Selbstvermarktung im Internet – Fluch und Segen

Das Internet ist ein Segen, wenn es um die Möglichkeit geht, sich selbst zu vermarkten. Keine Frage! Doch es ist auch manchmal ein Fluch, eben weil sich dort jede und jeder selbst vermarkten kann. Vieles von dem, was man dort liest, ist nicht immer wahr. Doch wie geht man damit um, wenn selbst Dienstleistungen in Kunst und Musik mit aggressivem Marketing angeboten werden?

(Bild: © Shutterstock, Bild von Stockvektor)
(Bild: © Shutterstock, Bild von Stockvektor)
Inhalte
  1. Selbstvermarktung to go
  2. Marketing Versprechen vs. Realität
  3. Je oller die Website, desto doller die Künstler?
  4. Fake it till you make it?
  5. Selbstvermarktung mit Gehirn


Wenn man im Internet zum Beispiel nach Vocal Coaches oder Wedding Singers Ausschau hält, wird man regelrecht von Angeboten erschlagen. Die Websites sind alle aufwendig gestaltet und wenn man die Texte liest, bekommt man den Eindruck, dass hier ausschließlich supergefragte Megatalente am Start sind. “Woher kommen die alle auf einmal?”, fragt man sich da.
Auf den Websites der Vocal Coaches wimmelt es mittlerweile nur so von “Gütesiegeln”, die in Form von Zertifikaten aller möglicher Unterrichtsmethoden stammen. Selbstvermarktung im Internet ist super easy, günstig und bietet für alle Platz. Keiner prüft oder bewertet das, was dort geschrieben wurde. Doch woran erkennt man, ob jemand wirklich gute Inhalte und Erfahrung zu bieten hat? Insbesondere, wenn man sich mit Musik bzw. Gesang nicht gut auskennt? Wie kann ich mich davor schützen auf großartiges, vielversprechendes Marketing hereinzufallen?

Selbstvermarktung to go

Marketingstrategien werden heute auf vielen Internetseiten, diversen Internetforen und in Facebookgruppen erklärt und untereinander ausgetauscht. Und ja, das ist eine gute Sache. Wenn man nicht genau weiß, wie man sich als Künstler/in oder Dienstleister/in am besten präsentieren sollte, kann es hilfreich sein, mehr über Selbstmarketing zu lernen. Und es ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn man hier und da etwas dicker aufträgt. Fotos kommen besser rüber, wenn man den Alltagsdreck aus dem Gesicht retouchiert und natürlich sucht man sich nur die besten Videoausschnitte des letzten Live-Auftritts aus, um sie dem Publikum zu präsentieren. Jeder kann das mittlerweile zu Hause und alleine ohne professionelle Hilfe machen.
Ziel ist, dass die eigene Künstlerpersönlichkeit, die man über Jahre hinweg mit viel Fleiß und Mühe entwickelt hat, wahrgenommen wird. Wer mit seinem Style heraussticht oder viele Leute anspricht, wird in den Sozialen Medien auch neue Fans gewinnen, die dann womöglich den Weg in die Konzerte oder Gesangsschule finden.

Marketing Versprechen vs. Realität

Doch vergessen wir nicht, dass all das nur die Vorarbeit für die Chance des direkten Kontakts ist. Denn erst beim Auftritt oder während der Unterrichtsstunde können aus interessierten Menschen richtige Fans und/oder Schüler/innen werden, weil sie dich dort wahrhaftig mit deinem ganzen Potenzial erleben. Und das sollte alles übersteigen, was man vorher im Netz über dich gesehen und gehört hat.
Leider scheint sich diese Vorgehensweise langsam zu drehen. Immer mehr junge Künstler/innen investieren zu Anfang mehr Zeit und Energie in Marketingstrategien als in ihre Kunst. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie viel viele dieser Künstler/innen über das Marketing wissen und wie wenig sie an Inhalten und Erfahrung in der Praxis tatsächlich zu bieten haben. Doch spätestens beim Live-Kontakt fällt die Maske. Denn da kann man nicht editieren, retouchieren und nur in den seltensten Fällen autotunen.
Hat man sich vorher nur im Internet über diese Künstler/in informiert, so könnte es sein, dass man große Erwartungen entwickelt. Werden die Erwartungen bei einem Auftritt oder einer Unterrichtsstunde nicht erfüllt, geht man enttäuscht nach Hause. Ein Fan weniger! Die geplante Marktstrategie fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Je oller die Website, desto doller die Künstler?

