Die 1990er gelten nicht unbedingt als goldenes Zeitalter der Synthesizergeschichte. Aber zwischen all den gesichts- und reglerlosen ROMplern mit Mini-Displays haben auch die 90er einige Synthesizer hervorgebracht, die man auf dem Schirm haben sollte. Hier kommen fünf Synthesizer der 90er, die sich auch heute noch lohnen.
Vor allem in der ersten Hälfte der 1990er sah die Synthesizerwelt aus heutiger Sicht ganz schön düster aus. Nach dem grandiosen Erfolg der Korg M1 setzten fast alle Hersteller auf samplebasierte Workstations, bei denen Regelmöglichkeiten Fehlanzeige waren. Um Sounds zu verändern, musste man sich auf eine qualvolle Reise durch Menüseiten voller kryptischer Abkürzungen machen – nicht gerade inspirierend!
Aber es gab zum Glück auch einige Ausnahmen und interessante Alternativen, die sich der Übermacht der ROMpler entgegenstellten. Einige davon sind wegen ihrer speziellen Klangerzeugung auch heute noch interessant. Fünf Synthesizer der 90er, die man kennen sollte!
Waldorf Microwave / Microwave XT
Die erfolgreichen Wavetable-Synthesizer der Waldorf Microwave-Serie schrieben die Geschichte der PPG Wave Synthesizer fort und drückten vor allem dem Techno-Sound der 90er ihren Stempel auf. Welche Version man wählt, ist aus heutiger Sicht eine Frage des Geschmacks. Der erste Microwave hatte analoge Filter und VCAs; ihm wird häufig ein organischerer Sound zugeschrieben. Der komplett digitale Microwave II ist für seinen schärferen Klang bekannt. Schließlich erschien mit dem Microwave XT eine Version mit vielen Reglern, um die bedientechnischen Schwachstellen der früheren Modelle zu korrigieren. Den XT gab es auch in einer Tastaturversion.
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Wavetable-Synthesizer sind seit einiger Zeit wieder sehr beliebt. Die erste Adresse, wenn man möglichst nah an den Microwave-Sound herankommen möchte, ist natürlich Waldorf selbst. Der Waldorf M bringt die Wavetable-Synthese des Microwave I und II in ein modernes Desktop-Format – mit einem zeitgemäßen Bedienkonzept und mit den analogen Filtern der ersten Version. Mehr zum M erfahrt ihr auch in unserem Angecheckt. Den Waldorf M bekommt ihr bei Thomann*.
Eine günstige Alternative ist der Waldorf Blofeld, der virtuell-analoge Synthese mit Wavetables verbindet. Seine Matrix-Bedienung vermittelt sogar ein bisschen Old-School-Microwave-Feeling! Den Blofeld gibt es bei Thomann*.
Mehr aktuelle Wavetable-Synthesizer findet ihr hier.
Korg Z1
Mitte der 1990er machte die DSP-Technik große Fortschritte und es kamen die ersten Synthesizer mit Physical Modeling und/oder virtuell-analoger Tonerzeugung heraus. Bei Korg startete diese Ära mit dem monophonen Prophecy, auf dem ich mir damals selbst die Finger wund gespielt habe. Später erschien mit dem Z1 quasi die „erwachsene“, polyphone Version. Die MOSS-Engine (Multi-Oscillator Sound Source) vereint verschiedene Syntheseverfahren, darunter virtuell-analoge Oszillatoren und verschiedene Physical-Modeling-Klangquellen. Eine Stärke des Z1 waren zu seiner Zeit auch die Ausdrucksmöglichkeiten – unter anderem debütierte hier das X/Y-Pad, das bei Korg später die Grundlage für Gerätegattungen wie die KAOSS Pads und die KAOSSILATOR-Serie bildete und von dem Hersteller bis heute gern verwendet wird.
Echte Alternativen zum Korg Z1 gibt es leider nicht wirklich – der spezielle Aufbau der MOSS-Klangerzeugung war ziemlich einzigartig. Der virtuelle Prophecy in der Korg Collection lässt sich zwar im Gegensatz zum Vorgänger polyphon spielen, ist aber eben doch etwas anders aufgebaut als der Z1 und daher kein vollwertiger Ersatz.
Hardwareseitig wäre der Korg Nautilus wohl die eheste Entsprechung. Unter seinen neun Engines finden sich auch einige Bausteine des Z1, darunter virtuell-analoge Synthese, VPM-Synthese und Physical-Modeling-Sounds. Den Korg Nautilus gibt es mit und ohne Aftertouch; alle Varianten bekommt ihr bei Thomann*.
Yamaha AN1x: Virtuell-analoger Synthesizer der 90er
Der Yamaha AN1x gehörte bei seinem Erscheinen zur ersten Welle virtuell-analoger Synthesizer, die analoge Oszillatoren und Filter auf DSP-Basis emulierten. Anders als z.B. den Zeitgenossen Roland JP-8000 und Clavia Nord Lead blieb ihm allerdings der große Ruhm verwehrt. Vielleicht lag es daran, dass er weniger auffällig gestaltet war als die Konkurrenten und weniger Regler bot (man munkelt, er wurde aus Kostengründen in das Gehäuse des ROMpler-Kollegen CS1x gesteckt), oder daran, dass Yamaha damals nicht gerade für Innovation und Coolness stand. Am Sound kann es jedenfalls nicht gelegen haben, denn der AN1x klingt super. Was auch der Grund dafür ist, dass er leider nicht allzu oft gebraucht angeboten wird – wer einen hat, weiß ihn meist zu schätzen.
