Mit dem Softube Weiss Gambit Series für Console 1 Test haben wir uns bereits die ersten von Softube eins zu eins portierten Weiss-Algorithmen angeschaut, die den Hardware-Boliden Weiss EQ-1 und DS-1 MK3 entnommen wurden. Diese beiden zeichneten sich durch einen äußerst cleanen, sehr transparent Sound aus und haben die wirklich erste neutrale Farbe mit chirurgischer Präzision in den Console 1 Kosmos gebracht.
Mit dem Weiss EQ MP präsentiert der Hersteller nun ein „Stand-alone-Plugin“ abseits von Console 1. Es handelt sich ferner um die preislich deutlich attraktivere und performance-optimierte Variante des bereits erhältlichen Softube EQ-1 Plugin. Minimal Phase anstatt Linear Phase lautet das Zauberwort. Schauen wir uns das Ganze doch einmal genauer an.
Details
To bundle or not
Beim Softube Weiss EQ MP handelt es sich um ein Equalizer-Plugin für die Formate VST(3)/AU/AXX. Es basiert auf den Minimal-Phase-Algorithmen des Weiss EQ-1 und kostet 149 Euro.
Der ebenfalls erhältliche Softube Weiss EQ-1 hingegen kostet stolze 400 Euro mehr, bringt den EQ MP gleich mit und bietet zudem 19-Look – wie beim Original mit vielen Drehreglern und gerasterten Werten. Kriegsentscheidender dürfte aber der berühmte Linear Phase Mode und der Dynamic EQ sein, die den EQ-1 beide seit jeher auszeichnen.
Weiter Unterschiede bzw. Neuerungen
Der EQ MP kennt nur noch den Grafik-Mode und ist in der Größe frei skalierbar (VST only). Beim EQ1 ist das flache Seitenverhältnis beim Skalieren starr. Ferner löst die alte GUI nicht so sauber auf und ganz präzise bedienen lässt sich der EQ-1 sich mit seinen gerasterten Werten und der Maus auch nicht. Generell zeigen sich aber beide etwas holprig in der Feinbedienung. Werteingaben per Tastatur sind auch nicht möglich.
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Schnörkeloser Dual-Path 7-Band-EQ
Beide Plugin-EQs bieten einen Dark-Mode, was angenehm fürs Auge ist. In den Screenshots verwende ich meist das dunkle Farbschema für den EQ MP, damit man ihn besser vom EQ-1 unterscheiden kann.
Sowohl EQ-1 und EQ MP bieten bis zu sieben vollparametrische Bänder. Im Falle des MP wählt man aus Notch, Shelf und Cut, der EQ-1 kennt außerdem die Dynamik-Band-Option sowie eben auch noch einen Linear Phase Mode.
Linear Phase vs. Minimal Phase
Aber was ist der Unterschied zwischen Linear Phase (LP) und Minimal Phase (MP)? Im Grunde geht es um das Phasen- bzw. Zeitverhalten der Filter und darum, wie sie diese nun beeinflussen oder nicht. Letzteres ist ein Metier der digitalen und latenzbehafteten LP-Filter und analog gar nicht zu bewerkstelligen.
Als Faustregel gilt jedenfalls: LP ist für das feine Mastering mit wenig Spuren, MP hingegen im drastischen Mixing und in Masse zu bevorzugen – die Ausnahme macht selbstverständlich die Regel.
Zum einem liegt es an der offensichtlichen Latenz und CPU-Power die LP fordert. Aber auch das einhergehende Pre-Ringing bei LP sollte nicht unterschätzt werden, was Transienten bei starken EQ-Einstellungen teils drastisch verschmiert. Der Knack der Kickdrum kommt dann spürbar nach dem „Umpf“ und das klingt sonderbar nach Rückwärts-Saug-Effekt. Das heißt aber nicht, dass eins per se besser oder schlechter ist – alles hat den richtigen Ort und Zeit, mein Beispiel soll nur ein Extrem zeigen, warum man beim Mixing eher seltener zu LP greift.
Bei der Bearbeitung von kritischen Multi-Mic-Scenarios spielt LP wiederum Vorteile aus sowie explizit auf der Summe, wo er oftmals knackiger klingt. Ein großes Thema für sich jedenfalls – und ohne Theorie auch nicht ganz einfach zu erklären.
Dan Worrall hat dazu ein sehr detailliertes und englischsprachiges Video parat, auf das ich bei besonderem Wissensdurst gern verweisen möchte. Er präsentiert die Unterschiede am Beispiel des Fabfilters Pro-Q 3, der Sachverhalt lässt sich aber auf alle EQs übertragen. Bei iZotope Ozone 9 beispielsweise heißen die Minimal-Phase-Algorithmen „Analog“ und die Linear-Phase „Digital“.
Wenig(er) CPU-Last ?!
Aber zurück zum Weiss EQ-MP – der hier kann nur Minimal Phase, und das mit einer geringen Latenz von 17 Samples bei 44.1 kHz. Möglich wurde dies vor allem durch das optimierte Oversampling, was keine Rücksicht mehr auf Dynamic und LP Prozesse nehmen muss.
Spürbar weniger CPU wird auch verbraucht: Bei mir braucht eine EQ-1 Instanz ungefähr neun Prozenpunkte meiner “Ableton-CPU” wohingegen der EQ MP nur 1-2% fordert. Das macht ihn trotzdem nicht zum Schlankfuß: Cracks bezeugen aber, dass dies auch an der iLok-Protection liegt.
Enge und steile Filter
Eine Besonderheit aller Weiss EQs sind die unglaublich engen Glockenfilter – perfekt für das chirurgische Entfernen störender Resonanzen. Die Q-Range reicht jedenfalls von Faktor 0,2 bis hin zu unglaublichen 650!
Ferner lassen sich Stereokanäle un-linken oder M/S bearbeiten. Nicht uninteressant sind weiterhin die steilen Flanken für Low- und High-Cut, die hier bis zu 96 dB/Octave beschneiden – zum Vergleich: Hardware-Original und Softube EQ-1 kommen gerade mal auf 12 dB/Octave.
Verwirrend ist der Umstand, dass der Gain-Regler beim EQ MP rechts und beim EQ-1 links platziert wurde. Ansonsten ist augenscheinlich alles recht identisch. Der umfangreiche Analyzer ist selbstverständlich ebenfalls eingebaut, bietet verschiedene Mittelungsverfahren und sogar eine Tilt-Funktion. Solo-Modes der Bänder helfen störende Resonanzen schnell zu finden. Ganz moderne EQs finden Resonanzen zwar mittlerweile selbst – hier gehört das gute alte Handwerk des Sweepens also weiterhin zum guten Ton.