Ein weit verbreitetes Vorurteil über das Bassspielen ist, dass man dafür eine Menge Kraft braucht. Die im Vergleich zur Gitarre deutlich dickeren Saiten und die größeren Ausmaße des Instruments können ja diesen Eindruck auch leicht aufkommen lassen. Tatsächlich ist das Spielen mit zu hohem Kraftaufwand einer der häufigsten Fehler, den sowohl Anfänger als auch viele Profis gleichermaßen begehen. Dies gilt vor allem für die Greifhand, welche die Töne auf dem Griffbrett greift, und führt von konditionellen Problemen bis hin zu Schmerzen oder gar ernsthaftem Stress mit den Sehnen und der Muskulatur. Damit es gar nicht so weit kommt, wollen wir dir in diesem Workshop zeigen, wie viel Kraft tatsächlich notwendig ist, um einen Ton am Bass zu erzeugen – und wie man von schlechten Angewohnheiten (wie zu festes Drücken mit den Fingern der Greifhand) wieder loskommt.
Kraftaufwand beim Bassspielen – die Physik
Eigentlich erledigen die Finger unserer Anschlagshand nur die halbe Arbeit, den Rest erledigen die Bundstäbchen auf dem Griffbrett: Wenn wir einen Ton in einem Bund abdrücken, so berührt irgendwann die Saite den Bundstab und die Saite wird exakt dort (und nicht etwa da, wo unser Finger ist!) in eine schwingende und eine nicht schwingende Hälfte unterteilt.
Sobald dieser Druckpunkt erreicht ist, wird jeder zusätzlich ausgeübte Kraftaufwand überflüssig, da die Saite ja bereits vollständig durch den Bundstab unterteilt wird – und nicht durch unsere Finger. Wir als Player sind hier sozusagen nur das Mittel zum Zweck.
Kraftaufwand beim Bassspielen – Druckübung
Im Wesentlichen spielen zwei Komponenten eine Rolle: Zum einen der Finger, welcher gerade einen Ton drückt, und zweitens der Daumen auf der Rückseite des Halses. Der Daumen sollte wenig bis gar keinen Druck ausüben, sondern in erster Linie als Gegenlager für die Stabilität der Hand in der aktuellen Position dienen.
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Der “tonerzeugende” Finger sollte ebenfalls nur gerade so viel Druck ausüben, wie nötig ist, um einen Ton entstehen zu lassen. Um den optimalen Druckpunkt zu finden, kann man folgende Übung machen:
- Lege deine Greifhand ganz locker ca. um den 5. bis 9. Bund auf die A-Saite.
- Schlage mit der Anschlagshand die A-Saite in konstantem Tempo an (“Motor anlassen!”)
- Drücke nun ganz langsam immer weiter den Zeigefinger auf der Saite herunter, bis ein Ton entsteht
- Danach wieder loslassen und das Ganze mehrfach wiederholen, um ein Gefühl für den erforderlichen Druckpunkt zu entwickeln
Du wirst hier sofort feststellen, dass in Wahrheit nicht sehr viel Kraft notwendig ist, um einen Ton zu erzeugen. Und du siehst: Jeder noch stärkere Kraftaufwand (ebenso wie ein Drücken mit dem Daumen) wäre hier vollkommen sinnlos! Übrigens: Diese tolle Übung kann man natürlich auch mit allen anderen Fingern und Saiten machen.
Kraftaufwand beim Bassspielen – “Hand in Hand”
Hat man sich schon angewöhnt, viel zu viel Kraft aufzuwenden, so kann man sich dies mit einer einfachen und effektiven Übung wieder abgewöhnen. Das Beste ist: Für diese Übung braucht man nicht einmal sein Instrument, denn man kann sie überall machen!
Dazu legt man einfach seine Anschlaghand in die Greifhand ‑ als wäre diese der Basshals. Der Daumen liegt also auf der Handfläche und die Finger auf dem Handrücken. Jetzt lässt man die Finger einfach ganz entspannt “tanzen”, ohne dabei mit ihnen oder dem Daumen Druck auszuüben.
Nun folgt der wichtigste Teil: Während man diese Übung macht, stellt man sich vor, dass man seinen Bass spielt! Man visualisiert also sich selbst auf der Bühne oder im Proberaum und fühlt, wie locker und entspannt sich alles anfühlt. Am besten funktioniert das natürlich mit geschlossenen Augen.
Das Ziel dabei ist, dass unser Gehirn dieses Gefühl der Mühelosigkeit und Leichtigkeit mit dem Bassspielen verknüpft. Wenn wir dann wieder an unser Instrument zurückkehren, erwartet unser Gehirn wieder dieses Gefühl. Das klingt vielleicht etwas esoterisch, hat sich aber schon unglaublich häufig bewährt. Einfach mal über ein paar Wochen ausprobieren und schauen, was sich tut!
Kraftaufwand beim Bassspielen – Achtsamkeit
Eine ganz simple Übung ist schlichtweg die gute alte “Achtsamkeit”: Dies bedeutet, sich immer wieder selbst beim Üben, Proben etc. zu beobachten und abzufragen, ob man gerade noch locker und entspannt ist, ob man zu stark drückt etc., um nicht Gewünschtes gegebenenfalls zu korrigieren.
Sich selbst zu kontrollieren erfordert zwar einiges an Disziplin, ist aber unerlässlich, wenn man Fortschritte machen möchte. Jeder Basslehrer, jedes Buch, jeder Workshop kann hierzu nur Anleitungen geben. Umsetzen und immer wieder kontrollieren muss man zum größten Teil selbst. Nicht umsonst heißt es, dass man selbst “sein bester Lehrer” ist!
Kraftaufwand beim Bassspielen – Übespiegel
Eine große Hilfe kann das Üben vor einem Spiegel sein. Dies muss nicht jeden Tag sein, sondern nur gelegentlich, zum Beispiel einmal in der Woche. Das Üben vor einem Spiegel (was im Bereich der klassischen Musik übrigens wesentlich weiter verbreitet ist!) hat zwei Vorteile:
Zum einen hat man als Spieler eine verzerrte Perspektive auf sich und seine Bewegungen, was das Urteilsvermögen hinsichtlich Technik natürlich trübt. Im Spiegel hat man eine ganz andere “Draufsicht”, ähnlich der Perspektive eines Musiklehrers. Zum anderen gilt die einfache Formel: Was locker und entspannt aussieht, ist bzgl. der Spieltechnik eines Instrumentes in der Regel auch richtig!
Viel Spaß beim Üben und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt