Auch Legenden dürfen mal danebenliegen und manchmal tun sie das spektakulär. Zwischen bahnbrechenden Alben und unsterblichen Hits haben selbst die größten Künstler Songs veröffentlicht, die heute eher für Stirnrunzeln sorgen. Fünf dieser Ausrutscher schauen wir uns hier genauer an.

Metallica – St. Anger
Metallica gehört zu den größten und talentiertesten Metal-Bands überhaupt – umso mehr irritierte 2003 der Song „St. Anger“ viele Fans. In den 80ern setzte die Band mit Alben wie Master of Puppets und ihren komplexen Riffs neue Maßstäbe, doch St. Anger fühlte sich für viele wie ein drastischer Bruch mit ihrer eigenen Tradition an. Der blecherne Klang der Snare-Drum, das völlige Fehlen von Gitarrensoli und die rohe, fast unfertig wirkende Produktion sorgten schnell für breite Kritik. Gleichzeitig spiegelte der Song eine chaotische Zeit innerhalb der Band wider, geprägt von persönlichen Krisen und Spannungen. Viele empfanden das Ergebnis als überhastet und unausgereift. Gerade weil Metallica davor ihr musikalisches Können so oft eindrucksvoll bewiesen hatte, war die Enttäuschung über St. Anger besonders groß. Bis heute steht das Lied als Beispiel dafür, dass selbst Ikonen stolpern können, wenn sie versuchen, sich neu zu erfinden.
The Rolling Stones – Indian Girl
Die Rolling Stones haben über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass sie nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich den Puls der Zeit treffen können. Umso auffälliger ist, wie blass „Sweet Neo Con“ auf dem 2005 erschienenen Album A Bigger Bang wirkt. Der Song versucht, sich kritisch mit der politischen Lage unter der Regierung von George W. Bush auseinanderzusetzen, bleibt dabei aber überraschend eindimensional und wenig differenziert. Musikalisch bietet das Stück wenig Neues und wirkt eher wie eine routinierte Jam-Session als eine kraftvolle politische Aussage. Gerade im Vergleich zu früheren gesellschaftskritischen Momenten der Stones fehlt hier die Schärfe, die Originalität und vor allem das Gespür, komplexe Themen auf den Punkt zu bringen. „Sweet Neo Con“ bleibt so einer der seltenen Fälle, in denen die Band ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht wurde.
Paul McCartney – Wonderful Christmas Time
Paul McCartney hat mit seiner Musik Generationen geprägt und wird nicht ohne Grund oft als der besten Songwriter aller Zeiten bezeichnet. Gerade deshalb wirkt „Wonderful Christmas Time“ für viele so enttäuschend. Der Song, der Ende der 70er erschien, setzt stark auf damals moderne Synthesizer, die heute jedoch billig und penetrant klingen. Wenn man Pech hat, verfolgen einen die Yamaha CS-80 Synthesizer Stabs, die durchgehend im Song laufen, noch im Schlaf.
Statt der zeitlosen Melodien und cleveren Arrangements, für die McCartney berühmt ist, bekommt man hier eine simple, fast schon nervige Klangschleife, die sich endlos wiederholt. Auch textlich bleibt der Song extrem schlicht, was ihn schnell eintönig wirken lässt. Während andere Weihnachtsklassiker Wärme und Nostalgie ausstrahlen, fühlt sich „Wonderful Christmas Time“ für viele eher wie ein gezwungen fröhlicher Jingle an – eine Kuriosität im Werk eines Künstlers, der ansonsten fast immer ein untrügliches Gespür für zeitlose Musik bewiesen hat.
Eric Clapton & Van Morrison – Stand Up and Deliver
Eric Clapton und Van Morrison gehören ohne Frage zu den Legenden der Musikgeschichte. Beide haben in ihren besten Zeiten Songs geschaffen, die Generationen geprägt haben. Umso größer war die Enttäuschung, als sie während der Corona-Pandemie „Stand and Deliver“ veröffentlichten. Statt musikalischer Größe und Tiefgang lieferten sie einen Song ab, der nicht nur musikalisch altbacken und uninspiriert wirkt, sondern vor allem inhaltlich stark polarisierte. Der Text richtet sich gegen die Corona-Maßnahmen und spricht von einem Verlust an Freiheit, ein Thema, das zu dieser Zeit hochemotional und politisch aufgeladen war. Viele fanden den Song unsensibel gegenüber dem echten Leid während der Pandemie und kritisierten, dass der Song Verschwörungserzählungen zusätzlich anfeuerte. „Stand and Deliver“ traf einen besonders empfindlichen Nerv. Weniger als Protestsong, sondern eher als trauriges Zeugnis davon, wie weit auch große Künstler manchmal an der Wirklichkeit vorbei schreiben können.
The Beatles – Revolution #9
Die Beatles gelten ohne Zweifel als eine der größten Bands der Musikgeschichte, und John Lennon wird oft als einer der besten Songwriter aller Zeiten gefeiert. Gerade deshalb war die Veröffentlichung von „Revolution 9“ auf dem White Album für viele Fans ein Schock. Statt eines eingängigen Songs erwartete sie eine über acht Minuten lange Klangcollage aus Stimmen, Geräuschen und chaotischen Fragmenten, die weder einer klassischen Struktur folgte noch irgendeine klare Botschaft vermittelte. Lennon wollte hier bewusst mit Kunst und Avantgarde experimentieren, aber der Großteil der Hörer konnte mit diesem radikalen Ansatz wenig anfangen. Viele Fans, die auf neue Hymnen oder emotionale Balladen gehofft hatten, fühlten sich regelrecht vor den Kopf gestoßen. Inmitten eines ansonsten brillanten Doppelalbums wirkte „Revolution 9“ für viele wie ein Fremdkörper. Etwas, das eher Verwirrung und Frustration auslöste als Begeisterung. Bis heute bleibt der Song einer der sperrigsten und unbeliebtesten Ausreißer in der Geschichte einer Band, die es sonst selbst mit musikalischem experimentieren schaffte, den Zeitgeist perfekt zu treffen.
Selbst die größten Künstler haben ihre schwachen Momente
Manchmal stolpern eben selbst die Größten. Zwischen zeitlosen Meisterwerken und Hymnen für die Ewigkeit blitzen eben auch Songs auf, bei denen man sich fragt, was im Studio eigentlich genau schiefgelaufen ist. Doch gerade diese Momente machen Legenden menschlich: Sie zeigen, dass auch Genies nicht vor schrägen Ideen, schlechten Entscheidungen oder einfach einem miesen Tag geschützt sind. Und mal ehrlich, irgendwie macht es auch Spaß, sich an den kleinen Fehltritten abzuarbeiten. Ohne sie wären selbst Bands wie die Beatles oder die Stones vielleicht ein bisschen zu perfekt, um sie wirklich zu lieben.