Worauf muss man achten, wenn man einen Synthesizer gebraucht kauft? Wie kann man verhindern, dass man vergeblich auf das Paket wartet oder vom Inhalt enttäuscht ist? Wir haben ein paar Tipps zusammengestellt.
Eigentlich ist der Gebrauchtkauf eine super Sache. Wenn es gut läuft, freuen sich beide: Der Käufer, weil ein “neuer” Synth zu einem günstigeren Preis als beim Neukauf im Studio steht, und der Verkäufer, weil er ein nicht mehr genutztes Gerät zu Geld machen konnte. Leider kann man aber auch böse auf die Nase fallen und viel Geld verlieren. Damit euch das auf Plattformen wie eBay, eBay Kleinanzeigen oder dem neuen Free Music Tribe nicht passiert, kommen hier ein paar Tipps.
Dazu eine kleine Geschichte: Ende der Neunziger, auf Abifahrt nach Italien, erwarb ein Kumpel von mir in Neapel von einem Straßenhändler eine Stange Zigaretten. Er brüstete sich, einen guten Deal gemacht zu haben: Weniger als halb so viel wie im Laden hatte er dafür bezahlt! Zurück in unserer Unterkunft riss er die Packung auf, und heraus kam (zur großen Belustigung der Umstehenden): ein mit Nägeln beschwerter Block Styropor! Schon damals fiel es uns nicht schwer, dieses Malheur als jugendlichen Leichtsinn abzuhaken, aber ich muss gelegentlich daran denken, wenn ich höre, wie Leute beim Gebrauchtkauf über den Tisch gezogen werden.
Damals ging es vielleicht um 20 Mark, bei einem Synthesizer steht deutlich mehr Kohle auf dem Spiel. Deshalb: Augen auf beim Synthie-Kauf!
Vor dem Kauf schlau machen
Was für gebrauchte Autos, Computer oder Smartphones gilt, gilt natürlich auch für Synthesizer. Informiere dich vor dem Kauf ausführlich über das Instrument. Je mehr du weißt, desto besser ist deine Verhandlungsposition. Checke ab, ob bei diesem Modell bestimmte Probleme häufiger auftreten, und kläre ggf. mit dem Verkäufer, ob das Exemplar davon betroffen ist.
Besonders wichtig ist das bei Vintage-Synthesizern. Mehrere Jahrzehnte alte elektronische Geräte können unter einer Vielzahl von Problemen leiden. Verdreckte Kontakte, dunkle oder gar nicht mehr funktionierende Displays, ausgelaufene Speicherbatterien, kratzende Potis – die Liste der potentiellen Probleme ist lang. Bei nicht wenigen Vintage-Synths sind bestimmte Probleme eigentlich nur eine Frage der Zeit, wie zum Beispiel die Speicherbatterie beim Korg Polysix. Ein vertrauenswürdiger Verkäufer weiß über diese Dinge Bescheid und kann Auskunft darüber geben, ob sie vielleicht schon repariert wurden. Der Verkäufer wiegelt ab, hat keine Ahnung und weicht deinen Fragen aus? Dann lass die Finger von dem Deal – ein deutlicheres Zeichen könnte es nicht geben!
Manche typischen “Wehwehchen” alter Synthesizer kann man relativ einfach beheben, wie zum Beispiel dreckige Tastaturkontakte. Andere, die die Elektronik selbst betreffen, sind meistens etwas aufwändiger. Wenn du genau Bescheid weißt, kannst du besser abschätzen, ob du den Synthesizer im beschriebenen Zustand wirklich kaufen möchtest und ob der Preis angemessen ist.
Auch über den Verkäufer solltest du dich so gut es geht informieren. Findest du abschreckende Hinweise, wenn du seinen Benutzernamen googelst? Wie sehen die Bewertungen aus? Um aus der eingangs erwähnten Geschichte zu lernen: Versuche sicher zu stellen, dass du es nicht mit der virtuellen Version eines neapolitanischen Straßenhändlers zu tun hast! Wenn du Zweifel hast, lass dir vom Verkäufer eine Kopie seines Personalausweises schicken. Eine Garantie für Seriosität ist jedoch auch das nicht.
