History of Drums: 75 Jahre Pearl Drums – der Schlagzeughersteller im Portrait

Alle mal Hände heben, deren erste Trommelversuche auf einem Pearl Drumset stattgefunden haben! Ich nehme meine Hand mal wieder runter, sonst könnte ich diesen Jubiläumstext zum 75sten Firmengeburtstag nämlich nicht weiter schreiben. Denn meine allerersten „Grooves“ fanden auch an einem Pearl-Schlagzeug statt, genauer, am „Export“-Serie Set meines Cousins. Gefühlt wurden diese Schlagzeuge von jedem trommelnden Jugendlichen in den 90er Jahren gespielt.

Firmenstory_75_Jahre_Pearl_Drums

Heute wollen wir jedoch bis an die Anfänge der Firma zurück gehen und uns die wichtigen Stationen der berühmten Marke genauer ansehen. Im Jahre 1946, kurz nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg, gelang es dem Gründer Katsumi Yanagisawa bereits, den Grundstein für den anhaltenden Erfolg der Marke zu legen. 

Die Anfänge der Firma

In den ersten Jahren seines Bestehens fertigte Pearl Notenstative und Instrumentenständer in einer kleinen Manufaktur in der Nähe von Tokio, erst Anfang der 50er erweiterte man die Produktion auf Schlaginstrumente aller Art und baute eine entsprechende Fabrik. 1957 trat Yanagisawas ältester Sohn in die Firma des Vaters ein und baute ein weltweites Vertriebsnetz auf. Zu dieser Zeit etablierte Pearl ein Geschäftsmodell, welches bis heute immer noch aktuell ist: die Produktion für andere Marken und Vertriebe – eine Praxis, die auch heute noch bekannt ist unter der Bezeichnung OEM (Original Equipment Manufacturing). Auf diese Weise konnte die Fabrikauslastung gesteigert werden, der Öffentlichkeit waren Pearl-Instrumente zu dieser Zeit allerdings nur unter Markennamen wie Coronet, Trump oder Apollo bekannt. Pearl war nicht die einzige Firma, die so verfuhr, auch Hoshino (Tama) verkaufte zunächst nicht unter eigenem Markennamen. „Stencil Kits“ werden diese Schlagzeuge heute genannt, wobei sich Stencil mit „Schablone“ übersetzen lässt. Ein Image oder einen besonderen Wert besitzen sie nicht, einige Fans erfreuen sich trotzdem an Retrosound und -look zu Preisen, die oft nur einen Bruchteil jener der Markensets betragen. Qualitativ waren sie jedoch den teureren westlichen Marken unterlegen.

„Super“: 1966 wurde das erste professionelle Pearl Drumset vorgestellt

Ob bewusst oder unbewusst, die zeitliche Abfolge der Entscheidungen erwies sich als großer Glücksfall für das Unternehmen. Denn als in den 60ern die Nachfrage nach Rock’n’Roll-tauglichen Instrumenten rasant in die Höhe schoss – ein wichtiger Auslöser dafür war die riesige Popularität der Beatles –, war man vorbereitet und konnte den weltweiten Markt mit Produkten versorgen. In diese Zeit fiel auch die Entscheidung, die Produktion für andere Labels zu stoppen und eine eigene Marke zu etablieren: Pearl Drums. 1966 wurde der erste Katalog vorgestellt, die ersten Drumkits und Snares hießen schlicht „Super“ und konnten schon damals mit einigen Merkmalen aufwarten, die den westlichen Produkten zumindest ebenbürtig waren, darunter flexibel einstellbare Tomhalter und Pedale mit stabilen Rahmen und Lagern. Dass man optisch und technisch trotzdem direkt bei den US-Marken kopierte, war nicht zu übersehen. Hätte man Slingerland-Böckchen und das Rogers-Logo auf einem Drumset verbaut, wäre wohl annähernd das Pearl „Super“ heraus gekommen. Dass man dank straffer Fertigung und hoher Stückzahlen auch noch billiger anbieten konnte, stieß beim Rest der weltweiten Herstellergemeinschaft natürlich auch nicht auf Gegenliebe. Die neunlagigen Kessel aus Luan – einer asiatischen Holzart, die oft in günstigen Sets verbaut wurde – gelten allerdings als nicht sonderlich hochwertig. 

Ende der 60er kam das „President“ mit Kunststoffkesseln

Obwohl Pearl bei Vintage-Freunden noch unter dem Radar schwebt, ist manchen doch das „President“ bekannt, nicht zuletzt deshalb, weil es eine interessante Kesselkonstruktion bietet. Es war nämlich eines der ersten Drumsets mit Phenol-Fiber-Kesseln und sollte damit eine Richtung vorgeben, die Pearl lange Zeit verfolgt hat. Kunststoff bot nämlich eine Konsistenz, die mit Holz nicht möglich war, folgerichtig warb Pearl mit besonderer Präzision bei der Kesselform, auch die exakte Gratung wurde in Werbebroschüren in den Fokus gerückt. Vintage-Fans schätzen hier besonders die extrem dünnen Kessel, welche zudem in eigenständigen Finishes wie beispielsweise „Tiger Eye Pearl“ angeboten wurden. Übrigens stellte Pearl zum diesjährigen 75. Jubiläum eine Neuauflage der President Drums vor.

Fotostrecke: 2 Bilder Japan 1956: Dieses Bild wurde in der Pearl-Fabrik gemacht (Credit: Pearl Drums).

Jupiter Snaredrums 

Ebenfalls Anfang der 70er vorgestellt, gelten die Jupiter Metallkessel-Snares heute immer noch als interessante Alternative für Vintage-Fans, die zwar eine Stahl- oder Messingsnare mit Retroflair und -sound spielen möchten, allerdings nicht zu viel Geld dafür ausgeben möchten. Unter das Radar von Stewart Copeland-Fans sind speziell die „Chrome over Brass“-Modelle geraten, nachdem dieser offenbart hatte, dass so eine Trommel das Vorbild für seine Tama Signature Snaredrum gewesen ist.  

Auch einen Percussion-Synthesizer entwickelt die Firma

1979 bringt Pearl eine Interpretation des Drum- und Percussion-Synthesizers heraus, die heute bei Fans und Kennern immer noch sehr beliebt ist. Das „Syncussion SY 1“ Modul besitzt zwei identisch aufgebaute Kanäle, von denen jeder über sechs Oszillator-Variationen verfügt. Damit waren sehr druckvolle und erstaunlich variantenreiche elektronische Sounds möglich, gedacht war das Gerät allerdings nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung eines akustischen Drumsets. Gut erhaltene Originale werden heute für viel Geld gehandelt, es gibt jedoch auch Nachbauten

Fotostrecke: 2 Bilder Tomhalterosetten dieser Art werden „Pearl-Style“ genannt…

Fiberglas prägte das Pearl-Programm auch in den 70ern

In den 70er Jahren begann Pearl verstärkt damit, amerikanische Endorser zu verpflichten, darunter die Jazz- und Bigband-Drummer Art Blakey, Ed Shaughnessy und Jake Hanna sowie der Frank Zappa-Trommler Ralph Humphrey. Später kamen der Kiss-Drummer Peter Criss und weitere bekannte Musiker wie Alphonse Mouzon oder Chester Thompson hinzu. In den Katalogen des Jahrzehnts nehmen Drumsets mit Fiberglas- und Holz/Fiberglas-Kesseln einen großen Raum ein, auch durchsichtige Acrylkessel („Transparent Serie“) werden vorgestellt. Im Gegensatz zu den damaligen US-Drums verwendete Pearl ein spezielles Gussverfahren, welches nahtlose Acrylkessel ermöglichte. Auch die Funktion und die Formensprache der Pearl Hardware wurde in den 70ern entscheidend geprägt. So erhielten die Trommeln eine lange beibehaltene, charakteristische Böckchenform, und auch die Bassdrumfüße sind bis heute als „Pearl-Style“ bekannt. Um die großen Stückzahlen bewältigen zu können, baut Pearl 1973 in Taiwan eine weitere Fabrik. 
Allerdings stellte man auch höchst kuriose Erfindungen vor, wie zum Beispiel das von Randall May ersonnene 1977 „Vari Pitch System“. Hier wurde die Drehmechanik von Rototoms mit regulären Schlagzeugkesseln aus Fiberglas kombiniert, durchgesetzt hat sich die Konstruktion allerdings nicht. 

Fotostrecke: 3 Bilder Ein „Wood-Fiberglass“ Drumset aus den 70ern: Holzkessel mit innerer Lage Fiberglas.

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Ein Set mit X: Pearl in den 80ern

Dass sich Pearl zu einem Hersteller mit hohem Output in Sachen Entwicklung und Angebot entwickelt hat, offenbart sich im Verlauf der 80er Jahre. Speziell in Nordamerika gibt Pearl Gas, die eigene Niederlassung in Nashville arbeitet eng mit US-Drummern zusammen, um die Produkte zu verbessern und gegen die Konkurrenz aus dem eigenen Land zu bestehen. So gewinnt Pearl gegen Yamaha, als es darum geht, den Toto-Drummer und Studiocrack Jeff Porcaro als Endorser zu verpflichten. Dieser verwendet zwar ein gestelltes 9000er Kit, bleibt jedoch bei Pearl.
Bei der Entwicklung neuer Serien konzentriert sich Pearl auf Schlagzeuge mit Holzkesseln, Modelle aus Fiberglas tauchen zwar hin und wieder auf, bilden aber nicht mehr den Kern des Angebots. 
Stattdessen bringt man Anfang der 80er das DX/DLX auf den Markt, eine Serie der oberen Mittelklasse, gefertigt mit siebenlagigen Kesseln aus Birke und Mahagoni. Während das DX über Folienfinishes verfügte, kam das DLX mit lackierten Oberflächen und war entsprechend teurer. 1987 wurden die Serien durch die World WX, beziehungsweise World Prestige WLX Sets ersetzt, die sich durch eine etwas reduzierte Hardware-Ausstattung unterschieden.
Als Antwort auf die hochwertigen Ahorn- und Birkenschlagzeuge der Konkurrenz präsentierte Pearl Mitte der 80er eine Top-Serie, die heute nur noch selten zu finden ist. Die Rede ist von den Super Pro GLX „Super Gripper“ Trommeln. Diese waren aus US-Ahorn gefertigt, innen in „Wagenfarbe“ lackiert und verfügten über spezielle, wegklappbare Böckchen, die einen schnelleren Fellwechsel ermöglichten. Das System wurde aber schon drei Jahre später wieder eingestellt, offenbar, weil es zu teuer und umständlich zu produzieren war. Stattdessen stellte man 1987 erstmals Trommeln mit durchgehenden Böckchen vor, welche fortan die Oberklasse bildeten und bis heute sehr beliebt sind. Die Rede ist von den MLX (Maple)- und BLX (Birch)-Reihen, jeweils mit 7,5 Millimeter starken Kesseln ausgestattet. Jeff Porcaro und Dennis Chambers gehörten zu den prominenten Usern, die Serie ist auch heute noch beliebt bei Drummern, die exzellent klingende Sets zu günstigen Gebrauchtpreisen suchen.
Dass Drummer bereit sind, noch mehr für ihre Instrumente auszugeben, hat Pearl Ende der 80er Jahre von Sonor gelernt, deren Signature Kit zur Ikone mächtig konstruierter Drumsets wurde. Also brachten die Japaner ein Gegenstück mit dem Namen Custom Z (später, mit zusätzlichen Finish-Optionen: CZX) heraus, welches nicht nur mit sehr dicken Kesseln aus Ahorn oder Birke daherkam, sondern auch mit einem edlen Bird’s Eye Maple Finish und extra langen Trommeln. Das Schlagzeug war damals extrem teuer und ist heute entsprechend selten zu finden. Die Sammlerpreise halten sich jedoch – auch aufgrund der extrem tiefen Toms – noch in Grenzen.

Das Export!

Seinen größten Verkaufserfolg hat Pearl jedoch mit der 1982 vorgestellten Export-Serie gelandet, die sich schon nach zehn Jahren über eine Million mal verkauft hatte und damit zum erfolgreichsten Schlagzeug aller Zeiten wurde. Die ersten Modelle wurden aus philippinischem Mahagoni gefertigt, später wechselte Pearl zu Pappel, zum Ende der Produktionszeit kam auch chinesisches Ahorn zum Einsatz. Der Grund für den enormen Erfolg ist schnell gefunden, denn Pearl war damals der einzige Hersteller, der ein Set professioneller Qualität zu diesem Preis anbieten konnte. Speziell die solide klingenden Kessel und die funktionale Hardware waren der Konkurrenz deutlich überlegen, sofern diese überhaupt ein vergleichbares Angebot hatte. Auch heute noch begegnen einem immer wieder Export-Kits der 80er in Proberäumen und Studios. 

Free Floating Snare Drums

Ebenfalls von Erfolg gekrönt war die Entwicklung des „Free Floating“-Konzepts für Snaredrums. 1987 erstmals vorgestellt, stellte die Entkopplung des Kessels von der Hardware eine echte Neuerung dar, deren Vorteile sich schnell erschlossen. Die Basis der Konstruktion stellt ein Aluminiumrahmen dar, welcher sämtliche Hardware aufnimmt. Nach dem Abnehmen des oberen Spannreifens lässt sich der Kessel ohne Werkzeug einfach herausnehmen und gegen einen anderen ersetzen. Als weiterer Vorteil wurden die verbesserten Schwingungseigenschaften und ein damit verbundener offenerer Ton angepriesen. Das überzeugt Drummer bis heute, weshalb die Free Floating Modelle immer noch im Programm sind. 

