In dieser Workshopfolge möchte ich eine ganz besonderes spektakuläre und legendäre Bassline der britischen Studiobassisten-Legende Guy Pratt behandeln. Eine Basslinie, die sich auch 30 Jahre nach Erscheinen der Single nach wie vor großer Popularität und Nachfrage erfreut ‑ und das vollkommen zu Recht! Madonnas Welthit “Like A Prayer” und das gleichnamige Album erschienen im Jahr 1989 und sollten beide immense Erfolge feiern. Madonna zementierte damit endgültig ihren Status als Superstar, gleichzeitig etablierte sie sich aber auch als ernsthafte Künstlerin, denn die Songs auf “Like A Prayer” besaßen allesamt musikalisch wie auch textlich unerwarteten Tiefgang. Zudem trat Madonna vehement für die Rechte von Minderheiten ein – und damit so ziemlich jeder konservativen Gruppierung in den USA auf die Füße! Auch Kooperationen mit anderen Künstlern – allen voran Prince – zeugten von Madonnas beachtlicher künstlerischer Emanzipation. So ist es kein Wunder, dass das berühmte “Rolling Stone”-Magazin die Scheibe “Like A Prayer” als eines der besten Pop & Rock-Alben aller Zeiten bezeichnete. Es lohnt sich übrigens, sich einmal an anderer Stelle in die gesamte History von “Like A Prayer” (inklusive der Aufregung um das Video zur Single, den spektakulär schief gelaufenen Werbedeal mit Pepsi Cola, etc.) einzulesen. Aber dies soll ja ein Workshop für Bassisten/innen werden, deshalb also auf zur Bassline von “Like A Prayer”!
„Like A Prayer“ – Originalvideo
Wie immer gibt es zur Einstimmung erst einmal das Video zum Song:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen“Like A Prayer” – Mr. Guy Pratt on bass!
Den Bassistenjob auf dem Album teilten sich die US-Studiolegende Randy Jackson und ein junger Engländer namens Guy Pratt, heute vor allem durch seine Zusammenarbeit mit David Gilmour bzw. Pink Floyd bekannt. Guy war es auch, der die Bassline zur Single “Like A Prayer” beisteuerten durfte.
Für dich ausgesucht
In seinem Buch, “My Bass And Other Animals”, sowie in etlichen Interviews liest man, dass Madonna Guy persönlich geradezu dazu drängte, immer und immer mehr zu spielen, vor allem im energiegeladenen Outro des Songs. Doch bevor ich das Ganze hier trocken nacherzähle ‑ in diesem Video sehen kann man die gesamte Geschichte sehen!
“Like A Prayer” – Songaufbau
Fangen wir ganz easy mit dem Vers an. Hier hat der E-Bass Pause, und auch generell geht es hier noch sehr ruhig zu. Wer möchte, kann die Grundtöne als ganze Noten mitspielen (siehe PDF). Entsprechend fulminant wirkt dann im Kontrast dazu der Chorus.
Wie so häufig in der Popmusik der 80er-Jahre dürfen wir Tieftöner hier einen programmierten Keyboard-Bass doppeln. Das verlangt ein hohes Level an Tightness, was wiederum eine schöne Herausforderung ist. Tonal besteht die Bassline hauptsächlich aus Grundton und Oktave, also alles noch im grünen Bereich. Wir bewegen uns in der Tonart F-Dur – die Akkorde F, C, Bb, Am und Dm sind allesamt Stufenakkorde dieser Tonart.
Kommen wir zum Filetstück des Songs: der Bridge bzw. dem Outro. Jetzt geht es wirklich ans Eingemachte: Dynamisch erreicht der Song hier seinen Höhepunkt, denn sowohl die Instrumentierung wie auch die Rhythmik verdichten sich stark.
