„Ich konnte diese Woche leider nicht Klavier üben.“ Diesen Satz hört jeder Klavierlehrer mehr als einmal pro Unterrichtstag. Und, es gibt tatsächlich auch Zeiträume, in denen man einfach nicht zum Üben kommt. Diese Momente kennt jeder. Wird diese Aussage jedoch zur Regel, liegt es wahrscheinlich nicht mehr nur an der fehlenden Zeit.
Warum übt man eigentlich so wenig, oder nicht regelmäßig? Schließlich war man nach der letzten Unterrichtsstunde doch so motiviert. Und man hatte sich vorgenommen, dass jetzt alles anders würde, und man sich in den nächsten sieben Tagen dem neuen Stück intensiv widmen, damit es endlich abgeschlossen werden kann. Und eigentlich will man doch auch gut Klavierspielen können.
In diesem Artikel wollen wir der Lernmotivation und der eigenen Bequemlichkeit auf die Schliche kommen. Wo kommen beide Eigenschaften her? Hat jeder mit ihnen Probleme? Und vor allem: Wie lässt sich Motivation zum regelmäßigen Üben finden und auch erhalten?
Quick Facts: Motivation
Motivation ist die Richtung, Intensität und Ausdauer einer Verhaltensbereitschaft hin oder weg von Zielen. Motivation beschreibt eine Beeinflussung von Verhalten. Sie ist inneres Potenzial, das ein zielgerichtetes Verhalten antreibt. Weitere umgangssprachlich verwandte Begriffe sind Leidenschaft, Hingabe, Enthusiasmus, Anstrengung, Willenskraft und Fleiß.
Bevor wir in die Tiefen unserer Psyche vordringen: Du wirst dich in den folgenden Zeilen wahrscheinlich irgendwo wiederfinden. Bestimmte Szenarien könnten dich an deinen Unterricht, oder dein eigenes Verhalten beim Klavier üben erinnern. Und vielleicht fühlst du dich dadurch auch ertappt, und das ist nicht immer schön. Sei dir aber sicher, dass dir dieser Artikel nicht einfach ein schlechtes Gefühl vermitteln möchte. Willst du der eigenen Bequemlichkeit wirkungsvoll entkommen, musst du ganz ehrlich in den Spiegel schauen, damit du das Problem und deren Hintergründe wirklich verstehst. Nur so kannst du auch etwas ändern.
Warum muss Klavierspielen geübt werden?
Gerade wenn es um motorische Abläufe geht, ist es wichtig, solche Bewegungen immer und immer wieder auszuführen. Viele Klavieranfänger vergessen, dass Klavierspielen eine Tätigkeit ist, die man nicht durch das reine Lesen der Noten erlernt. Man muss diese Tätigkeit praktizieren. Deshalb bringt es nichts, sich die ersten vier Takte eines Stücks nochmal genau anzuschauen, bevor man sie spielt. Hat man sie nicht geübt, werden beim Spielen sicherlich Fehler gemacht, obwohl man sie bereits so oft gesehen hat.
Denke an einen Sportler, der immer und immer wieder die gleichen Bewegungen übt, bis sie ihm immer leichter fallen, weil er einen optimalen Weg gefunden hat, um sie fehlerfrei auszuführen. So trainieren Fußballer den Elfmeter, Tennisspieler den Aufschlag, Boxer ihre Schläge, etc. Wenn der Ball nicht ins Tor geht, hast du auch keinen Elfmeter geübt.
Klavierspielen ist sehr komplex und besteht aus vielen Untertätigkeiten, wie dem Zurechtfinden auf der Tastatur, der eigentlichen Fingerfertigkeit, dem bewussten Registrieren der verschiedenen Tonhöhen und dynamischen Abläufe, um nur einige zu nennen. Man muss viele Handlungen zeitgleich koordinieren. Ohne ein konsequentes Üben dieser Handlungen und Abläufe wird es beschwerlich und so entsteht nach einiger Zeit meistens Frust. Was beim Klavier üben wirklich wichtig ist, erfährst du hier.
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Warum wirkt Bequemlichkeit der Motivation entgegen?
Bequem sein ist normal. Das ist die gute Nachricht. Das Verhalten geht schon auf unsere Entstehungsgeschichte zurück. Unser Gehirn ist ein sehr alter Super-Computer, der in einer Zeit entstand, als die Welt voller Gefahren und das eigene Überleben noch ein richtiger Kampf war. Das Gehirn lernte in dieser Zeit Energie zu sparen, sobald gerade keine akute Gefährdung für Leib und Leben bestand. Und auch heute verfährt das Gehirn nach diesem Prinzip, obwohl es in unserer heutigen Welt wesentlich weniger gefährlich zugeht. Zumindest in unserem Teil der Welt.
