Bevor Bob Moog, Don Buchla und Alan R. Pearlman die Synthesizer-Geschichte so richtig ins Rollen brachten, wurde elektronische Musik mit Testequipment und Bandmaschinen gemacht. Im Köln der Nachkriegszeit baute der WDR ein Radiostudio auf, das von Komponisten wie Karlheinz Stockhausen für erste Experimente im Bereich der elektronischen Musik genutzt wurde.
Ähnliches geschah in Mailand, wo Luciano Berio und Bruno Maderna 1955 das Studio di fonologia musicale di Radio Milano gründeten. Mit Mischkonsolen, Sinusoszillatoren, Filtern und Impulsgeneratoren entstanden in diesen Studios Stücke wie Stockhausens berühmter „Gesang der Jünglinge“ oder Berios „Visage“.
Der italienische Musiker und Entwickler Giorgio Sancristoforo arbeitet seit 2009 an einer virtuellen Emulation solcher historischer Studios. Mit Berna 3ist vor wenigen Wochen die bislang umfassendste Version dieser Software erschienen. Sie liefert neue Modellierungen von Vintage-Equipment, eine detaillierte 3D-Benutzeroberfläche und warmen, analogen Sound. Dank ihr können Musiker von heute so detailliert wie nie zuvor nachvollziehen, wie man vor 70 Jahren elektronische Musik komponiert und aufgenommen hat.
Details
Herzstück von Berna 3 ist eine virtuelle Mischkonsole mit acht Audio-Eingangskanälen sowie vier plus vier Kanälen für Mehrspur-Tapeaufnahmen und vier Bandschleifen. Pro Eingangskanal gibt es Panning- und Send-Regler. Letztere schicken den jeweiligen Sound in ein Echo-Gerät bzw. einen Plate Reverb.
Highend-Testequipment der 50er
Klang wird mit bis zu zwölf unterschiedlichen Funktionsgeneratoren erzeugt. Dies sind Sinus-, Dreiecks- und Pulswellen-Oszillatoren, die sich in der Regel gegenseitig modulieren können. Um den Klang weiter zu bearbeiten, gibt es sechs Filter und acht Modulatoren. Komplettiert wird das Ganze mit einem schicken Oszilloskop sowie den erwähnten Tonbandgeräten.
Wie bereits angedeutet müssen diese Elemente von Nutzer verschaltet werden; das Berna-3-Studio ist komplett modular aufgebaut. Dafür gibt es zwei X/Y-Patchmatrizen im Stil des EMS VCS 3. Je nach Patch-Idee können Oszillatoren direkt auf Kanäle geroutet, erst in Filter geschickt oder unterschiedliche Elemente von Tape-Maschinen aufgenommen werden. Natürlich ist auch einiges an Cross-Modulation und Feedback möglich.
Ab aufs Band
Aufgenommen wird das Ganze stilecht auf einem Master-Taperekorder. Er ist im „regulären“ Betrieb von Berna 3, ganz im Sinne der realistischen Emulation historischer Zustände, die einzige Option dafür. Wer seine Berna-Experimente in eine DAW aufnehmen will, braucht für seinen PC oder Mac eine Audio-Routing-Software wie Blackhole oder Loopback.