PRAXIS
Ganz klassisch in Schwarz, mit einem weißen, mittig prangenden Firmenlogo steht der MB 4210 optisch ganz in der Tradition seiner berühmten Ahnen aus der Marshall Rock’n Roll Schmiede. Aber warum hat ein Basscombo mit Marshall-Schriftzug für viele Bassisten immer noch diese exotische Aura? Vielleicht kann man es mit dem vergleichen, was anderen Herstellern passiert, wenn sie sich von ihren Kernprodukten entfernen. Als zum Beispiel irgendwann der für seine grundsoliden und geräumigen Familienkutschen berühmte schwedische Autoriese Volvo plötzlich anfing, Kleinwagen herzustellen, wollte die auch kaum jemand, weil sie nicht in das Bild passten, das man sich von diesem Hersteller seit Jahrzehnten machte.
Aber bei Marshall mag das anders sein, denn die Idole stehen nun mal mit riesigen Marshall-Stacks im Rücken auf der Bühne, und so ein Schriftzug zeigt auch ein wenig, dass man dazugehört und seine Sache ernst nimmt. Und wer sich keinen eigenen Turm leisten kann, keinen braucht oder einfach keinen Platz hat, der erkauft sich mit einem Kompaktmodell wie dem MB 4210 sicherlich auch ein kleines Stück vom großen Traum. Das sage ich vollkommen wertfrei, denn zum Musikmachen gehören auch Träume. Ob dabei auch ein „Traumsound“ herauskommt, das steht auf einem anderen Blatt. Lassen wir den Brüllwürfel also jetzt von der Leine.
Sounds
Eine interessante Vorstufenvariante für einen Comboverstärker in diesem Preissegment bietet der MB 4210 immerhin: Zwei getrennte Kanäle, davon einer mit einer ECC 83 Vorstufenröhre befeuert, sind nicht unbedingt üblich und alltäglich.
Ein passiver Yamaha BB MA-1000 wird angeschlossen, ein Bass in P/J Konfiguration, also mit einem Precision-Style-Tonabnehmer in der Hals- und einem Jazzbass-Tonabnehmer in der Bridgeposition. Obwohl der Bass keinen besonders hohen Pegel liefert, bekomme ich schon beim ersten Anspielen des „Modern“-Kanals viel Verzerrung um die Ohren – und das, obwohl die Eingangsempfindlichkeit des Amps auf „Passiv“ steht. Erst mit der Input-Absenkung, die eigentlich für aktive Bässe mit höherem Output gedacht ist, bleibt das Signal verzerrungsfrei. Aber arbeiten wir uns jetzt einfach der Reihe nach durch das Angebot der Input-Sektion:
Der „Modern“ Kanal ist eine reine Transistorvorstufe mit 3-Band-Klangregelung, wobei die Mitten parametrisch ausgelegt sind. Ergänzend gibt es in diesem Kanal einen zuschaltbaren Kompressor. Der EQ arbeitet sehr effektiv, man hört beim Drehen der Potis wirklich permanent eine Veränderung. Dabei setzt der Bassregler sehr tief an und trotz des kleinen Gehäuses mit zwei 10“ Speaker entlässt unser Würfel ein ordentliches Basspfund nach draußen. Ebenso effektiv arbeiten die parametrischen Mitten und die Höhen. Nur wirklich „modern“, wie die Bezeichnung dieses Kanals proklamiert, will der Sound nicht klingen – zumindest, wenn man an die üblicherweise als modern geltenden Sounds eines SWR, EBS oder ähnlichen Amps denkt. Ich würde den Klang des Kanals eher als klassischen Transistorsound bezeichnen. Der Kompressor ist per Drucktaster nur für diesen „Modern“-Kanal zuschaltbar. Dabei signalisiert eine LED, ob er gerade arbeitet: Schneidet der Kompressor eine Signalspitze ab, wechselt ihre Farbe von Grün auf Rot. Grundsätzlich liefert er eine recht ordentliche Arbeit, und vor allem im niedrigen Regelbereich versieht er seinen Job ohne unangenehmes Pumpen. Doch wie bei fast allen Kompressoren, die man in Vorstufen dieser Preisklasse findet, besänftigt er nicht nur Signalspitzen oder verlängert das Sustain, sondern beeinträchtigt auch den Basssound, weil er Punch und Attack reduziert. In den meisten Fällen wird er daher wohl ausgeschaltet bleiben.
Der „Classic“-Kanal soll den Klangcharakter einer Röhrenvorstufe liefern. Dazu hat Marshall ihm eine ECC83 Vorstufenröhre spendiert, und tatsächlich gelingt ein relativ authentischer Röhrensound. Einen maßgeblichen Anteil an diesem Effekt hat – neben der verwendeten Röhre – vor allem die Voice-Shift Funktion. Sie bietet die Möglichkeit, mit einem Drehschalter zwischen drei unterschiedlichen Klangcharakteristiken zu wählen und diese anschließend mittels eines Voice-Poti dem Sound hinzuzumischen. Der Voiceshift-Regler beeinflusst sowohl das komplette Mittenspektrum als auch die oberen Mitten, die gerne mit „Presence“ bezeichnet werden. Sie geben dem Sound gleichzeitig etwas Brillanz und Rauheit, und zusammen mit dem Röhrensound ergibt sich ein sehr schönes Klangbild, das an klassische Röhrenamps erinnert – allen voran den Ampeg SVT. Packt man jetzt noch sein Plektrum aus, kann man einen sehr aggressiven, obertonreichen Röhrensound genießen.