Die direkteste Entsprechung wäre heute die AN-X-Engine des Yamaha Montage M. Günstiger und kompakter, aber auch ziemlich abgespeckt gibt es virtuell-analoge Synthese im Yamaha-AN-Stil im reface CS (hier bei Thomann*).
Novation Bass Station: Einer der wenigen analogen Synthesizer der 90er
Mit der ersten Bass Station traf Novation im Jahr 1993 ins Schwarze. Die grauen Synthesizer der frühen 90er boten Produzenten elektronischer Musik nicht das, was sie suchten – etwas Analoges musste her! Der kleine, monophone Synthesizer des jungen britischen Herstellers war die Rettung. Zwei Oszillatoren, ein bissiges Filter, zwei Envelopes und Autoglide waren das Rezept der Bass Station, deren Klangpotenzial bei der Emulation von TB-303-Sounds noch lange nicht endete. Zwanzig Jahre später ließ Novation die Bass Station II folgen, die viele Konzepte der ersten Version bis heute weiterführt und nach über zehn Jahren Produktionszeit inzwischen selbst zu einer Art Klassiker geworden ist.
Als direkter Nachfahre der ursprünglichen Bass Station ist die Bass Station II die naheliegendste Option, um den Sound mit heutigen Mitteln umzusetzen. Sie bietet deutlich mehr Möglichkeiten als das Original – zum Beispiel einen Suboszillator, ein vielseitigeres Filter, einen zweiten LFO, einen Arpeggiator/Sequencer und nicht zuletzt die Möglichkeit, Sounds abzuspeichern. Die Bass Station II gibt es bei Thomann*.
Wenn es Software sein darf: Die erste Bass Station gibt es seit Längerem auch als Plugin – inzwischen sogar kostenlos! Das Plugin wird allerdings nicht mehr weiterentwickelt und ist nicht mit Apple-Silicon-Macs kompatibel. Auch auf der Homepage von Novation ist es nicht mehr zu finden. Wer einen älteren Rechner betreibt und Lust auf die virtuelle Bass Station hat, findet das Plugin aber noch auf verschiedenen Freeware-Seiten im Netz.
Kawai K5000
Dass Kawai auch einmal Synthesizer hergestellt hat, ist heute fast in Vergessenheit geraten. Mit dem K5000 hatte der Hersteller in den 90ern sogar einen ziemlich einzigartigen Synth im Angebot. Mit seiner Kombination aus PCM-Samples und additiver Synthese ist der K5000 ein Exot und ein Spezialist für sphärische Klangwelten, in denen man sich auch heute noch stundenlang verlieren kann. Die Version K5000S bietet mit ihren 12 Drehreglern den intuitivsten Zugriff auf die Klangerzeugung. Außerdem gibt es den K5000W (eine Workstation-Version mit integriertem Sequencer) und das Rackmodul K5000R. Leider war dem K5000 nicht der erhoffte Erfolg vergönnt – wohl auch wegen den zur gleichen Zeit aufkommenden virtuell-analogen Synthesizern, die ungleich einfacher zu durchschauen und zu bedienen waren. 1999 zog Kawai sich schließlich aus dem Synthesizer-Geschäft zurück und konzentrierte sich auf Pianos und Digitalpianos.
Echte Hardware-Alternativen zum Kawai K5000 gibt es eigentlich nicht. Um mit additiver Synthese zu experimentieren, schaut man sich heute also am besten bei Software-Synthesizern um.
Additive Software-Synthesizer
Der Arturia Pigments 5 bietet eine additive Harmonic-Engine als eines von vier verschiedenen Verfahren zur Klangerzeugung. Ohnehin könnte man Pigments eigentlich für fast alle der hier vorgestellten Synthesizer als moderne Alternative nennen – es gibt fast keinen Sound, der sich damit nicht realisieren ließe. Hier bei Thomann*.
Ein weiterer additiver Software-Synthesizer ist Loom II von AIR Music Technology. Der Synthesizer ist modular aufgebaut; aus insgesamt 34 verschiedenen Modulen kann man immer wieder neue Kombinationen zusammenstellen. Perfekt für experimentelle Sounddesign-Sessions! Loom II gibt es bei Thomann*.
Wer Native Instruments Komplete Ultimate besitzt, hat mit Razor einen sehr vielseitigen additiven Synthesizer auf dem Rechner, der überhaupt nicht kühl und steril klingt. Razor läuft in NI Reaktor und wurde von Errorsmith in Zusammenarbeit mit NI entwickelt. Die intuitive Bedienung der komplexen Syntheseform ist eines der Highlights von Razor – auch Einsteiger in die additive Synthese kommen schnell zu interessanten Ergebnissen. Razor bekommt ihr als Teil von Komplete Ultimate (hier bei Thomann*) oder einzeln auf der Website von Native Instruments.