Die Welt des Extreme Metal Drummings scheint eigene Gesetze zu haben. Ultraschnelle Hände und Füße gehören ebenso dazu wie große Drumsets mit zwei Bassdrums und vielen Becken. Kollegen aus anderen Musikstilen stehen in Anbetracht der rohen Gewalt und maschinenartigen Spielpräzision oft nur staunend daneben, wenn die Drummer von Bands wie Benighted, Hate oder Belphegor loslegen. Die genannten Formationen haben übrigens eine Gemeinsamkeit: Sie haben mit David Diepold zusammen gearbeitet.
Der Österreicher aus der Nähe von Graz hat sich mit großer Beharrlichkeit einen Namen in der internationalen Extreme-Metal-Szene gemacht und sitzt seit 2020 auf dem Schlagzeugstuhl für die Münchener Ausnahmeband Obscura. Wie es dazu gekommen ist, mit welchen Übestrategien er sein spielerisches Niveau erreicht hat und ob man mit Extreme Metal reich werden kann, darüber habe ich mich mit ihm per Zoom unterhalten.
Hallo David, erzähl doch mal ein bisschen von deinem Werdegang. Wo kommst du her, wie bist du mit Musik und Drumming in Kontakt gekommen? Hast du Musik studiert?
Geboren wurde ich im Jahr 1991, angefangen habe ich dann mit sechs Jahren, ganz klassisch an der Musikschule. Das war so eine richtig ländliche Musikschule in meinem Heimatort Deutschlandsberg in der Nähe von Graz (Österreich), die auch sehr verwurzelt war in der Blasmusik. Daher war mein erster Schlagzeuglehrer auch gar kein richtiger Schlagzeuger, sondern Bläser. Da ging es viel um das gemeinsame Musizieren, es war allerdings fast ausschließlich auf Blasmusik ausgerichtet. Nach zwei Jahren an der Snaredrum hab ich gemerkt, dass mir das nicht mehr so gut gefiel, schließlich wollte ich Drumset spielen. Ich bin dann zu Günter Grasmuck von der Band Opus gewechselt, der aber auch als klassischer Schlagwerker ausgebildet war und mir daher auch sehr gute Rudiment-Grundlagen beibringen konnte. Ich habe dann sogar das silberne Leistungsabzeichen gemacht, anschließend aber gemerkt, dass ich auch hier wieder den klassischen Ansatz nicht mehr so spannend fand.
Hast du während dieser Zeit schon Metal gehört?
Ja. Meine erste Slipknot-CD habe ich mir mit zehn gekauft, Rock und Metal hat mich also schon früh fasziniert, diese rohe Gewalt war auch ein bisschen wie eine Art Katharsis für mich. So ab 15 habe ich dann auch wirklich extrem viel geübt, mich stundenlang im Keller eingeschlossen und an meiner Hand- und Fußtechnik gearbeitet. Mit etwa 17 Jahren habe ich dann aufgehört, Unterricht zu nehmen und mich ganz auf meine eigenen Übungen konzentriert, die sehr davon inspiriert waren, was meine Heros gespielt haben. Das waren natürlich der Joey Jordison von Slipknot, Derek Roddy und auch George Kollias.
Wie hast du das damals gemacht? Hast du dir die Sachen über Noten oder eher über das Gehör erschlossen?
Ich hatte immer Schwierigkeiten, nach Noten zu spielen, auch schon in der Musikschule. Mir erschließen sich die Dinge generell eher übers Hören, schon beim Günter Grasmuck war ich froh, dass er immer alles zuerst vorgespielt hat, das hab ich dann schnell verinnerlicht und musste mich daher nicht auf das Lesen der Noten verlassen. So war es dann auch bei den Songs meiner Lieblingsbands. Meine Vorgehensweise war, dass ich mir die Parts angehört habe und schnell begriffen habe, was da passiert. Anschließend habe ich mich dann gepusht, um die nötige Geschwindigkeit und Präzision umzusetzen, oft auch schon mit Metronom. Zu der Zeit war YouTube auch noch gar nicht so aktuell, es gab im Metal auch nur wenig Videos, von denen man hätte lernen können. Daher hat mein Konzept gut für mich funktioniert. Insgesamt war Üben für mich aber nie etwas, was ich machen musste, sondern ich war immer total motiviert und hatte Spaß dran.