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Der erwähnte Voice-Shift Schalter bietet Zugriff auf drei fest eingestellte Voice-Filter. Dabei liefert Setting 1 den größten Tiefmittenanteil, während Nummer Drei ohne tiefe Mitten auskommt und stattdessen intensive Präsenzen bietet. Der Voice-Regler sorgt für den richtigen Anteil des angewählten Voice-Presets im Gesamtsound, wobei er sich schon bei minimalem Einsatz deutlich hörbar auf den Sound auswirkt. Auf diese Weise erhält man sehr schnell und lobenswert einfach Zugriff auf die typischen Röhrensounds – ein schönes und sehr praxisorientiertes Feature.
Ebenfalls im Classic-Kanal finden wir einen Gainregler zur Kontrolle des Eingangsvolumens oder des Verzerrungsgrades. Da auch ein Volume-Regler im Aufgebot steht, kann die Lautstärken beider Kanäle aufeinander abgestimmt oder bewusst unterschiedlich eingestellt werden. Falls mehr Verzerrung gefordert ist, sorgt der Boost-Schalter für den nötigen Druck. Das funktioniert zwar, aber bekanntermaßen klingen zu starke Verzerrungen bei Bassamps mit integriertem Hochtöner nie wirklich toll. Sie bekommen schnell einen etwas unangenehmen, nasalen und sägenden Charakter. Und auch der Marshall bleibt von diesem Phänomen nicht verschont. Schön wäre es, könnte man den Hochtöner regulieren oder sogar abschalten. Ohne Boost-Schalter kommen angezerrte Sounds sehr gut rüber – speziell in Verbindung mit dem Voice-Regler.
“In puncto Röhrensound, Marke Rock’n Roll, findet der MB 4210 zu seiner wahren Stärke“
Eine sehr schöne Zusatzoption ist die Möglichkeit, die beiden Kanäle des MB4210 über einen Blendregler stufenlos miteinander zu mischen und die Lautstärke des Mischsounds ebenfalls einstellen zu können. Auf diese Weise stehen dem Bassisten drei unterschiedliche Sounds zur Verfügung, die alle in ihrer Lautstärke individuell regelbar sind. Das Mischverhältnis beider Kanäle lässt sich im Combimodus zwar stufenlos regeln, allerdings steht der Blendregler bei einer 50/50 Einstellung schon im letzten Viertel des Gesamtregelweges in Richtung Classic. Das hat zur Folge, dass der Bereich für ein günstiges Mischverhältnis sehr klein ist – ein Konstruktionsmerkmal, das man durchaus besser hätte lösen können.
“In diesem Soundfile hört man – nacheinander jeweils nach sechs Takten wechselnd – alle drei Kanalschaltungen, und zwar in der Reihenfolge: 1) Modern, 2) Classic, 3) Combi”
Der mitgelieferte Fußschalter ermöglicht zum einen die Kanalumschaltung zwischen Classic und Modern, und zum anderen die Aktivierung der Blend-Funktion, also der Kanalverknüpfung. Insgesamt sind es drei unterschiedliche Sounds, die per Fußschalter abgerufen werden. Allerdings generieren die Schaltvorgänge ein leicht hörbares Nebengeräusch, das auch über den D.I. Ausgang übertragen wird, wenn der D.I. Schalter auf „post“ steht. Das ist aber nur dann von Relevanz, wenn man live seinen Sound über den internen D.I.-Out (post) des MB 4210 zum Mischpult schickt. In einem solchen Fall kann es dann allerdings passieren, dass die Umschaltgeräusche auch über die PA zu hören sind.
Wie bereits erwähnt, verfügt der MB 4210 über zwei Lautsprecheranschlüsse, von denen einer mit den integrierten Speakern belegt ist und der andere zum Anschluss einer externen Box genutzt werden kann. Sehr lobenswert ist, dass diese als Speakon-Kombi-Buchsen realisiert wurden, also sowohl mit Speakon- als auch mit Klinkensteckern Freundschaft schließen. Die Endstufe ist sehr tolerant und verträgt Impedanzen bis hinunter zu zwei Ohm. Mit einer zusätzlichen 4-Ohm-Box ergibt sich somit eine Gesamtimpedanz von zwei Ohm und die höchste Leistungsausnutzung der Endstufe, die in diesem Fall von 300 Watt auf 450 Watt steigt.
Zum Test habe ich einmal eine externe 4 x 10“-Box mit acht Ohm angeschlossen und die internen Lautsprecher abgeklemmt. Das Ergebnis war durchaus hörenswert, obgleich die basslastige Auslegung des Marshall EQs bei einer externen Box noch stärker zur Geltung kommt. Will man einen ausgeglichenen Sound, bleibt im Gegensatz zu den internen Speakern nichts anderes übrig, als gewaltig die Bässe zurückzudrehen. Trotzdem ist festzuhalten, dass der MB 4210 seine Leistung erst mit einer Zusatzbox voll zur Geltung bringen kann. Dann aber wird der Combo zu einem adäquaten Bühnenpartner auch für mittelgroße Gigs.