Lo-Fi-Sounds, also das Prinzip des bewusste Zerstören von Sounds, setzen sich nach Jahren glattgebügelter Produktionen vermehrt durch. So glassklar sich jede Aufnahme bearbeiten und equalizen lässt, so sehr jedes zweite Tutorial vor Übersteuern und Rauschen warnt: Irgendwann klingt eine zu stark bearbeitete Produktion wie ein IKEA-Katalog.
Einige Elemente moderner Produktionen, wie Sidechaining oder Autotune, werden deshalb mit Band- oder Vinylrauschen sowie „kaputt“ geschnittenen Samples gemischt. In traditionellen How-to-Lo-Fi-Tutorials geht es meist um DAS eine Plugin, ohne die Lo-Fi-Sounds nicht zu machen sind. Allerdings bringen die heutigen DAWs fast alle Lo-FI-Mittel mit. Falls es doch an mitgelieferten Plugins scheitert, gibt es am Ende des Artikels noch eine Liste mit Freeware.
How to LoFi– Was ist das überhaupt?
Da Lo-Fi-Sounds in den verschiedensten Genres auftauchen und wir den Rahmen dieses Artikels aber nicht sprengen wollen, beschränken wir uns heute auf den prominentesten Vertreter, den Lo-Fi-Hip-Hop. Wir schauen uns kurz an, was den Stil ausmacht, und anschließend bauen wir uns die Elemente zusammen.
Für dich ausgesucht
Grundsätzlich sind Lo-Fi-Hip-Hop-Tracks eher simpel gestrickt, komplexe Soundkollagen sind selten. Die Stimmung ist irgendwo zwischen melancholisch, relaxt und düster. Acts wie JinSang, Eevee, Knxledge oder Joji sammeln Millionen Klicks auf Spotify, Soundcloud und YouTube. Das fast wichtigste Element von Lo-Fi-Tracks ist weniger ein einzelner Sound (wie eine 808 oder ein Synth) als ein Bandrauschen oder ein Vinylkratzen. Es DARF quasi nicht gut klingen.
Die Drums – zerren, was das Zeug hält
Lo-Fi-Hip-Hop-Beats sind oft angelehnt an die Tradition vertrackter Beats à la J Dilla und Nujabes aus den Neunzigern. Die typische Groove-Ästhetik wird mit nicht quantisierten, sich an der Grenze des noch Groovenden befindenden Rhythmen erzeugt. Also müsst ihr beim Beatbauen das Raster eurer DAW deaktivieren und vor allem Bass-Drum-Schläge so weit verschieben, dass sie swingen und stolpern. Was die Sounds von Kick, Snare und Hi-Hat betrifft, darf hier ausgiebig recherchiert, gelayert und verfremdet werden. Bei simplen Arrangements mit wenigen Elementen kommt es sehr auf die Auswahl und die gewünschte Individualität an.
Um den kratzigen Drum-Sounds näher zu kommen, die in den Neunzigern im Hip-Hop oft weniger eine ästhetische Entscheidung als das Resultat der Sample-Engines der Drumsampler wie dem MPC300 oder dem SP-1200 waren, müsst ihr die Samplequalität mindern. Erster Anlaufpunkt: ein Bitcrusher, der die Sample- und Bitrate einer Audiodatei reduziert. Jede moderne DAW sollte ein solches Plugin mit dabeihaben. Falls ihr partout keins findet oder das mitgelieferte Plugin nicht die gewünschten Resultate liefert, versucht mal, den einzelnen Kick- oder Snare-Sound zu bouncen bzw. zu exportieren und dann in den Exporteinstellungen eine Samplerate von beispielsweise 22,050 kHz und eine Bitrate von 8 Bit auszuwählen. Wichtig beim Import ins eigentliche Projekt: Stellt sicher, dass eure DAW das Sample nicht automatisch wieder in die höhere Qualität konvertiert.
Synth Sounds – So klingt es schön kaputt
Das typische Eiern und Wobbeln, was bei alten Vinylplatten oder abgenutzten Bandmaschinen entsteht, ist bei den Melodieelementen ein wichtiger Part. Am einfachsten geht das über ein Vibrato im Synthesizer. Dafür braucht ihr einen LFO, der den Pitch im Oszillator ganz leicht moduliert. Möglichkeit zwei ist ein Chorus-Effekt, der auch in jeder DAW mit dabei sein sollte.
