Die Palm Mute Technik (auch bekannt als “Palm Muting”) ist schon seit längerer Zeit wieder in aller Munde und hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Renaissance erlebt. Obwohl sie heutzutage in erster Linie mit virtuosen Bassisten wie Victor Wooten, Hadrien Feraud, Janek Gwizdala, Damien Erskine, Matthew Garrison, Uriah Duffy etc. in Verbindung gebracht wird, hat sie ihren Ursprung eigentlich schon in der Geburtsstunde des E-Basses. In diesem Workshop bekommst du sechs heiße Tipps, die dir den Zugang zum Palm Muting garantiert erleichtern werden!
Quick Facts: Was ist Palm Muting?
Palm Muting (auch: Palm Mute) ist eine Spieltechnik für Saiteninstrumente wie Gitarre, Bass, Ukulele etc. Beim Palm Muting (“Palm” = “Handfläche”/”Handballen”, “Mute” = “Dämpfen”) werden die Saiten beim Spielen mit dem Handballen abgedämpft. Der Handballen der Anschlagshand wird im 90°-Winkel in der Nähe der Brücke auf die Saiten gelegt.Beim E-Bass lässt man danach die Hand auf die Saiten fallen, sodass sich der Daumen ca. in der Mitte zwischen Griffbrett und Brücke befindet. Dieser übernimmt nun das Anschlagen der Saiten, ggf. unterstützt durch den Zeige- und Mittelfinger der Schlaghand. Die Daumenbewegung kommt aus dem Daumengelenk – nicht etwa aus dem Handgelenk oder dem Unterarm, wie z.B. beim Slapping.
Basstöne, die mit Palm Muting gespielt werden, besitzen wenig Attack (jenes knackige Anschlagsgeräusch, das den Beginn einer Note definiert), der Ton ist fett, kurz und “dunkel”. Die Palm Mute Technik auf dem E-Bass eignet sich sehr gut für Soul, Reggae, Blues oder für moderne, synthie-artige Sounds aus dem R&B, Neo Soul, Hiphop, Gospel etc.
Geschichtliche Entwicklung der Palm Mute Technik
Der E-Bass wurde zwar schon eher erfunden, wirkliche Verbreitung fand er jedoch erst in den 1950er-Jahren mit dem erstmalig seriell in großen Stückzahlen hergestellten Fender Precision Bass. Dieser stellte im Prinzip ein komplett neues Instrument dar, daher gab es auch keinerlei Vorbilder oder etablierte Techniken, wie man ihn bedient, sprich: die Saiten anschlägt.
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Der E-Bass wurde von den Kontrabassisten zunächst etwas skeptisch betrachtet, aber vor allem viele Gitarristen griffen nun aufgrund der im Vergleich zum Kontrabass kürzeren Mensur und der aufgrund der Bundstäbchen erleichterten Intonation (daher der Name “Precision”!) zum E-Bass. Viele Gitarristen übernahmen einfach die Anschlagsart, mit welcher sie auch Gitarre spielten, und bedienten den Bass entweder mit dem Plektrum oder – ähnlich wie bei einer klassischen Gitarre – mit dem Daumen. Um es etwas komfortabler zu haben, legten einige dabei ihren Handballen auf die Saiten, und voilà: fertig waren die Grundlagen der Palm Mute Technik!
Obwohl sie in den 70ern und 80ern aufgrund der rasanten Entwicklung des E-Basses etwas ins Hintertreffen geriet, war diese Spieltechnik in anderen Stilistiken weiterhin sehr beliebt – allen voran im Reggae. In den letzten zwei Jahrzehnten aber hat sich die Palm Muting Spieltechnik vom einfachen Zupfen mit dem Daumen zu ganz neuen Höhen entwickelt. Das ist vor allem den im Intro genannten Bassisten zu verdanken, aber auch altbekannte Größen wie Marcus Miller, Nathan East oder Pino Palladino etc. greifen des Öfteren auf sie zurück, denn sie ist eine lohnenswerte Erweiterung unseres Sound-Spektrums!
Palm Muting fördert dynamisches Spiel
Ein wichtiger Aspekt bei der Verwendung der Palm Mute Technik ist die Erweiterung unserer dynamischen Bandbreite. Jede Technik bedient in diesem Punkt ja ein anderes Level, und die Palm Mute Technik ist hier eher am unteren Ende einzuordnen. Durch den sehr eigenen Charakter ihres Sounds bewegt man sich vorwiegend auf “leisen Sohlen” im Hintergrund. Hinzu kommt, dass man – vor allem, wenn man ausschließlich mit dem Daumen spielt – im positiven Sinne “gezwungen” wird, wenig zu spielen. Dies trägt zusätzlich zu einem dezenten dynamischen Auftritt bei!
Alles in allem eignet sich die Palm Mute Technik somit hervorragend für Stilistiken, Songs oder Passagen, in denen der Bass zwar fett, aber nicht aufdringlich sein soll. Falls man im Laufe eines Songs mehr Gas geben muss, kann man auf Wechselschlag oder andere Spieltechniken umsteigen. Daher ist die Palm Mute Technik eine tolle Bereicherung des uns zur Verfügung stehenden dynamischen Spektrums.
Beispielgrooves für Palm Muting
Spielen wir einmal ein paar Songs aus verschiedenen Stilistiken. Hier kann man sicherlich am besten den Sound und die Wirkung der Palm Mute Technik erfahren. Den Anfang macht ein Beispiel aus dem “Großraum” Motown bzw. 60’s Soul. Für eigene Experimente gibt es jeweils die Playalongs ohne Bass.
