Complete Vocal Technique (CVT)

Die Complete Vocal Technique, kurz CVT, basiert auf den Stimmforschungsergebnissen der Dänin Catherine Sadoline. Sadoline, selbst klassisch ausgebildete Sängerin, wollte, ähnlich wie Joe Estill (Estill Voice Training) vor ihr, eine Methode entwickeln, die alle möglichen menschlichen Stimmsounds abdeckt und die Lösungswege für jegliche Stimmprobleme bietet. 2005 gründete sie das Complete Vocal Institut in Kopenhagen, an dem sie weiter forscht und ihre Erkenntnisse und Methode in Seminaren an Sängerinnen und Sänger vermittelt. Auch eine Ausbildung zum Authorized CVT Teacher ist möglich.

(Foto: © Catherine Sadoline, CVT)
(Foto: © Catherine Sadoline, CVT)


Die CVT Methode besteht im Wesentlichen aus vier Elementen, durch deren Kombination jeder Mensch diverse Klänge mit seiner Stimme produzieren kann. In diesem Artikel erklären wir die vier Elemente der Complete Vocal Technique genauer und was sie auszeichnet.

Inhalte
  1. Grundprinzipien
  2. Modes
  3. Klangfarbe
  4. Effekte

Die vier Elemente der Complete Vocal Technique:

1. Grundprinzipien

Drei Grundprinzipien sollen sicherstellen, dass die Klänge auf gesunde Weise erzeugt werden und Stimmprobleme vermieden werden.
Support
In Deutschland ist der Begriff Atemstütze üblich, in anderen Sprachen ist in der klassischen Stimmbildung auch der Begriff Support geläufig. Beide Begriffe beschreiben die muskuläre Unterstützung, durch die das Zwerchfell tief, die Rippen weit und somit die Luft zurück gehalten wird. Verantwortlich dafür sind die Bauchmuskeln, Rückenmuskeln und die Muskeln im Lendenbereich. Anhand von Supportwerten kann man lernen seine Energie beim Singen einzuteilen.
Notwendiger Twang
Der Begriff Twang beschreibt einen klaren, luftlosen und relativ lauten Klang. Dieser wird erzeugt, indem der Kehlkopftrichter mithilfe des Kehldeckels verengt bzw. verkleinert wird. Dieser Twang kann unterschiedlich ausgeprägt produziert werden. Je stärker, desto wahrnehmbarer ist er. Der “notwendige Twang” ist nur wenig ausgeprägt, trägt aber zu einer grundsätzlich korrekten Gesangstechnik und dem ungehinderten Einsatz der Stimme bei.
Verschobenen Unterkiefer und Lippenverspannungen vermeiden
In der Methode von CVT wird immer wieder darauf eingegangen, dass unkontrollierte Verspannungen zu Stimmproblemen führen können. Insbesondere wenn der Unterkiefer nach vorne geschoben wird oder die Lippen bei der Vokalbildung angespannt sind. Lediglich die Zunge sollte die Vokale formen.

2. Modes

Bei den vier Vocal Modes wird zwischen metallischen und nichtmetallischen Klängen unterschieden. Die verschiedenen Klänge werden auch als “Gänge” wie bei einer Gangschaltung erklärt. Man kann jederzeit zwischen den Gängen hin und her wechseln.
Neutral
Hierbei handelt es sich um einen nichtmetallischen Klang. Der neutrale Mode ist weicher als die anderen Modes und wird in der klassischen Stimmbildung üblicherweise als Kopfstimme bezeichnet. Neutral kann mit oder ohne Hauch gesungen werden und auch mithilfe von getwangtem Kehlkopftrichter in “Metal-like Neutral” verwandelt werden. Dieser Klang hat mehr Lautstärke und ist den metallischen Klängen ähnlich. Neutral ohne Hauch wird überwiegend in der klassischen Musik benutzt.
Curbing
Ein halb-metallischer Klang, der meist verhalten und klagend klingt.Er ist dezenter und leiser als die anderen metallischen Klänge und wird oft beim Soul und R ‘n’ B eingesetzt.
Overdrive
Overdrive ist ein voll-metallischer Klang. Der oft als Bruststimme bezeichnete Klang ist kraftvoll und laut und hat einen rufenden Charakter. Overdrive wird oft in Rockmusik aber auch von Männern in der klassischen Musik eingesetzt.
Edge
Dieser Klang ist ebenfalls voll-metallisch. Er hat einen schreienden/kreischenden Charakter und wird oft in Heavy Metal aber auch im Gospel benutzt. Er ist sehr laut und schrill. Um ihn zu erzeugen, bedarf es eines hohen Anteils an Twang.
Die Vokale in den Modes
Um in den vier Modes auf gesunde Art und Weise singen zu können, ist es notwendig, dass die Vokale entsprechend geändert werden.

  • So kann man Curbing nur singen, wenn alle Vokale nach EE (wie in Edel) OE wie in (Hacke) oder OO (oder) geändert werden.
  • Für den Mode Overdrive benötigt man den Klang der Vokale AE (Echt) oder OH (engl. go).
  • In Edge singt man die Vokale EE, AE, Ä oder Ö.
  • In Neutral sind alle Vokale möglich.

3. Klangfarbe

Jeder Mode kann klanglich eingefärbt werden. Die Klangfarbe wird im Vokaltrakt produziert. Der Vokaltrakt umfasst die gesamte Mundhöhle von den Stimmlippen bis zum Nasengang. Durch Veränderung der Einstellung des Vokaltrakts kann die Klangfarbe der verschiedenen Modes beeinflusst werden. Der Klang kann entweder dunkler oder heller geformt werden.
Folgende Bereiche im Vokaltrakt können dafür eingesetzt werden:
Kehlkopftrichter
Wie schon erwähnt, wird hier der Twang produziert. Er macht den Klang heller und durchdringender. Je enger die Öffnung des Kehlkopftrichters, desto schärfer der Klang. Beim Notwendigen Twang ist die Kehlkopftrichteröffnung nur wenig verengt. Daher klingt der Notwendige Twang dunkler als der Ausgeprägte Twang.
Kehlkopf
Die Stellung des Kehlkopfes ist nicht nur entscheidend für die Tonhöhe, sondern auch für die Klangfarbe. Um eine bestimmte Tonhöhe erreichen zu können, muss sich der Kehlkopf in einem definierten Bereich positionieren. Innerhalb dieses Bereiches kann er sich senken, um einen dunkleren Klang zu erzielen, oder heben, um den Klang heller zu färben.
Zunge
Um einen Klang dunkler zu färben, kann man die Zunge zusammenziehen und kleinmachen – dann spricht man von einer komprimierten Zunge. Diese Zungenstellung wird in der klassischen Musik angewendet. Sie bewirkt, dass der Klang dunkler wird.Man kann jedoch auch den Raum der Mundhöhle verkleinern, indem man die Zunge besonders breit macht. Die Zungenspitze liegt hierbei locker hinter den unteren Schneidezähnen und die Seiten der Zunge berühren die oberen Backenzähne. Der Klang wird dadurch heller und breiter.
Form der Mundöffnung
Entspannte Mundwinkel unterstützen einen dunkleren Klang, da der Vokaltrakt vergrößert wird. Einen helleren Klang erzielt man durch die “Lächelstellung”.
Gaumensegel
Mit Gaumensegel ist der weiche Gaumen gemeint, der bis zum Zäpfchen reicht. Bei angespanntem Gaumensegel wird der Klang dunkler. Wenn das Gaumensegel entspannt ist, wird der Klang heller.
Nasengang
Durch das Schließen des Nasengangs mithilfe des Zäpfchens wird der Klang dunkler und lauter, da die Luft zur Klangbildung nur oral, also durch den Mund entweichen kann. Bei einem nasalen Ton hingegen wird die Luft durch den Nasengang geleitet.

Endoskopiestudie (Foto: © CVT)
Endoskopiestudie (Foto: © CVT)

4. Effekte

Effekte sind die Klänge, die den Ausdruck unterstreichen, aber nicht zu Melodie und Text gehören. Diese Effekte werden im Vokaltrakt auf unterschiedlichste Weise erzeugt werden.
Wenn man den Vokaltrakt in Etagen bzw. Levels unterteilt, ergeben sich sechs Ebenen, auf denen die Effekte produziert werden.
1. Level: Stimmlippen
2. Level: Taschenfalten
3. Level: Stellknorpel, Epiglottis und aryepiglottische Falte.
4. Level: Hypopharynx und Piriform Fossa
5. Level: Gaumensegel, Zäpfchen, Rachenwand, Hinterzunge
6. Level: restlicher Vokaltrakt
Folgende Effekte werden von CVT erklärt und beschrieben:
1. Distortion
2. Creaks
3. Rattle
4. Growl
5. Grunt
6. Screams
7. Vocal Breaks
8. Hauch auf der Stimme
9. Vibrato
10. Ornamentierungstechnik

Auf Youtube findet sich dieser tolle Vortrag über die möglichen Vocal Effekte.

