Dynamische Equalizer sind mächtige Werkzeuge, die schon manch einen Engineer aus brenzligen Situationen gerettet haben und welche auch kreativ eingesetzt werden können.
Trotzdem hat man das Gefühl, dass die genialen Dynamic EQs in der zeitgenössischen Flut von Emulationen ikonenhafter Audioprozessoren und Plug-ins, die versprechen, analoger als analog klingen, untergehen.
Zu Unrecht! Was die Arbeit mit dynamischen EQs auszeichnet, wie sie funktionieren und wo deren Einsatz sinnvoll ist, möchten wir euch mit diesem Workshop nahebringen. Weitere Tipps zum Thema Equalizer findet ihr außerdem in unseren Workshops EQ-Frequenzen und Frequenzbereiche von Instrumenten sowie Der Einsatz von Low Cuts in Mix und Recording.
Was ist überhaupt ein dynamischer EQ?
Das Prinzip eines dynamischen Equalizers ist eigentlich recht simpel. Wie ein gewöhnlicher EQ ist er mit einem oder mehreren Bändern zum Anheben und Absenken von Frequenzen ausgestattet.Der Unterschied zum herkömmlichen Equalizer liegt darin, dass die Frequenzbearbeitung mit einem dynamischen EQ pegelabhängig ist, so wie man es beispielsweise von einem Kompressor kennt. Eigentlich ist der dynamische EQ einem Multibandkompressor gar nicht so unähnlich, allerdings hat man aufgrund der (in der Regel) vielfältigen Filteroptionen der EQ-Bänder deutlich präzisere Bearbeitungsmöglichkeiten, wodurch quasi „chirurgische Eingriffe“ in Audiospuren (sowie virtuelle Instrumentenspuren) möglich sind.
Unterschied Dynamic EQ und Multibandkompressor
Multibandkompressor | Dynamic EQ | |
---|---|---|
zugrundeliegender Effekt | Kompressor | Equalizer |
Grundprinzip | frequenzabhängige Dynamikbearbeitung | dynamikabhängige Frequenzbearbeitung |
Wo gibt es dynamische EQs?
Keine DAW besitzt meines Wissens einen nativen dynamischen EQ in ihrer Grundausstattung. Mein persönlicher Erstkontakt mit dieser EQ-Gattung passierte in den späten 90er-Jahren (letztes Jahrtausend) als Bestandteil/Modul des legendären TC Elctronics Finalizer, einem beliebten Hardware-Masteringprozessor dieser Zeit. Kurze Zeit später war das Dynamic-EQ-Plug-in der Powercore-Plattform (ebenfalls TC) auch zur praktikablen Bearbeitung von Einzelspuren zugänglich. Aktuell findet man dynamische Equalizer in erster Linie als Plug-in von Herstellern von Audio Software, vereinzelt sogar als Freeware. Weiterhin sind diverse digitale Mischpulte mit dynamischen EQs ausgestattet und der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es vereinzelt exotische und sehr hochpreisige Hardware-Exemplare dieser Gerätegattung gibt, die man wahrscheinlich nur in einigen sehr ambitionierten Masteringstudios zu Gesicht bekommt. Als Beispiel seien hier Geräte von Daniel Weiss genannt.
Welche Parameter besitzen dynamische Equalizer?
Gegenüber herkömmlichen EQs besitzen dynamische Equalizer in der Regel die folgend genannten zusätzlichen Ausstattungsmerkmale: Ein typischer dynamischer EQ ist je Frequenzband mit einem Threshold-Regler ausgestattet, der zur Justierung des Schwellwerts dient, ab dem eine Absenkung oder Anhebung des entsprechenden Frequenzbereichs stattfinden soll. Viele Exemplare verfügen außerdem über einen Regler zur stufenlosen Einstellung des Verhältnisses von statischer und dynamischer Frequenzbearbeitung, bei Bedarf können solche dynamischen Equalizer also auch als herkömmlicher EQ verwendet werden. Einige dynamische EQs bieten die Möglichkeit, per Side Chain separate Frequenzbereiche zur dynamischen Ansteuerung des zu bearbeitenden Frequenzbands zu verwenden – mehr zu den Anwendungsbeispielen dieses Features folgt im Praxisteil dieses Workshops. Die Verwandtschaft zum Multibandkompressor zeigt sich an den einstellbaren Regelzeiten (Attack, Release, ggf. automatisch), über die typische Vertreter dieser EQ-Gattung verfügen.
Wo ist die Verwendung eines Dynamic EQs sinnvoll?
Prinzipiell gibt es kaum eine Audio- oder Instrumentenspur, in der ein dynamischer EQ nicht sinnvoll eingesetzt werden könnte. Allerdings ist es nicht überall zwingend notwendig, denn man soll ja nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Persönlich setze ich dynamische Equalizer bevorzugt auf Spuren ein, die ich mit einem herkömmlichen EQ und einem Kompressor nicht zufriedenstellend in den Griff bekomme. Das kann verschiedene Gründe haben. Bei einer hohen Dynamik in Verbindung mit einem heterogenen Frequenzbild ist der dynamische EQ häufig ein verlässlicher Partner. In der Praxis sind die Beispiele häufig ganz banal, wie eine gezupfte Gitarre oder ein Bass, bei denen bestimmte Töne aufgrund der Spielweise, einer Eigenart des Instruments oder einer nicht perfekten oder variierenden Position des Mikrofons wiederkehrend zu laut sind. Diese Töne bzw. die entsprechenden Frequenzen können mit einem dynamischen EQ ganz gezielt abgesenkt werden. Das geschieht nur, wenn sie auch tatsächlich zu „aktiv“ sind. Eine entsprechende Vorgehensweise kann man auf jegliche Resonanzen und störende Frequenzen, wie beispielsweise auch Zischlaute im Gesang, anwenden. Der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Bearbeitung mit Kompressor und EQ ist, dass zu laute Frequenzanteile ganz gezielt bearbeitet werden, wodurch Pump-Artefakte und nicht zweckdienliche (statische) Änderungen des Frequenzbilds einer kompletten Spur weitgehend vermieden werden können.
Anwendungen mit dynamischen EQs beschränken sich allerdings nicht allein darauf, Störendes gezielt abzusenken. In der oberen Abbildung sieht man, wie man beispielsweise den Attack einer Bassdrum per Side Chain (tiefe Frequenzen) gezielt anheben kann. Ein statische EQ-ing hätte zur Folge, dass sämtliche Becken und Hihats kontinuierlich mehr Präsenz erhalten. Somit ist die Verwendbarkeit dynamischer Equalizer vielfältig und auch der kreativen Anwendung sind keine Grenzen gesetzt.
Das abschließende Video zeigt den UAD Oxford Dynamic EQ in Aktion. Zunächst sieht man, wie der vielfach zu präsente Grundton eines dynamisch gespielten E-Basses im Zaum gehalten wird, wodurch das bearbeitete Ergebnis deutlich homogener klingt. Darauf folgt das bereits beschriebene Beispiel, in dem der „Kick“ einer Bassdrum im kompletten Drum-Mix erhöht wird. Viel Spaß!
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