Um simuliertes Vinyl-Feeling jenseits der Jogwheels eines DJ-Controllers zu spüren, kann man als DJ sein Setup zum DVS-System ausrüsten. Was einst von den Urvätern Traktor und Serato gelehrt wurde, nahmen sich weitere DJ-Programme wie rekordbox oder VirtualDJ erfolgreich an. Die kostenlose MIXXX-Software bedient sich ebenfalls der DVS-Funktion und kann dabei mit unterschiedlichem Timecode-Vinyl genutzt werden. Doch wie ist die Performance und was ist zu beachten?
Die technischen Voraussetzungen
Ein DVS knabbert am Geldbeutel. Zwar spart ihr dadurch, dass MIXXX kostenlos verfügbar ist an der Software einiges ein, aber nicht am restlichen Setup, das sich mindestens aus folgendem Equipment zusammen setzen sollte:
1x Battle-Mixer, z. B.:
- Behringer NOX1010
- Numark M2
- Reloop RP-4000 MK2
- Audio-Technica AT-LP120X USB
Für dich ausgesucht
- Ortofon MIX
- Reloop Concorde Black
… und ein Audiointerface wird ebenfalls benötigt, dazu gleich mehr.
Wenn ihr selbst an diesem günstigen Einstiegs-Setup knausern möchtet, dann könnt ihr natürlich noch einen Plattenspieler einsparen und beim zweiten Deck der Software ohne externe Steuerung auskommen. Wie das genau funktioniert, erkläre ich später.
Da viele der erschwinglicheren direktangetriebenen DJ-Plattenspieler nur einen Phono-Ausgang besitzen, erfordern die Soundkarten einen internen Phono-Pre-Amp als Vorentzerrer. Damit reduziert sich die Auswahl der passenden Audiointerfaces, die als Schnittstelle zwischen Plattenspieler und Mixer fungieren können, extrem.
Interfaces wie die Native Instruments Traktor Scratch A6, Rane SL2, Denon DJ DS1 oder rekordbox Interface 2 bündeln bereits eine DVS-kompatible Software, doch Preis würde in keinem Verhältnis zum restlichen Setup stehen. Preiswertere Soundkarten sind meist auch gleichzeitig Auslaufmodelle, die ihr nur noch aus zweiter Hand zum Beispiel in der Bucht schießen könnt, wie etwa ESI U46DJ oder Hercules Deejay Trim 4-6. (Anm. der Redaktion: Die Maya von ESI ist auch ein solides Interface)
Zwar bieten beispielsweise die günstigen, zur Vinyl-Digitalisierung gedachten Soundkarten-Modelle Reloop iPhono und ART USB Phono Plus ebenfalls einen Phono-Eingang, aber eben nur einen und einen Ausgang, sodass Mixen zweier Kanäle über MIXXX ausfällt.
Auch beim Timecode-Vinyl werdet ihr wohl eher auf Second-Hand-Platt(en)formen als beim regulären Händler fündig. Denn MIXXX akzeptiert ausschließlich folgende betagtere Vinyl-Editionen:
- Serato CV02/2.5
- Traktor Scratch MK1
- MixVibes DVS V2
Übrigens: MIXXX läuft auch im DVS-Modus mit CD-Playern und eingelegten Serato Control 1.0-CDs.
Konfiguration
An die Phono-Eingänge der Soundkarte schließt ihr die beiden Schallplattenspieler an, die zwei Ausgänge des Interfaces verbindet ihr mit den Line-Eingängen eures Battle-Mixers über ein Cinch-Kabel. Öffnet die Preferences der MIXXX-Software. Unter dem Tab „Sound-Hardware“ stellt ihr den Audiopuffer, sprich den Verzug beim Datenaustausch zwischen Soundkarte und Laptop, auf das von eurem Rechner akzeptierte Minimum ein. MIXXX empfiehlt im Manual für die angeblich beste Scratching-Performance eine Latenz von 10 Millisekunden, denn bei „höherer“ Latenz würde der Scratch-Sound angeblich verzerren. Die Programmierer meinen sicherlich bei niedriger Latenz?!
DVS-Features im GUI
Als letztes aktiviert noch die DVS-Ansicht in den Settings, damit in dem Deck das Timecode-Signal und die unterschiedlichen Abspielmodi auf der Bildfläche erscheinen.
Single-Deck-Modus
Sofern ihr nicht zu den Turntablisten und Beatjugglern zählen möchtet, reicht zum DVS-Auflegen mitunter das Spar-Set mit einem Schallplattenspieler. Routet dafür in den Einstellungen, Registerkarte Soundhardware, beim Eingang für beide Vinyl Control-Decks denselben Audioeingang. Zunächst mischt ihr mit Deck 1 einen Track per Vinyl ein. Danach wird die Vinylsteuerung in Deck 1deaktiviert, dafür im anderen eingeschaltet, entweder auf dem GUI oder per Shortcut. Somit könnt ihr ganz leicht beide Decks mit einem Plattenspieler steuern. Clever!
Performance
Beim DVS kommt es vor allem auf das authentische Vinyl-Feeling an. Zu dessen Check habe ich zunächst im Audio-Buffer die empfohlene Latenz von reichlich 10 Millisekunden beherzigt. Das Signal rutscht mir dabei förmlich unter den Fingern weg. Mit anderen Worten: Bei schnelleren Plattenbewegungen, wie bei leichten Baby-Scratches, hängt das Signal deutlich hinterher. Chirp-Scratches fallen damit völlig aus. Entsprechend drossele ich die Latenz auf das Minimum von reichlich einer Millisekunde. Siehe da, es läuft! Die Software verarbeitet anscheinend ohne auffälliges Delay den Timecode. Mit Chips spüre ich aber dann doch eine deutliche Verzögerung, die man auch hört. Griff ich beispielsweise für einen Tear-Scratch in die laufende Platte, hing auch vereinzelt das Deck etwas nach.
Als Hardcore-Scratcher schraubt besser eure Skills ein paar Gänge herunter. Aber zum Einstudieren der ersten Basic-Scratches eignet sich die Software auf jeden Fall. Der im Manual angesprochene, bei zu niedriger Latenz auftretende verzerrte Sound fiel mir auch auf, aber ein höherer Audio-Puffer und besserer Sound stellt für mich keine Alternative zum realeren Vinyl-Feeling dar, insofern drosselt den Audio-Puffer so weit wie möglich.
Der DVS-Workflow der kostenlosen DJ-Software Mixxx überzeugt generell, wobei ich mir den Single-Deck-Modus, aber auch den durchdachten Wechsel zwischen den Abspielmodi, dazu die Warnung vor dem Erreichen der Auslaufrille auch bei anderen DVS-Programmen wünschen würde. Damit lädt MIXXX als preiswerte Alternative zu ersten Gehversuchen mit Vinyl auf jeden Fall ein. Für professionelleren Einsatz sollte man sich aufgrund von Latenz und Systemstabilität doch lieber auf einen der Platzhirsche wie Serato DJ Pro, Traktor oder rekordbox einschießen.
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