Bass-Fills sind auffällig häufig Thema im Unterricht und Bass-Workshops. Sie sind aber auch eine hervorragende Möglichkeit, endlich mal allen zeigen zu können, was man alles drauf hat am Instrument! Ok, das war Spaß – ein bisschen um Musik darf es auch gehen. Und darum, dass ein Musikstück durch geschmackvolles Bassspiel massiv aufgewertet wird. Wie man effektiv und geschmackvoll mit Bass-Fills arbeitet, erlernst du in diesem Bass-Workshop!
Bass-Fills spielen: Aufgabe, Wirkung, Wann und Warum
Was bedeutet eigentlich das Wort “Fill”? Es ist das Kürzel von “Fill In” (auch: “Fill-In”). Schaut man auf Wikipedia, finden sich dort Wörter wie “Ausschmückung” und “Überbrückung”. Naja, das ist doch etwas zu technokratisch. Einfacher wird es, wenn wir die vorrangige Aufgabe von Fills untersuchen: Sie sollen Strukturen erzeugen und anzeigen, wann ein Formteil eines Songs zu Ende geht und ein neuer beginnt. Fill-Ins sind also gleichzeitig das Ende des einen Teils und läuten einen neuen ein.
Die Zählzeit 1 eines solchen neuen Abschnitts nennt man umgangssprachlich eine “Große 1”. Fills führen in der Regel also auf einen Große 1 hin, teilen somit die Form des Songs ein und strukturieren ihn. Zu einem ganz großen Prozentsatz bestehen musikalische Abschnitte, wie z.B. Vers, Chorus und Bridge, aus Vielfachen von zwei Takten. Häufige Längen sind 4, 8, 12 (Blues) oder 16 Takte. Aus diesem Grund findet man Fills meist am Ende von Abschnitten solcher Anzahl an Takten.
Hier ist ein achttaktiges Beispiel. Einmal spiele ich ein Fill zuerst in Takt 7, beim zweiten Durchgang richtigerweise in Takt 8 (genaugenommen dann Takt 16). Man kann deutlich hören, dass die erste Variante absolut sinnlos ist und eher für Verwirrung als für Klarheit sorgt. Sie fühlt sich irgendwie komisch an, im wahrsten Sinne des Wortes deplatziert. Die zweite Variante zeigt klar an: Hier ist ein Formteil zu Ende, und ein neuer beginnt!
Bass-Fills spielen: Kontext und Authentizität
Wie oben bereits ironischerweise erwähnt, werden Fills gerne mal “missbraucht”, um imposante Licks abzuliefern und ein Art “Mini-Solo” zu spielen. Diese Licks fallen dann schnell aus dem Rahmen, denn sie haben ja im Grunde rein gar nichts mit dem Song zu tun, sondern nur mit dem, was man gerade auf dem heimischen Sofa übt. Natürlich bleibt die Funktion als solches erhalten, aber Fills dieser Art werden immer deplatziert wirken. Es ist also wichtig zu wissen, in welchem musikalischen Kontext man sich bewegt. Dies beinhaltet Stilistik, Tempo, Besetzung, Feeling des Songs, etc.
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Auch hier zeige ich euch wieder ein richtiges und ein (zugegeben übertriebenes) falsches Beispiel. Die Funktion erfüllen beide, aber nur das erste unterstützt auch wirklich den Song und ist stilistisch authentisch. Das zweite ist zwar virtuoser und spieltechnisch interessanter, dient aber ausschließlich meinem Ego.
Grooveorientierte Fill-Ins
Bei aller Beschäftigung mit Bass-Fill dürfen wir unsere Priorität nicht vergessen: der Groove! Ihn sollten wir keinesfalls für ein cooles Fill opfern, sondern bestenfalls beide Jobs gleichzeitig erledigen, also ein grooveorientiertes Bass-Fill spielen. Das heißt, sich an der grundlegenden Rhythmik, dem Feeling und dem Groove des Songs zu orientieren.
Am besten lässt sich dies natürlich wieder an einem Beispiel nachvollziehen. Ich spiele bei beiden exakt die gleichen Töne in der gleichen Reihenfolge. Im ersten Beispiel lehne ich mich an den vorangegangenen Groove an, im zweiten spiele ich rhythmisch deutlich komplexer. Das ist zwar spannend, aber eben nicht authentisch. Es klingt wie ein Funkbassist bei einem Rock-Gig.