Egal, ob Vibrato im Synthesizer oder Chorus-Effekt, damit es wirklich analog klingt, muss das Eiern in einer gewisse Ungleichmäßigkeit vorkommen. Schaut also, dass ihr beim LFO, falls möglich, eher eine Random- oder Noise-Welle als eine Sinuswelle nehmt und beim Chorus-Effekt und im LFO langsame, nicht mit eurem Song synchrone Geschwindigkeiten (unter 1 Hz) einstellt. Stichwort Noise: Im Lo-Fi-Spirit sollten eure Synth-Sounds natürlich auch knistern und rauschen, was das Zeug hält. Dreht dazu im Synthesizer White Noise hinzu, layert den Sound mit echtem Vinylrauschen und lasst das Ganze mit einem EQ (Low-Cut bei 400 Hz und High-Cut bei 4.000 Hz) wie durch ein Telefon klingen.
Samples zerstören – Audio-Editing für Lo-Fi
Hier geht es auch darum, gerade das zu machen, was in vielen Recording-Handbüchern, -Videos und -Schulen (zu Recht) als Unding propagiert wird: schlecht (also zu leise, zu laut oder undeutlich) aufnehmen, unsauber bearbeiten und effektieren, was das Zeug hält. Lo-Fi-Genres arbeiten häufig mit Field-Recordings – sprich: Aufnahmen aus eurer Umwelt.
Dafür müsst ihr jetzt aber nicht auf einen sündhaft teuren Field-Recorder sparen, der selbst das leiseste Grillenzirpen rauschfrei aufnimmt. Fast alle von uns tragen mit einem Smartphone ein für diese Zwecke sogar sehr gut geeignetes Aufnahmegerät mit sich herum. Warten auf die U-Bahn, Gassi gehen mit dem Hund, Rolltreppe fahren oder den Abwasch machen (in gebührender Entfernung!) – der Smartphone-Recorder macht die Welt zu eurem Instrument.
Beispiel Vinylknacksen: Warum nicht mal Opas Plattenspieler anwerfen und das Smartphone zur Aufnahme neben die Anlage legen? Die Teile der Aufnahme, in denen keine Musik läuft, könnt ihr dann so zusammenschneiden, dass nur noch das Rauschen zu hören ist.
Natürlich ist das „echte“ Samplen von Musikstücken im LoFiauch erlaubt und verbreitet. Auf Seiten wie Tracklib könnt ihr dazu legal Lizenzen für das Samplen von Stücken erwerben. Aber gerade im Zeitalter von nicht gerade immer nur eindeutiger Rechtslage und oft überempfindlichen Sperralgorithmen von Soundcloud und YouTube ist das Arbeiten mit Aufnahmen aus der echten Welt doch um einiges stressfreier.
Freeware-Plugins für Lo-Fi
Falls ihr an irgendeinem Punkt dieses Workshops in eurer DAW an ihre Grenzen gestoßen seid oder irgendein wichtiger Effekt nicht dabei war bzw. nicht das gewünschte Ergebnis geliefert hat, gibt es hier noch eine kleine Auswahl an kostenlosen Sounds und Plugins, die euch ganz schnell ins Lo-Fi-Universum bringen. Eine weitere Quelle für jede Menge Tipps, Sounds, Plugins und Links ist dieser Reddit-Thread.
- Vinylkratzen: iZotope Vinyl. Emulation des Klangspektrums von Plattenspielern, inklusive Rauschen, Wackeln und Aussetzern.Bandrauschen: Tape Cassette Kassettendeckemulation mit Bandsättigung, Rauschen und Bandeiern. (Hinweis: Nur im AU- und VST3-Format! Ältere DAWs wie Ableton Live 9 können dieses Plugin auf Windows-Rechnern nicht erkennen.)Bitcrush/Distortion: Tritik Krush Analoge und digitale Verzerrung in einem.Chorus: TAL Chorus-LX. Basiert auf dem Chorus-Effekt aus dem legendären Roland Juno-60