Worauf kommt es beim Extreme Metal Drumming an? Ich habe immer das Gefühl, dass neben der Geschwindigkeit auch das exakte Reproduzieren von Parts wichtig ist.
Ich denke, dass das auch hier immer das Feeling des Songs ist. Die Energie muss transportiert werden und auch die Präzision ist sehr wichtig. Das gilt natürlich auch für Obscura, es ist jetzt aber nicht so, dass ich bei Fills immer darauf festgelegt bin, wieviele Schläge jetzt auf der Snare oder auf den Toms passieren, da variiere ich schon. Wie gesagt, ich bin eher so Gehörtyp, die Energie und das Gefühl beim Spielen sind wichtiger, als dass es jedesmal alles exakt gleich ist. Und ich könnte auch gar nicht alles immer gleich spielen. Klar gibt es Typen, die das können, aber zu denen gehöre ich nicht. Das hat auch noch nie eine Band von mir verlangt.
Wie ist der Einstieg bei Obscura zustande gekommen?
Ich kannte den Sebastian Lanser, also meinen Vorgänger bei Obscura, schon vorher. Irgendwann sollte ich bei einem Konzert einspringen, welches dann jedoch nicht zustande kam. Dadurch hatte mich der Steffen (Kummerer, Gitarrist und Bandleader) aber auf dem Radar und als Sebastian dann ausgestiegen ist, hat er mich kontaktiert. Als dann klar war, dass das passen würde, bin ich im März 2020 eingestiegen…
…also direkt zum Beginn von Corona. War das nicht sehr ungünstig?
Es war schon komisch. Ich war kurz davor noch für Belphegor in Schweden im Studio, und als ich dann nach Hause kam, war alles dicht. Allerdings war es für mich und Obscura gar nicht so tragisch, weil sich die Band in der Zeit in Ruhe neu formieren und sortieren konnte. Außer dem Steffen spielen wir ja in einer komplett neuen Besetzung, beziehungsweise mit den alten Mitgliedern, die jetzt ohne Druck wieder richtig toll zusammenwachsen konnten. Ich konnte die Songs lernen und wir konnten gemeinsam neue Songs schreiben.
Das führt mich zu einer Frage, die ich eigentlich erst später stellen wollte. Deiner Antwort entnehme ich, dass ihr nicht finanziell von der Band abhängig seid. Oder anders: Lässt sich mit Extreme Metal Geld verdienen?
Der Steffen von Obscura kann von der Band leben, der steckt jedoch sehr viel Zeit und Energie in die gesamte Organisation, Merch und diese Dinge. Ansonsten ist das eine interessante Frage, über die in der Szene auch eher nicht soviel gesprochen wird. Insgesamt ist es schwer, von einer Band alleine zu leben. Das hat auch mit den Praktiken zu tun, die im Livesektor gang und gäbe sind, zumindest bei uns in Österreich. Oft fährt man lange und muss vorher die Tickets selbst verkaufen. Auch das Spielen für Pizza und Bier ist an der Tagesordnung. Die Musikerszene ist aber mit extrem viel Herzblut dabei, der Kunstform Extreme Metal als Geschäftsmodell gräbt das aber natürlich das Wasser ab. Es hält sich auch das Gerücht, dass sich mit Videos bei YouTube viel Geld machen lässt. Das gelingt aber nur, wenn man nicht covert und extrem viele Aufrufe hat. Ich habe bisher insgesamt mit YouTube acht Dollar verdient. Es ist also eher so, dass man mit viel Motivation und Engagement eben irgendwann dahin kommt, mit wirklich tollen Bands zu arbeiten und Bestätigung zu erhalten für das, was man tut. Ich selbst arbeite im Hauptberuf als Volksschullehrer, anders könnte ich auch meine Familie nicht ernähren.