Selbst abholen und ausprobieren
Am sichersten bist du beim Kauf eines gebrauchten Synthesizers, wenn du auf einen Versand verzichtest und das wertvolle Instrument selbst abholst. Zugegeben: Gerade jetzt in der Corona-Zeit ist das nicht immer eine Option. Gerade bei teureren (Vintage-) Synths würde ich es aber grundsätzlich nicht auf einen Versand ankommen lassen und ggf. mit der Anschaffung noch etwas warten. Es sind einfach zu viele Unwägbarkeiten dabei: Entspricht der Synth dem beschriebenen Zustand, wird er vernünftig verpackt, verschickt der Verkäufer das Paket wirklich im versprochenen Zeitrahmen? Nicht zu vergessen das Hauptproblem: Betrüger, die Artikel anbieten, die sie vielleicht gar nicht besitzen, und sich dann mit deinem Geld aus dem Staub machen.
Wenn du nicht selbst hinfahren kannst, kann vielleicht eine andere Person deines Vertrauens helfen, die in der Nähe des Verkäufers wohnt. So kannst du zumindest sicher sein, dass das Gerät tatsächlich existiert.
Kleinanzeigen und Versand: eine gefährliche Kombination
Kleinanzeigenportale wie eBay Kleinanzeigen sind eigentlich für Artikel gedacht, die lokal verkauft, gekauft und abgeholt werden, so wie früher der Anzeigenteil in der Zeitung. Anders als zum Beispiel beim “richtigen” eBay müssen bei eBay Kleinanzeigen und vielen anderen Kleinanzeigenportalen weder der Verkäufer noch der Käufer namentlich bei der Plattform registriert sein. Diese Anonymität ist ein idealer Tummelplatz für schwarze Schafe. Gerade bei Kleinanzeigen gilt deshalb: Hinfahren, Artikel prüfen und erst zahlen, wenn alles passt. Bei größeren Summen empfiehlt sich das Aufsetzen eines Kaufvertrages, wie man es zum Beispiel bei einem Auto auch machen würde.
Wenn es doch mal keine Alternative zum Versand gibt, lies dir vor dem Kauf die Bestimmungen des jeweiligen Anzeigenportals genau durch und achte auf eine sichere Zahlungsmethode. Dass man nicht einfach Geld überweist, in der Hoffnung, dass der Verkäufer sein Wort hält, liegt auf der Hand. Sicherer (aber auch nicht ohne Tücken) sind Dienste wie PayPal.
Entgegen anderslautender Gerüchte ist es nicht mehr richtig, dass der PayPal-Käuferschutz auf eBay Kleinanzeigen gar nicht greift. Wenn du den Kauf über den Button “Jetzt zahlen” im Anzeigenportal abwickelst, ist dein Kauf auch hier über PayPal geschützt. Lass dich allerdings niemals auf die Bitte eines Verkäufers ein, ihm das Geld über die Funktion “an Freunde oder Familie senden” zu senden. Für den Verkäufer ist das ein Weg, die PayPal-Gebühren zu umgehen. Der Haken daran für dich als Käufer: Bei Zahlungen an Freunde oder Familie gilt der Käuferschutz nicht und im schlimmsten Fall bleibst du bei einem Problem auf dem Schaden sitzen.
Alles dokumentieren
Hebe alle E-Mails, Textnachrichten und sonstige Kommunikation mit dem Verkäufer auf und mache Screenshots der Anzeige. Im Falle des Falles stehst du so zumindest nicht mit ganz leeren Händen da und kannst ggf. rechtliche Schritte einleiten.
Diese Ratschläge klingen vielleicht etwas abschreckend, aber so ist das gar nicht gemeint. Grundsätzlich ist der Gebrauchtkauf eine tolle Möglichkeit, günstiger an das Instrument der Träume zu kommen – und bei Vintage-Synths sogar die einzige. Die allermeisten Synthesizer-Nerds, die im Internet als Verkäufer und Käufer unterwegs sind, sind gute Menschen, und nicht selten entstehen beim persönlichen Abholen und Ausprobieren bleibende Freundschaften. Wer mit etwas gesundem Misstrauen an die Sache herangeht, sich nicht auf dubiose Deals einlässt und gewisse Grundregeln des Online-Kaufs beherzigt, kann nach wie vor ein paar echte Schnäppchen machen.