Heisst das im Umkehrschluss vielleicht, dass man, um wahre Talente entdecken zu können, besser nach Websites schaut, deren Aufmachung weniger hermacht?
Zumindest fällt mir bei meinen Schüler/innen oft auf, dass die begabtesten am zögerlichsten sind, wenn es um ihre Vermarktung geht. Da bin ich meistens diejenige, die Woche für Woche predigt: Mach mal endlich coole Fotos. Investiere in ein Video! Come on! Wo ist deine Website??
Zu bescheiden vielleicht – ja, aber auch sympathisch, wie ich finde. Denn wenn diese Newcomer auf die Bühne gehen, hört man, dass ihnen ihre Musik am meisten am Herzen liegt und sie mehr Wert auf ihre musikalischen Inhalte legen als auf ein fettes Marketing. So herum ist es mir ehrlich gesagt lieber, weil ich dann mit Freude verfolge, wie sie sich entwickeln und sich ihre Websites mit Inhalten füllen.

Fake it till you make it?

Heutzutage kann man für 50 Euro im Jahr bei diversen Anbietern eine traumhafte Website erstellen. Man kann selbstgemachte (und selbst gephotoshoppte) Fotos von sich sowie selbstgemachte Videos hochladen. Dazu noch einen pompösen Biographietext, in den man alles packt, was man je gemacht hat. Von Hintergrund-Dinner-Musik bis zum Session-Opener-Konzert. Ein paar Zitate von Leuten, die mal Unterricht genommen haben oder Veranstalter von Events, die einen gebucht hatten. Alles eingebunden in professionell gestalteter Grafik und schwuppdiwupp wird man quasi von heute auf morgen zu einer gefragten Künstler/in. Wer dann noch die Tricks des Internet Marketings gut kennt platziert sich ganz oben in der Google Suchliste.
So manche noch relativ unerfahrenen Künstlerinnen präsentieren sich so, als stünden sie auf Augenhöhe mit Künstler*innen, die zehnmal mehr Erfahrung und Qualitäten zu bieten haben. Wie geht man damit um? Sind das dann Mogelpackungen? Trittbrettfahrer? Oder gilt hier der schöne Satz “Fake it till you make it”?
Wenn ich mich so durchs Netz klicke, erkenne ich, dass die Künstler*innen und Gesangslehrer*innen, die bereits 20 oder 30 Jahre Erfahrung mitbringen, oftmals unscheinbare Websites haben, die im Vergleich zu denen der Jüngeren nicht mithalten können. Und ja – das spricht auch mich nicht mehr an. Ich schaue mir lieber die modern aufgemachten Seiten der Jüngeren an – die sehen einfach nach mehr aus.
Da wünschte ich mir oft, dass die Älteren ihre Internetpräsenz auffrischen und modernisieren würden. Wie groß könnte das werden, wenn sie ihre Menge an Erfahrungen dadurch “highlighten” würden?

Selbstvermarktung mit Gehirn

Okay, genug Argumente dafür, dass es der eigenen Vermarktung nicht unbedingt guttut, sofort alle aktuellen Marketingtools einzusetzen. Aber wie sollte es dann gehen?
Wie schon gesagt, mit gesundem Wachstum! Warum nicht das eigene Können und das Eigenmarketing sukzessive aufbauen? Charmant anfangen, lieber ein kleines bisschen Understatement einbauen und bei jedem neuen Erfolg einen Gang hochschalten. Sich und der eigenen Kunst Zeit geben zu wachsen. Dann werden die Statements auf der eigenen Homepage auch das halten, was sie versprechen und es gibt Luft nach oben, beim Livekontakt alle positiv umzuhauen. Oder, was denkt ihr?
PS: Für diesen Artikel haben wir Marketingcoaches und Macher/innen von Internetplattformen angeschrieben, wie sie mit dem Umstand umgehen wenn die Musik und das Können ihrer Coachees bzw Kundinnen nicht mit deren Marketingwunsch mithält. Ihre Antwort darauf? Keine. Oder auch: Keine Zeit, sich damit auseinander zu setzen.

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