Bass-Fills “Out Of The Box”
Großes Potenzial für interessante Basslines liegt immer darin, “out of the box” zu spielen, also keine ausgelutschten Klischees zu verwenden. Beim Thema Fills ist die größte Gefahr, dass man diese auf der Zählzeit 1 beginnt und auf der nächsten 1 endet. Das klingt nämlich auf Dauer sehr schematisch und langweilig. Nehmen wir als Beispiel eine sich wiederholende achttaktige Form. In Takt 8 spiele ich, beginnend auf der 1, ein Fill, und lande auf der 1 des folgenden Taktes.
Hm, das klingt schon ok, aber auch irgendwie recht steif. Im Schulzeugnis würde man wohl “… war stets bemüht” lesen können. Man merkt geradezu, wie ich im achten Takt ein Fill spiele, weil der Lehrer es so gesagt hat. Daher beginne ich jetzt das Fill-In etwas früher, starte also bereits im siebten Takt. Zudem führe ich es noch eine Achtel weiter als die Zählzeit 1 des folgenden Taktes.
Das klingt doch schon deutlich interessanter und aufregender, oder? Es löst diese strenge “Takt für Takt”-Einteilung auf und wirkt wesentlich souveräner. Ein Fill auf der 1 zu beginnen und der nächsten 1 zu beenden, ist natürlich nicht falsch, auf Dauer klingt es aber eben doch recht schematisch. Deshalb ist es gut, auch mal andere Startpunkte auszuprobieren.
Diese Herangehensweise ist zudem eine sehr gute Übung für das Empfinden von Songformen. Man muss nämlich wissen bzw. fühlen, wann der entsprechende Abschnitt des Songs zu Ende geht und ein neuer beginnt, um rechtzeitig mit dem Fill zu beginnen.
Beispiel: Bass-Fills im langsamen R’n’B spielen
Nun gibt es noch zwei Beispiele aus unterschiedlichen Stilistiken für den Selbstversuch. Beide erfordern unterschiedliche Fills aufgrund von Stilistik, Tempo, Groove, etc. Den Anfang macht ein langsamer R’n’B-Groove über eine typische Akkordfolge. Diese lautet | Am7 | D7 | – das passende Tonmaterial ist die A-Moll-Bluespentatonik mit ihren Tönen A, C, D, D#, E, G.
Dem sehr entspannten Feeling sollten natürlich auch die Fills Rechnung tragen. Hier findet ihr zunächst das Playalong für eigene Experimente:
Hier ein Beispiel zur Inspiration:
Mein Fill hat hier die Länge von ca. zwei Viertelnoten. Aufgrund des langsamen Tempos wäre ein Fill über einen ganzen Takt deutlich zu viel und zöge zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Das kann man hier gut hören:
Beispiel: Bass-Fills spielen im Rock
Dieses Beispiel ist ein straighter Achtelrock auf nur einem Akkord. Als Tonmaterial empfiehlt sich wieder einmal die gute alte Moll-Pentatonik (hier: G-Moll-Pentatonik mit den Tönen G, Bb, C, C#, D, F). Das ist insofern interessant, als dass dies auch schon auf das vorherige Beispiel zutrifft. Der Unterschied zwischen den Stilistiken ist also nicht das Tonmaterial, sondern WIE dieses eingesetzt wird. Hier ist zunächst das Playalong:
Hier ein Beispiel mit Aspekten aus den Punkten 1 bis 4, also grooveorientiert, “out of the box” und stilistisch authentisch:
Im Gegensatz zu Beispiel 1 ist hier aufgrund des Tempos und der achttaktigen Form ein Fill über einen ganzen Takt durchaus sinnvoll. Dies zeigt auch wieder schön, wie unterschiedlich die Anforderungen bei ein und demselben Thema sein können – abhängig vom jeweiligen Kontext, in dem wir uns bewegen.
Auch beliebt bei Songs solcher Art ist ein Registerwechsel. Das Fill besteht melodisch also nur aus einem Ton, und das ist auch noch der Grundton (eine Oktave höher). Einfacher geht es nicht, aber trotzdem wird die Aufgabe eines Fills zu 100% erfüllt. Und dass dies mit nur einem einzigen Ton funktioniert, und dazu auch noch gut und authentisch klingt, ist doch ein schönes Schlusswort und was zu Nachdenken.
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal!
Thomas Meinlschmidt
Thomas Kapitel sagt:
#1 - 11.07.2018 um 09:35 Uhr
Mein Meister guter Fills: Hört euch Marcus Miller an, wenn er als Sideman bei seinen Studiojobs begleitet.
Ebenfalls super: Pino Palladino, Lee Sklar und die Bassisten auf sämtlichen Aufnahmen von Wham und George Michael.