringt – das Ganze selbstverständlich abhängig von der Einstellung des Gain-Reglers. Der Boost versteht sich nicht als einfacher Volume-Boost mit mehr Pegel, hier werden bestimmte Frequenzbereiche angehoben, was sich in jedem Kanal unterschiedlich darstellt. Der FX-Loop wird mit dem so benannten Schalter aktiviert und Solo zündet eine weitere Boost-Funktion, die am Ende der Signalkette sitzt und die Master-Lautstärke erhöht. Um wieviel das Signal angehoben wird, bestimmt der rote Master-Regler. Bei Linksanschlag gibt es keinen Boost, bei voll aufgedrehtem Regler liefert der Amp +6 dB mehr.
6 Fragen an Rüdiger Forse (Hughes & Kettner)
Wir hatten erfreulicherweise vorab die Möglichkeit, Rüdiger Forse (Senior Produktmanager bei Hughes & Kettner) ein paar Fragen zu stellen und so weitere Informationen zum AmpMan aus erster Hand zu bekommen.
Spirit Tone Generator Technologie – was ist das?
Der Spirit Tone Generator vereint die Essenz physikalischer Röhren-Amp-Magie mit all ihrer Intensität in einer strikt analogen, kompakten Schaltung. Oder besser gesagt: Eine ganze Reihe von Schaltungen in ein Modul gegossen, das die physikalischen Prozesse innerhalb eines Röhren-Amps naturgetreu nachbildet. Und das ganz ohne DSP und AD/DA-Konverter, mit ultra-direkter Ansprache. Seit fast 40 Jahren stellen wir uns die Frage: Wie entsteht großer, magischer Ton? Oder genauer: Was ist die physikalische Ursache dafür? Und wie sich immer klarer abzeichnete, ist es nicht einfach ein einziges Bauteil wie z.B. die Röhre, das ein elektrisches Signal in ein packendes Klangerlebnis verwandelt, sondern die komplexe Interaktion der einzelnen Baugruppen in Röhren-Amps miteinander. Wichtig zu wissen ist deshalb, dass der Ton nicht einfach nur das Modul “durchläuft”, sondern über dessen 20 Pins jede einzelne Stufe des Amps mit dem Spirit Tone Generator interagiert. Nur so wird die Komplexität, Lebendigkeit und auch das Spielgefühl einer Röhrenschaltung erreicht. In allen Stufen, auch in der Endstufe. Deshalb funktioniert z.B. der Sagging-Regler so effektiv: Reindrehen und Spaß haben wie mit einem voll aufgerissenen Amp.
Warum gibt es keine Standardklangregelung mit Bass, Middle und Treble?
Der AmpMan ist zur idealen Verstärkung von Stomp-Boxen und Pedalen konzipiert, da wirken Presence und Resonance als Endstufen-EQ effektiver als ein klassischer Pre-Amp-EQ. In Kombination mit dem Tone-Regler wird man aber auch im Stand-Alone-Betrieb ohne Vorschaltgeräte das Trio aus Bass/Mid/Treble nicht vermissen. Im Gegenteil: Man ist mit der 4er-Kombi aus Tone, Presence, Resonance und Sagging noch flexibler als nur mit einem Dreiband-EQ.
Was macht der Tone-Regler genau?
Der Tone-Regler blendet zwischen “britischem Mittenbrett” und “kalifornischem Scooped-Sound”, die Mittelstellung ist neutral. Aber er regelt nicht nur die Mitten, man hat hier quasi einen effektiven Dreiband-EQ sehr wirkungsvoll in einen einzigen Regler gepackt.
Ist die Wirkungsweise des Tone-Reglers unterschiedlich bei den verschiedenen Kanälen?
Kurz gesagt: ja 😉 Die Grundidee, zwischen “britischem” und “kalifornischem” Sound überzublenden gilt für beide Kanäle, aber die Wirkungsweise und Frequenzen sind auf den jeweiligen Kanal abgestimmt.
Wie funktioniert der Sagging-Regler?
Von Sagging spricht man, wenn bei starken Impulsen die Stromversorgung des Verstärkers in die Knie geht. Und das wirkt sich massiv auf den Ton und das Spielgefühl aus: Je stärker das Netzteil ins Schwitzen kommt, desto mehr Obertöne und Kompressionseffekte entstehen. Im Vergleich zu herkömmlichen Amps erlaubt der Spirit Tone Generator diese Effekte genauso so simpel und gezielt dosierbar als kreatives Sound-Tool einzusetzen wie einen Gain-Regler. Die Sagging-Funktion der Spirit AmpMan gibt dir die volle Kontrolle über das Sättigungsverhalten der Endstufe, und zwar unabhängig der Lautstärke! Sagging liefert im Handumdrehen das gewisse Etwas, das legendäre, voll aufgedrehte Amps ausmacht.
Wie funktioniert die IR Erstellung/Cab Simulation der Red Box?
Das große Geheimnis ist ganz simpel erklärt: Es sind keine IRs! Wie es im Detail funktioniert, bleibt aber unser Geheimnis. IRs haben ihre Vorteile, vor allem gibt es eine immense Auswahl, und die Eingriffsmöglichkeiten in den Sound sind fantastisch. Aber IRs haben einen entscheidenden Nachteil: Wenn sie dynamisch sind und den vollen Frequenzgang umfassen, brauchen sie ordentlich DSP-Power. Oder verursachen Latenz! Die Red Box AE+ ist latenzfrei, was bei einer Live-Performance einfach wichtig ist. Und wer bereits eine professionelle IR-Lösung als Hardware oder Software hat, der kann die Filterung der Red Box auch abschalten und den ungefilterten, puren Sound inklusive Endstufensättigung über Mikrofon- oder Line-Pegel direkt in seine IR-Boxensimluation schicken. Die Boxen-Modelle der Red Box AE+ bieten aber eine sehr gelungene und verdammt gut klingende Grundausstattung, und der AmpMan merkt sich sogar pro Kanal, welche Box ausgewählt wurde. So kann ich einen Clean-Sound mit authentischer 2×12 Open Back Box und einen Lead-Sound mit passendem 4×12 Fullstack Charakter direkt ins Pult oder den Kopfhörer schicken. Einfacher gehts nicht.
Für die Red Box wurde bereits im Jahr 1988 ein Patent als frequenzkorrigierte DI-Box für Gitarrenaufnahmen angemeldet.
Stephan sagt:
#1 - 28.08.2023 um 13:43 Uhr
Ich habe seit inzwischen 2 Jahren den “AmpMan Modern” als Verstärker auf meinem Pedalboard. Da ich eine 4 Ohm Box angeschlossen habe, verfüge ich somit über einen 50 Watt Verstärker. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass das im Proberaum, aber auch auf der Bühne lautsärkemässig vollkommen ausreicht. Ich musste meinen Amp niemals mehr als 3/4 aufdrehen. In kleinen Clubs spielen wir die Amps direkt und auf den grossen Bühnen kommt sowieso eine PA zum Einsatz. Das ganze Gerät ist wirklich gut durchdacht. Der einstellbare Solo-Boost oder die Noise Reduction seien hier Beispielhaft genannt. Die ganzen Features sind wirklich der Hammer und erleichtern die Bedienung, was vor allem auf Bühne dafür sorgt, dass man sich mehr auf das konzentrieren kann, um was das es bei einem Gig geht – das Gitarrenspiel. Auch der Sound ist richtig gut. Ich arbeite viel mit diversen Pedalen. Der AmpMan liefert dafür einen grandiosen Grundsound, der sich sehr schön weiter bearbeite lässt.