Deshalb ist es normal, dass man in schwierigen Situationen einen Schutzpanzer aufbaut, der alles Unangenehme von einem fernhalten soll. Sobald du dich anstrengen sollst, ohne in Gefahr zu sein, wirst du immer einen Widerstand in dir spüren. Das ist die Psyche, die den Energiesparwunsch des Gehirns in die Tat umsetzt. Das ist also ganz normal. Je öfter du dieses Gefühl ignorierst, desto schwächer wird es. Im Gegensatz dazu konstruieren Situationen, in denen man unbedingt etwas erreichen möchte eine unglaubliche Triebfeder, um dem angestrebten Ziel näher zu kommen.
Warum verwenden wir die Ausrede mit der Zeit?
Sich einen Fehler einzugestehen fällt uns nicht leicht, das ist eine weitere Aufgabe unserer Psyche, wir wollen immer gut dastehen. Lieber reden wir uns Dinge schön, z. B. mit „ich hatte diese Woche keine Zeit.“ Das klingt besser als: „ich habe in der letzten Woche in jeder freien Minute auf dem Sofa gelegen und nichts erledigt, was wichtig gewesen wäre,“ denn dann würden wir uns schlecht fühlen.
Noch einfacher ist es für uns, sich etwas schön zu reden, wenn es einen scheinbaren Grund für die Nachlässigkeit gab. Denn dann waren wir ja Opfer der Umstände und konnten einfach nichts dagegen tun. Das mag unsere Psyche besonders, denn so trifft uns augenscheinlich keine Schuld. Wenn man gleich zwei Abende mit der ungeliebten Steuererklärung verbringen musste, nutzt die Psyche diese Gelegenheit sofort und erklärt damit auch gleich noch die Bequemlichkeit der anderen Tage der Woche, an denen wahrscheinlich durchaus Zeit gewesen wäre das Thema stressfrei abzuhandeln.
„Ich hatte diese Woche keine Zeit“ ist deshalb fast immer eine Ausrede. Eine Woche besteht aus 10.080 Minuten. Kaum vorstellbar, dass man in all dieser Zeit nicht einmal 30 Minuten pro Tag zum Klavier übenkommt, oder? Das kostet nur 210 Minuten in der Woche. Stattdessen sollte man lieber sagen: „Mir war das Üben diese Woche einfach nicht wichtig.“ Das fühlt sich anfangs zwar auch seltsam an, aber so umgeht man zumindest den Teufelskreis der Ausreden und geht bewusster mit seiner Zeit um.
Da du nur die Anstrengung des Übens siehst, schiebst du das Ganze immer so weit wie möglich nach hinten. Wenn es dann Zeit ist ins Bett zu gehen, kannst du dich wieder mit der ‚ich-hatte-keine-Zeit-Ausrede‘ beruhigen. Klavierspielen muss dir wichtig sein. Stell die vor, wie schön es ist, wenn man gut Klavier spielen kann. Genau deswegen hast du ja auch ursprünglich mit diesem tollen Instrument begonnen. Suche dir feste Übe-Zeiten z. B. direkt nachdem du aus der Schule oder von der Arbeit kommst. Oder, übe einfach fünf Minuten vor dem Essen und das fünfmal die Woche. Du wirst nicht glauben können, wie gut sich das anfühlt, wenn du das eine Weile durchziehst. Und du musst nicht die ganze Woche dein schlechtes Gewissen ertragen, weil du wieder nicht geübt hast.
Welche Arten der Motivation gibt es?
Das menschliche Gehirn kennt zwei Arten von Motivation. Die Erste ist der Wunsch etwas zu erreichen, das einem wichtig ist. Man hat ein Ziel. Das ist der Antrieb, der uns dahinführt, wo wir hinwollen.
Die zweite Art der Motivation ist das Vermeiden von etwas Ungewolltem. Wenn du bis zur Abgabe deiner Steuererklärung nur noch drei Tage hast, bevor du finanzielle Folgen spürst, wirst du dich auf jeden Fall aufraffen können, den Bescheid auszufüllen, vermutlich selbst dann, wenn es bereits ein Tag vor Abgabetermin ist. Dieses Motivationsprinzip funktioniert also nur, wenn die zu vermeidende Folge schlimmer wahrgenommen wird, als die psychische Bequemlichkeitsblockade. Soweit zur Theorie und der Psychologie des ‚Fleißig‘ und ‚Faul‘ seins. Wie lässt sich das gewonnene theoretische Wissen nun in unseren Alltag einbetten, denn nur regelmäßiges Klavier üben führt tatsächlich zum gewünschten Erfolg?