Der dunkle und synthie-artige Ton ohne Attack ist geradezu perfekt für einen guten Reggae-Basssound. Palm Mute ist hier aus gutem Grund eine der beliebtesten Spieltechniken!
Da ich auch gerne Kontrabass spiele, war mir der E-Bass im traditionellen Jazz schon immer etwas zu brillant und aufdringlich. Aber auch hier kann die Palm Mute Technik schnell Abhilfe schaffen.
Ein weiteres modernes Beispiel, in dem die Palm Mute Technik gerne verwendet wird, ist moderner R&B bzw. Neo Soulim Stile von D’Angelo, Erykah Badu, Jill Scott etc. Hier passt dieser Sound ebenfalls perfekt. Unterstützt wird das häufig noch durch die Verwendung von Flatwound-Saiten:
Palm Muting mit Daumen und Zeigefinger
Natürlich bleibt keine Technik im Laufe der Zeit stehen, sondern wird durch neue Protagonisten beständig weiterentwickelt. Der nächste logische Schritt für die Palm Mute Technik war daher, nicht nur ausschließlich den Daumen zu benutzen. Nimmt man dem Zeigefinger hinzu (ähnlich dem Zupfen einer klassischen Gitarre), ergeben sich abermals ganz neue Möglichkeiten. Das können z.B. größere Intervalle sein (Oktaven oder Septimen etc.), schnellere Wechsel zwischen verschiedenen Saiten, melodischere Basslines, oder der Zeigefinger sorgt für perkussive Elemente.
All dies habe ich im folgenden Beispiel in einen synkopierten Funkgroove gepackt, der durch die Palm Mute Technik einen ganz eigenen Charakter erhält. Wie man anhand dieses Beispiels sehen kann, erweitern Artikulationen mit der Greifhand, wie Hammer-On, Pull-Off und Slides das Repertoire zusätzlich und bieten so mehr Möglichkeiten, die Grooveline zu gestalten.
Backbeats spielen mit Palm Muting
Mit der Palm Mute Technik lässt sich wunderbar ein perkussiver Backbeat erzeugen. Wem der Begriff erst mal nichts sagt: Der sogenannte “Backbeat” sind die Zählzeiten 2 und 4 in einem 4/4-Takt. In Rock, Pop, Funk, Soul, R&B, Blues, Rock etc. werden diese immer betont – vor allem natürlich durch die Snare des Drummers – und erzeugen so einen lebendigen musikalischen Puls, welcher die Musik nach vorne trägt.
Diesen Backbeat-Puls können wir nun ganz einfach in unseren Groove integrieren, indem wir die Hand kurz von den Saiten lupfen und wieder fallen lassen. So entsteht ein perkussiver Effekt, der den Backbeat der Snare simuliert. Dies eignet sich auch hervorragend für Besetzungen ohne Drums und gibt hier die nötige Stabilität!
Palm Muting XXL: Daumen, Zeige- und Mittelfinger
Ich hatte es ja schon angesprochen: Wo der Zeigefinger ist, ist auch der Mittelfinger nicht weit! Auch ihn können wir in die Palm Mute Technik integrieren und auf diese Weise noch mehr Varianten anbieten. Ich lege gerne den Zeigefinger auf die D-Saite und den Mittelfinger auf die G-Saite. So lassen sich z.B. Doublestops oder Akkorde in eine Grooveline integrieren. Dies ist z.B. für kleine Besetzungen hilfreich, wo sich Groove- und Harmoniearbeit auf wenige Schultern verteilen.
Hier ist ein Beispiel mit einer typischen Akkordfolge eines Funkjams. Der Daumen kümmert sich um die Grundtöne, der Zeigefinger um die Töne auf der D-Saite und der Mittelfinger um die Töne auf der G-Saite:
Einen letzten Aspekt möchte ich noch ansprechen, der erneut mit Dynamik zu tun hat. Nehme ich den Handballen eine kleines Stück von den Saiten weg, können diese wieder frei schwingen, was zu einem ganz anderen, wesentlich offeneren Sound führt. Streng genommen ist das kein Palm Mute mehr, aber der Rest der Technik bleibt ja gleich, deshalb wollen wir mal nicht päpstlicher sein als der Papst …
Der schöne Effekt ist, das ich jetzt zwei unterschiedliche Sounds zur Verfügung habe. Im folgenden Beispiel gebe ich den Doublestops auf der Zählzeit 1 und in der zweiten Hälfte von Takt 2 und 4 einen Akzent und spiele diese, ohne zu dämpfen. Die darauffolgende melodische Bassline dämpfe ich dann wiederum. Dies ermöglicht quasi ein Frage-Antwort-Spiel mit mir selbst – der Groove bekommt eine natürliche Dynamik und Lebendigkeit! Ihr seht, die Möglichkeiten sind wie immer nahezu endlos und man kann seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Ich hoffe, ihr habt ebenso viel Spaß mit der Palm Mute Technik wie ich und bis zum nächsten Mal!
Thomas Meinlschmidt
Horst Metz sagt:
#1 - 14.08.2019 um 20:35 Uhr
wie immer Top Workshop von Thomas Meinlschmidt.
Thomas Meinlschmidt sagt:
#1.1 - 15.08.2019 um 09:20 Uhr
Hallo Horst, vielen Dank für die Blumen! Was möchtest du trinken? ;) Freut mich zu hören, dass dir der Workshop gefällt.
LG
Thomas
Antwort auf #1 von Horst Metz
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