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Was ist vor Obscura so passiert? Du hast doch bestimmt nicht immer Extreme Metal gespielt, oder?
Nein, genau. Eigentlich war es so wie bei vielen anderen Drummern auch, ich habe also mit lokalen Bands gespielt. 2012 hatte ich dann eine Hardcore-Band namens „Give em Blood“, mit denen gab es auch eine größere Tour, da sind wir im Bus durch Europa gereist und haben viel gespielt. Anschließend fing es dann an, dass ich ab und zu Videos zu YouTube hochgeladen habe. Da gab es damals noch ziemlich wenig, außer George Kollias und Derek Roddy war die Szene da noch sehr übersichtlich. Ich hab bei den Videos dann gemerkt, wieviel Spaß es mir macht, mich dadurch auch zu verbessern und zu analysieren. Ich wollte mich da auch richtig pushen. Gleichzeitig wurde mir klar, dass es lokal sehr schwierig werden würde, Leute zu finden…wie sag ich es…
…die deinem Anspruch genügen?
Ja, es klingt etwas überheblich, aber ich habe einfach den Ehrgeiz gehabt, das Drumming wirklich so gut zu machen, wie ich es quasi als Organismus irgendwie schaffen kann. Und dann wird es eben im Umfeld etwas einsam, wenn man andere Musiker finden möchte, die an ihrem Instrument genauso denken. Dank meiner Videos auf YouTube haben sich dann aber verschiedene Möglichkeiten ergeben, Gleichgesinnte kennenzulernen, weil die Reichweite natürlich viel größer ist. Die haben mich dann kontaktiert und gefragt, ob ich mit ihnen spielen oder für sie aufnehmen möchte. Es begann mit der englischen Band Cognizance, wo eigentlich nur eine EP geplant war. Ich bin dann aber fest eingestiegen, spiele dort auch heute noch. Durch diese ersten Kontakte in die englische Szene haben sich aber viele weitere ergeben, auch in andere Länder. Ich habe dann auch für Benighted aus Frankreich und Hate aus Polen getrommelt, später waren auch bekannte Bands wie beispielsweise Belphegor dabei.
Jetzt kommt ‘ne witzige Frage: Kannst du auch „normal“ Schlagzeug spielen?
(Gelächter) Ja, ich spiele auch bei einer Swing/Rock/Boogie Band mit. Aber ich konnte das auch nicht immer. Ich habe ein Jahr am Konservatorium verbracht, dort ging es vorrangig um Fusion und Jazz. Damals habe ich aber gemerkt, dass ich nicht so klinge als Jazzdrummer, wie ich eigentlich hätte klingen sollen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als Metaldrummer abzubauen. Also habe ich mich für das entschieden, was ich wirklich wollte, nämlich Metal, und habe das Studium abgebrochen.
Übst du denn heute noch regelmäßig?
Ich übe eigentlich nur noch, wenn ich konkrete Songs lernen muss. Zwischen 15 und 19 Jahren habe ich mir glücklicherweise soviel Technik und Strategien aneignen können, dass ich heute auf das klassische technische Üben, also Singles, Doubles und solche Dinge fast vollständig verzichten kann. Das mache ich eigentlich nur noch, um meine Form zu halten. Aber das ist nicht vom Himmel gefallen, ich habe in meiner Jugend wirklich unzählige Stunden im Probekeller verbracht, um dorthin zu kommen. Heute profitiere ich davon, weil ich technisch auf die extreme Musik vorbereitet bin, gleichzeitig mit meiner Familie und meinem Job als Volksschullehrer auch gar keine Zeit mehr hätte, soviel zu üben. Aber ich achte heute sehr darauf, dass ich, wenn ich übe, die Session immer positiv abschließe, also in einem Moment, der sich gut anfühlt. Dadurch bleibt das Gespielte viel besser haften und man startet auch immer wieder mit einem Erfolgsgefühl.
Du spielst große Drumsets mit vielen Becken. Erzähl doch mal ein bisschen was zu deinem Equipment.
Mich hat schon relativ am Anfang meiner YouTube-Tätigkeiten der Axel Winkler vom deutschen Tama-Vertrieb kontaktiert und mich gefragt, ob wir nicht was zusammen machen wollen. Ich habe damals aber noch nicht das Gefühl gehabt, dass ich so viel liefern kann, dass es beiden Seiten was bringt. Es hat sich dann aber immer weiter entwickelt und meine Projekte wurden immer größer und professioneller, sodass ich jetzt seit vier oder fünf Jahren offizieller Endorser bin. Ich bin total dankbar für den Support, denn gerade bei so großen Drumsets, wie sie im Metal nun mal am meisten Spaß machen, kann es logistisch schon eine Herausforderung sein, die dorthin zu bekommen, wo man sie braucht. Das klappt aber total super, weil die Tama-Leute sehr gut organisiert sind. Ich spiele ein Tama Star Walnut Kit, habe aber auch noch ein Walnut/Birch Set. Bei den Becken kommen bei mir schon seit zehn Jahren die Instrumente von Murat Diril zum Einsatz. Die klingen hervorragend und der Murat hat mich auch immer toll unterstützt. Neu hinzu gekommen sind kürzlich noch die Felle von Code Drumheads, die ich schon bei den letzten Produktionen verwenden konnte und mit denen ich auch super zufrieden bin. Meine Sticks kommen von einer kleinen australischen Firma namens Fishsticks, die sich auf Stöcke für den härteren Bereich spezialisiert haben. Da verwende ich einen dicken 2B-Stock mit Nylonspitze namens Annihilator. Der ist zwar recht dick und schwer, unterstützt mich aber gerade bei den schnellen Sachen, weil er mir eben viel Arbeit abnimmt.
Speziell im Metaldrumming spielen die Pedale eine große Rolle. Was nutzt du, wie ist deine Justierung?
Hier direkt bei mir um die Ecke in Graz ist der Dennis mit seiner Firma ACD Unlimited. Der baut, wie ich finde, die besten Pedale auf dem Markt, das ist wirklich der Wahnsinn, was der da an Herzblut reinsteckt. Wir haben auch privat viel miteinander zu tun, daher tauschen wir uns natürlich auch viel direkt aus. Außerdem gibt’s immer eine Tafel Schokolade, wenn man dort was bestellt. (lacht) In Sachen Justierung geht es bei mir auch hart zu. Die Federn sind sehr straff eingestellt und nehmen mir damit viel Arbeit ab, weil die Beater schnell wieder in die ursprüngliche Position zurückspringen.
Stichwort Produktion. Machst du das Drumrecording selber? Wie stehst du zu Triggern?
Ich habe Mikrofone und ein bisschen Recording-Equipment, für professionelle Sessions kann ich mich aber glücklicherweise auf einige Freunde hier verlassen, die Studios mit gut klingenden Räumen betreiben oder mir mit hochwertigen Mikros aushelfen können. Trigger verwende ich nur an den Bassdrums, da habe ich auch ein Endorsement, On Trigger heißt die Firma. Die werden unter der Trittplatte der Pedale montiert. Gerade in meiner Musikrichtung ist es wichtig, dass die Bassdrum immer die gleiche Dynamik besitzt und konstant schiebt, das macht sonst keinen Sinn. „Obenrum“ kommen bei mir aber keinerlei Trigger zum Einsatz.
Was passiert in der nächsten Zeit so bei dir?
In der kommenden Woche startet erst einmal die Obscura US-Tournee, bei der werde ich jedoch nicht dabei sein können, aufgrund meines Lehrerjobs. Auf mittlere Sicht überlege ich aber schon, ob solche Tourprojekte sich nicht vielleicht doch realisieren lassen. Das muss man dann alles sehen, aktuell ist ja eh alles recht unsicher. Aber ich blicke entspannt in die Zukunft.
Vielen Dank für interessante Gespräch, David!
- Tama Drums
- Murat Diril Cymbals
- ACD Unlimited Pedale
- Code Drumheads
- Fishsticks Stöcke
- On Trigger Bassdrumtrigger
Links:
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