Motivationsschritt 1: Sich selbst belohnen
Sich mit dem Erreichen von Zielen zu motivieren ist sehr beliebt. Bleibt es aber nur beim eigentlichen Wunsch, gewinnt die Bequemlichkeit schon bald wieder die Oberhand und man fällt in alte Gewohnheiten zurück. Deshalb scheitern die meisten Vorsätze am Jahresanfang meist schon in der zweiten Januarwoche.
Der Trick bei dieser Art der Motivation liegt darin, eine Verpflichtung einzugehen. So verbindest du ein Ziel mit einer Aufgabe. Treffe mit deinen Eltern oder deinem Partner eine Vereinbarung. Du formulierst das Ziel und knüpfst eine Belohnung daran. Wenn du also fünfmal die Woche nachweislich Klavier übst und vor den Sommerferien dann die ganze Beethoven-Sonate beim Klassenvorspiel aufführst, erhältst du im Anschluss die Belohnung. Welcher Art die Belohnung ist, ist dabei nicht wichtig. Entscheidend ist lediglich: Wenn ich X tue, erhalte ich Y. Dann übt es sich viel leichter, weil man weiß, wofür man es tut.
Motivationsschritt 2: Unangenehmes verhindern
Auch negative Dinge lassen sich als Motivation nutzen, denn diese möchte man um jeden Preis verhindern. Das ist sozusagen die dunkle Seite der Macht. Und auch wenn das zunächst abschreckend klingt, diese Art von Motivation ist besonders effektiv. Spielst du in einer Band oder einem Ensemble, musst du einfach üben. Es fühlt sich nicht toll an, wenn bei der nächsten Probe alle ihren Part beherrschen, nur du nicht. Eine Bremse sein, ist nicht angenehm. Dieses Prinzip funktioniert auch gut mit öffentlichen Vorspielen. Vor anderen wirst du dich kaum blamieren wollen und schon ist es nicht mehr so schwer, sich zum regelmäßigen Üben zu motivieren. Es wird sogar Spaß daraus, wenn man selbst erfährt, dass Andere deinen Einsatz schätzen.
Sich selbst Druck zuzuführen, wenn es darum geht etwas Unangenehmes zu verhindern, ist eine fleißtreibende Angelegenheit: Verpflichte dich unter Zeugen etwas eine Zeit lang zu tun, wonach dir nun gar nicht der Sinn steht, solltest du dein regelmäßiges Übungspensum nicht einhalten. Das motiviert mit Sicherheit. Probiere es einfach mal aus.
Erwachsene, die mit dem Spielen beginnen, betrachten den Vorgang des Klavier Lernens aus einer anderen Perspektive, als Kinder und Jugendliche. Sie haben in der Regel die nötige Motivation zum Lernen und wissen, wie ihr Alltag neben allen Verpflichtungen aussieht, müssen aber oft erfahren, dass es klug ist, sich einen Plan zu machen, der eine regelmäßige Zeit zum Üben in den Tagesablauf mit einbezieht. Sich zum Klavier üben zurückzuziehen, kann eine ernst zu nehmende Entspannung darstellen.
Da aus Spaß kein Frust werden soll, ist eine gewisse Selbstdisziplin der Schlüssel zum Erfolg um die Lernmotivation zu erhalten. Selbst die schönsten Dinge können irgendwann nerven, wenn sie beginnen schwierig zu werden. Hat man diese durch eigenen Einsatz gemeistert, schafft das wieder Raum für neue Herausforderungen. So ist das auch beim Üben. Selbst das Üben schwieriger Passagen kann richtig Spaß machen, wenn man sich dem fehlerfreien Spiel immer weiter annähert.
Und darauf kommt es an: Man macht etwas, weil man Spaß daran hat. Man ist begeistert ein Ziel erreichen zu können, wenn man sich dafür stark macht. Das ist Motivation.
Schlusswort
Das waren unsere Tipps zum finden, aufbauen und erhalten von Motivation zum regelmäßigen Klavier üben. Anregungen, die aus eigenen Erlebnissen entstanden sind, wenn die Lust zum Üben mal wieder nicht so groß war. Selbstmotivation ist ein großes Thema und es gibt sicherlich noch weitere Methoden und Impulse, als die Geschilderten. Wir sind gespannt auf eure Erfahrungen und Anregungen!