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Weitere Informationen

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Mehr Informationen

Ab Minute 1:58 macht der CVT Coach die Effekte kurz vor. Später geht er auf vier Effekte genauer ein.
Ab Minute 8:05 geht es um Distortion.
Ab Minute 13:25 Rattle
Ab Minute 17:11 Growl und
ab Minute 21:24 geht es um Grunt.
Zu jedem Klangeffekt werden Beispiele von bekannten Sängerinnen und Sängern vorgespielt. Außerdem zeigt ein Video den endoskopischen Einblick in den Kehlkopf, wo man sehen kann, welche Bereiche an der Klanggebung beteiligt sind. Ebenso lässt sich das Schwingungsverhalten der Stimmlippen dabei beobachten.
Im Anschluss an die Vorstellung eines jeden Effektes gibt der Coach Vorschläge, wie man den Klang erlernen bzw. unterrichten kann.
Sehr schön ist das Ende des Vortrags, in dem der Coach Audioaufnahmen von schreienden Babys abspielt. Er weist daraufhin, dass wir Menschen alle in dem Vortrag erläuterten Vocal Effekte bereits gemacht haben, als wir Babys waren. Wir müssen sie als Erwachsene nur wiederentdecken und in Balance bringen.

Die App von CVT

Die kostenlose App von CVT dient eher als Schnupperkurs. Man findet hier eine Einleitung der Methode und ein paar Hörbeispiele und Grafiken.
Wer noch gar nichts über CVT weiß, kann sich hier einen ersten Eindruck holen.
Die Vollversion der App für 69,99 Euro beinhaltet alle Informationen über die Methode, die man auch im Buch von 2012 findet, sowie sämtliche Hörbeispiele, Grafiken und Videos. Die Inhalte der App werden stets an neue Forschungserkenntnisse angepasst und aktualisiert. Aber kann man mit der App wirklich Singen lernen?
Eine App von einer Stimmtechnikmethode zu haben, ist eine gute Sache und absolut zeitgemäß. Die CVT hat viele junge Anhänger/innen, die lieber mit Apps als mit Büchern arbeiten. Und natürlich ist es so auch viel einfacher, die neuesten Forschungsergebnisse vorzustellen. Allerdings ist die Complete Vocal Technique sehr komplex und bereits das Lehrbuch ist umfangreich und bedarf einer tieferen Auseinandersetzung, was vor allem für AnfängerInnen harte Kost ist.
Man muss auf so viele Dinge achten, um nichts falsch zu machen. Das ist ohne Lehrperson natürlich äußerst schwierig, weil man kein Feedback bekommt und selbst nicht immer fühlt oder hört, ob etwas richtig oder falsch ausgeführt wurde. Die Hörbeispiele geben zwar etwas Orientierung, doch reicht das bei Weitem nicht aus, um sich selbst korrigieren zu können.
Wer mit CVT arbeiten möchte, sollte sich unbedingt einen CVT Coach suchen. Die vielen Inhalte, die man sowohl in der App als auch im Buch findet, überfordern sehr schnell. Mit einer Lehrperson, die sich damit auskennt, wird es leichter sein, in langsamen Schritten voranzugehen.
Die App bietet letztlich nicht mehr und nicht weniger als das Buch. Sie ist weniger eine App zum Üben für zwischendurch als eine geballte Informationsquelle. Aber immerhin kann man sich so zum Beispiel unterwegs ganz in Ruhe durch die Kapitel scrollen und muss kein schweres Buch mitschleppen.
Das Buch gibt es zwar in deutscher Sprache, wird aber nicht mehr mit Neuigkeiten aufgefrischt. Die App von CVT gibt es momentan nur auf Englisch, eine deutsche Version ist in Planung.
Vorteile der Complete Vocal Technique

Fazit

Die Complete Vocal Technique ist neben dem Estill Voice Training die aktuell einzige Stimmtechnik, die wissenschaftlich untersucht und entwickelt wurde und die Stimme vor Schäden schützt. Auch wenn ich persönlich das EVT als stimmiger und differenzierter bewerte, gibt es viele wertvolle Ansätze bei der CVT. Daher ist auch die CVT eine tolle Vocal-Methode, die sich gut mit dem Estill Voice Training kombinieren lässt. Dann hat man die gesamte Palette an Techniken zur Verfügung.

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(Foto: © Catherine Sadoline, CVT)

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