Fotostrecke: 4 Bilder Hier seht ihr eine Free Floating Brass Snaredrum in 14×6,5 der ersten Generation.

In den 1990ern ändert sich das Pearl Design grundlegend

Der Trend zu dicken Kesseln und durchgehenden Böckchen findet Anfang der 90er Jahre sein Ende, die Schlagzeughersteller besinnen sich auf frühere Konzepte. Mit der Masters-Oberklassereihe modifiziert Pearl ein bewährtes Kesselkonzept aus der Vergangenheit und kombiniert es mit modernen Ausstattungsmerkmalen und Finishes. Dünne Kessel mit Verstärkungsringen und schmalen Gratungen sorgen für einen offenen, warmen Sound, Leichtbau wird auch bei der Kesselhardware praktiziert. Zwei Holzoptionen stehen zur Markteinführung 1993 zur Verfügung: Das MMX Masters Custom besteht aus Ahorn, das MBX Masters Studio wird aus Birke hergestellt. Auch der Autor dieser Zeilen lässt sich davon begeistern und darf sich nach geschaffter 10. Schulklasse sein erstes nagelneues Kesselset bestellen (MBX in „Sheer Blue“). Bis heute ist die Masters-Reihe im Programm und gehört damit zu den erfolgreichsten Schlagzeugserien. Der Pearl-Philosophie entsprechend, gab es allerdings etwa 20 Facelifts, um die Drums an die jeweiligen Trends anzupassen. Bei genauem Hinsehen erkennt man jedoch, dass der Kern, die Kessel und die Böckchen, grundsätzlich gleich blieben. So gab es die dünnen Kessel mit Verstärkungsringen sowie die dickeren Versionen ohne – beide jeweils in Ahorn und Birke. Als Exot darf die Variante mit dünnen Mahagonikesseln und Ahorn-Verstärkungsringen gelten, auch unter den Bezeichnungen MHX und MHP bekannt. 
1995 stellt Pearl jedoch noch ein weiteres Drumset, oder besser: ein Drumset-Konzept, vor. Es heißt Masterworks und ist die Antwort auf die beginnende Nachfrage nach sogenannten Custom Drums. Mit einer nahezu unendlichen Anzahl an Holz-, Finish- und Hardware-Optionen möchte man „echtes“ Custom ermöglichen. Das Angebot ist bis heute konkurrenzlos, die Möglichkeit, auch Mischkessel nach Kundenwunsch zu fertigen, bietet in diesem Maße kein anderes Unternehmen. Lieferzeiten von bis zu einem Jahr und hohe Preise sind jedoch die Kehrseite der unbegrenzten Möglichkeiten. 2009 stellt Pearl dann die Reference-Serie vor, welche die im Masterworks-Programm gewonnen Erkenntnisse in die Serienfertigung überführen soll. Als Novum wird bei der Serie die Kesselkonstruktion und Holzart auf die jeweilige Trommelgröße hin optimiert.

Fotostrecke: 5 Bilder „Masters“: In den 90ern änderte Pearl sein Oberklassekonzept radikal…

Anmerkung zu diesem Artikel:
Es handelt sich hierbei nicht um eine umfassende Darstellung der Firmenhistorie sowie aller Produkte und Serien. Dass Pearl auch Flöten, Percussion und Orchesterschlagwerk herstellt, habe ich bewusst heraus gelassen. Es ist bei Pearl außerdem – wie auch bei anderen japanischen Unternehmen – schwierig, den Überblick zu behalten. Die Marke hat in ihrer Anfangszeit unzählige Firmen mit Trommeln verschiedener Markenlabels beliefert, Schätzungen reichen bis zu hundert. Aber auch unter dem Pearl-Namen wurde ab den 70ern ein enormer Output generiert, Modellbezeichnungen und Facelifts wurden manchmal im Jahrestakt an die weltweiten Märkte angepasst. Falls euch eine Reihe speziell interessiert, empfehle ich euch, einschlägige Foren zu besuchen und das gut sortierte Katalogmaterial zu studieren, welches auf verschiedenen (Vintage-) Seiten bereitgestellt wurde. 
Hier sind noch ein paar weiterführende Links:
Webseite des Herstellers Pearl: https://pearldrum.com/eu
Pearl Drummers Forum: https://www.pearldrummersforum.com
Pearl Kataloge auf der Webseite „Drumarchive“: http://www.drumarchive.com/Pearl

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