Als Sahnehäubchen kommt zudem ein kompletter Gospelchor ins Spiel. Harmonisch bewegt sich dieser Teil lange auf D-Moll, was der Mollparallele zu F-Dur entspricht. Dies unterstreicht die mysteriöse und spannungsgeladene Stimmung der Bridge bzw. des Vamps (in Schleife gespielter Abschnitt) im Outro. Am Ende der achttaktigen Form führt uns ein Turnaround mit den Akkorden C, Bb, Am, Bb und abermals C entweder zurück in den Chorus oder in den nächsten Durchlauf des Vamps.
“Like A Prayer” – Enorm viel los in der Bassline!
Die Bassline ist hier außergewöhnlich busy, also rhythmisch sehr kompakt mit vielen Noten. Der erste Takt des zweitaktigen Groovepatterns wird durch einen dichten Sechzehntelrhythmus bestimmt. Guy wechselt hier einfach zwischen Grundton und Septime hin und her. In jedem zweiten Takt folgt dann nach der Zählzeit 1 ein Fill-In. Das ist bemerkenswert, da Bass-Fills ‑ wenn überhaupt vom Bassisten erwünscht ‑ in der Regel alle acht oder 16 Takte stattfinden.
In der Summe sind das jede Menge Fills, einige davon sind mehr rhythmischer Natur, andere wiederum sehr melodisch. Im Laufe des Songs man meint fast zu hören, wie Guys Selbstbewusstsein wächst und er immer wieder einen draufsetzt. Das Tonmaterial seiner Wahl dafür sind die D-Moll-Tonleiter oder die D-Moll-Pentatonik (siehe PDF). Im erwähnten Turnaround am Ende der Form geht es sogar hoch bis zum 17. Bund, dafür wird es tonal etwas entspannter, denn Guy verschiebt hier meistens ein sich wiederholendes Pattern aus Grundton, Quinte und Oktave über alle Akkorde.
Ich habe für diesen Workshop eine Art “Best Of” dieser zahlreichen Fills transkribiert und in einer kompakten Aufzählung notiert. Auf diese Weise bleibt die Länge überschaubar, während dennoch alle wichtigen Informationen enthalten bleiben. Bei dem Tempo von 112 BPM ist das eine oder andere Fill schon durchaus eine Herausforderung, aber so soll es ja auch sein!
Um das Maximum für sich herauszuholen, halte ich es für sinnvoll, sich seine Favoriten herauszupicken und diese dann intensiv zu Üben. Nach einiger Zeit sollte man dann beginnen, eigene Ideen ins Spiel zu bringen. Dies geht meist automatisch, wenn man sich vorher die Inspiration vom Original geholt und ins eigene Vokabular übernommen hat. Genauso darf man gerne Guys Fills nehmen und in eigne Songs einbauen. Für beide Parts (Chorus und Outro) habe ich ein Playalong erstellt.
“Like A Prayer” – Bass-Sound
Laut Guy kam sein viersaitiger Spector-Bass mit einer P/J-Pickupkonfiguration von EMG zum Einsatz. Dies ist ein sehr klar und transparent klingendes Instrument, was typisch für diese Zeit war.
Das “Salz in der Suppe” ist natürlich das Octaver-Pedal: bei der Aufnahme war dies der legendäre Boss OC 2. Leider besitze ich das Original nicht, daher musste ich für meine Klangbeispiele auf eine Alternative zurückgreifen:
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Basssounds sind die vielen Artikulation mit der Greifhand – allem voran Vibrati und Shakes (schnelles hin. und herrutschen zwischen zwei Bünden). Noch ein kleiner Hinweis zur Position: Man kann den Groove natürlich im fünften Bund der A-Saite beginnen, muss dann aber häufig für die Fills einen Lagenwechsel in Kauf nehmen. Ich persönlich finde es da wesentlich angenehmer, gleich im zehnten Bund auf der E-Saite zu starten, das erspart einiges Rutschen und klingt zudem fetter!
“Like A Prayer” – Noten, TABs und Klangbeispiele
Viel Spaß mit dieser “Bass-Tour de Force” und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt Thomas Meinlschmidt